Nr. 10/2018

„Man braucht regelmäßige Großevents, um den Handballsport populärer zu machen“

Dr. Stefan Walzel forscht nicht nur am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement. Er leitet auch den Zertifikatsstudiengang „European Handball-Manager“ und ist Generalsekretär der European Association for Sport Management (EASM), die die Interessen von Lehrenden, Forschenden und Berufstätigen im Sportmanagement in Europa vertritt. Die Handball-Weltmeisterschaft, die im Januar 2019 in Deutschland und Dänemark ausgetragen wird, ist ein willkommenes Forschungsfeld für den ehemaligen Spieler und Präsidenten des Handballvereins SV Fortuna ‘50 Neubrandenburg.

Herr Walzel, im Januar sind wieder einmal die besten Handballteams der Welt zu Gast in Deutschland, einige Spiele werden sogar in Köln ausgetragen. Nutzen Sie diese Möglichkeit für Ihre Forschungsarbeit?

Ja, wir haben auf unterschiedlichen Ebenen Kontakte zur Handball-WM. Zum Beispiel betreiben wir ein Forschungsprojekt, in dessen Mittelpunkt die Frage nach so genannten Co-Hosting-Effekten steht. Zum ersten Mal wird eine Handball-WM der Männer von zwei Nationen gemeinsam ausgerichtet, wir wollen uns da unterschiedliche Aspekte anschauen: Wie verändert sich die Zusammenarbeit der  Ausrichterverbände durch so ein Event? Auf der Organisationsebene war das Verhältnis bisher nicht so eng, es ist interessant, welche Effekte sich ergeben, wenn man sich besser kennt, wenn man sich im Rahmen eines solchen gemeinsamen Projektes austauscht.

Welche Erkenntnisse könnte das Turnier noch liefern?

Die zweite Ebene ist tatsächlich die Zuschauerebene. Wir wollen untersuchen, inwiefern sich womöglich Meinungen und Vorurteile von Deutschen gegenüber Dänen und von Dänen gegenüber Deutschen verändern. Und wir untersuchen die These, ob sich Leute, die an so einem Sportevent gemeinsam teilnehmen, stärker mit der europäischen Idee identifizieren, als Leute, die die Weltmeisterschaft gar nicht wahrnehmen. Schon im Vorfeld haben wir explorativ verschiedene Sportevents untersucht und Faktoren für eine erfolgreiche Umsetzung identifiziert. Klar ist, dass diese Form der Sporteventausrichtung das Potential für gesellschaftliche Wirkungen über Ländergrenzen hinaus bietet. Dank der hochschulinternen Forschungsförderung können wir bei der WM eine erste empirische Untersuchung machen, die als Grundlage für weitere Studien dienen soll.  

Sie leiten den Zertifikatsstudiengang „European Handball Manager“, der während der WM eine Präsenzwoche hat. Gibt es Berührungspunkte?

Üblicherweise treffen sich die Teilnehmer in ihren Präsenzwochen in  Köln, diesmal werden wir uns statt dessen in Berlin aufhalten. Dort haben wir den  Plan, Spiele zu besuchen, Kontakte zu knüpfen und den einen oder anderen Offiziellen von den großen Verbänden in das Programm einzubinden.

Was ist eine Handball-WM in Deutschland für den hiesigen Handball wert? Der allgegenwärtige Fußball droht ja alles zu erdrücken.

Natürlich bietet so ein Turnier die Chance, in den Fokus der Öffentlichkeit zu rücken. Die Handball-WM 2007 mit dem entsprechenden sportlichen Erfolg des deutschen Teams hat gezeigt, wie gut so ein Heimturnier einer Sportart tun kann. Die Effekte waren zwar nicht so langfristig spürbar, aber für ein, zwei Jahre waren die Wirkungen sichtbar. Vor allem hat der Deutsche Handball-Bund (DHB)  mittlerweile erkannt, dass man nicht zehn oder zwölf Jahre warten sollte, bis man das nächste Event ausrichtet. Nun hat der DHB den Zuschlag bekommen, nach der WM 2019 auch die EM 2024 ausrichten zu dürfen. Man braucht regelmäßige Großevents, um den Handballsport populärer zu machen.

Sie sprechen in diesem Fall nicht nur als Wissenschaftler, sondern auch als ehemaliger Spieler und Präsident des Handballklubs Fortuna ‘50 Neubrandenburg. Waren Sie ein guter Spieler?

Rückblickend betrachtet hatte ich eine sehr schöne Zeit in den verschiedenen Jugendmannschaften des Vereins, und als Team waren wir auch überregional ganz erfolgreich. Der Übergang in den Erwachsenenbereich gestaltete sich aber aufgrund meiner körperlichen Konstitution schwierig. Mit einer Größe von 1,78 Metern merkt man schnell, dass man an Grenzen stößt, trotz guter technischer und taktischer Ausbildung. Ich bin dem Handball aber als Trainer und Funktionär treu geblieben und habe früh in anderen Bereichen des Vereins Verantwortung übernommen, so auch 2010 als Präsident, was aber so nicht geplant war. 2016 bin ich dann aus dem Präsidium freiwillig ausgeschieden, davon war ich vier Jahre Präsident des Vereins. Das waren sehr intensive und lehrreiche Jahre mit vielen positiven Erinnerungen, aber auch einigen negativen Ereignissen.

Sie sind in der DDR groß geworden. Hat das sozialistische Weltbild, das dort vermittelt wurde, Einfluss auf Ihren heutigen Blick auf ökonomische Vorgänge?

Ja, ich bin in Mecklenburg-Vorpommern aufgewachsen und war gerade zwölf Jahre alt, als die Mauer fiel. Ich würde nicht sagen, dass die Erfahrungen aus der DDR-Zeit einen Einfluss auf meine ökonomische Sichtweise haben, aber sicherlich auf den Sport und damit verbundene ökonomische Zusammenhänge. Ich hatte mich schon früh für wirtschaftliche Zusammenhänge interessiert, und dies wurde durch meine Ausbildung zum Bankkaufmann noch einmal verstärkt. Deshalb wollte ich die sportliche Leidenschaft mit dem Wirtschaftlichen verbinden, und da liegt ein Studium im Bereich Sportökonomie und Sportmanagement nahe.

Als Wissenschaftler betrachten Sie nicht alleine den Handball, das Thema Corporate Social Responsibility (CSR) im Sport  gehört zu Ihren Forschungsschwerpunkten. An was haben Sie hier unlängst gearbeitet?

Das Thema der gesellschaftlichen Verantwortung von Sportorganisationen ist ein sehr heterogenes und in den letzten Jahren stark erforschtes Thema. Gemeinsam mit den Kollegen Jonathan Robertson von der Deakin University in Melbourne und Christos Anagnostopoulos von der University of Central Lancashire Cyprus haben wir uns entschlossen, einen umfassenden Review der CSR-Forschung anzufertigen, der vor Kurzem im hoch anerkannten Journal of Sport Management veröffentlicht wurde. Durch diese Bestandsaufnahme haben wir jetzt einen detaillierten Überblick über die bisherige CSR-Forschung in professionellen Teamsportorganisationen und haben darüber hinaus Implikationen für weitere Forschungsarbeiten in diesem Bereich abgeleitet, an die wir auch selber anknüpfen wollen.

Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Arbeit ist die Wirkung von Sportsponsoring vor dem Hintergrund der Negativschlagzeilen, die der Sport mitunter macht.

Ja. Neben dem Risikomanagement von Sportsponsorships aufgrund von Dopingfällen untersuchen wir gerade in Kooperation mit der IST Hochschule in Düsseldorf, inwiefern die Rivalität zwischen zwei Teamsportorganisationen für die Aktivierung von Sponsorships im Sport genutzt werden kann. Grundsätzlich lehnen die Fans die Sponsoren des sportlichen Rivalen eher ab und haben eine negative Einstellung zu ihnen. Bei lokal agierenden Unternehmen, wie beispielsweise Gilden Kölsch, die ihre Produkte nur lokal anbieten, spielt dieser Aspekt keine Rolle. Daher stellt sich für uns die Frage, ob nicht sogar die aktive Kommunikation der Rivalität einen positiven Effekt für den Sponsor hat. Dies haben wir jüngst am Beispiel der Rivalität zwischen den Kölner Haien und der Düsseldorfer EG im Eishockey untersucht. Die ersten Ergebnisse deuten darauf hin, dass dies zu positiven Effekten zu Gunsten des Sponsors führt. Weitere Untersuchungen werden diesbezüglich noch folgen.   

Interview: Daniel Theweleit