Nr. 2/2019

Lernende Roboter als Begleiter durch den Alltag

Schlaue Maschinen sollen in Zukunft ein fester Bestandteil im Leben älterer Menschen werden. Nicht als Ersatz für zwischenmenschliche Kontakte, aber als kluge Hilfe zum Erhalt von Lebensqualität, körperlichem Wohlbefinden und geistiger Leistungsfähigkeit. Das Projekt RoSylernNT, das am Institut für Biomechanik und Orthopädie betrieben und vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, soll solch einem lernenden Robotersystem zum Durchbruch verhelfen.

Der Bau von Robotern, die das Leben der Menschen nachhaltig bereichern, erleichtern und lebenswerter machen, ist ein alter Menschheitstraum. Der Anfang ist längst gemacht, auch bei modernen Autos oder intelligenten handelt es sich um lernende Maschinen. Professor Dr. Kirsten Albracht und Dr. Björn Braunstein vom Institut für Biomechanik und Orthopädie der Deutschen Sporthochschule Köln widmen sich nun gemeinsam mit dem Roboterhersteller KUKA, der RWTH Aachen, der BEC GmbH, der Koordinauten GmbH und dem Karlsruher Institut für Technologie der Aufgabe, ein lernendes Robotersystem zu entwickeln, das zum ebenso vielseitigen wie interaktiven Trainingspartner für seine Benutzer wird.

Auf dem Weg dorthin liegt der erste Schwerpunkt nun in der Programmierung und Optimierung des Roboters von der Augsburger Firma KUKA. Bei diesem Gerät handelt es sich im Prinzip um den gleichen Roboter, der auch in vielen Fabriken zum Einsatz kommt – bei der Herstellung von Kraftfahrzeugen beispielsweise. Die Grundidee ist, eine Trainingsapparatur herzustellen, mit der es möglich wird, die individuelle Konstitution der Trainierenden, eventuelle Vorschädigungen und die physiologischen Veränderungen im Verlauf solcher Übungen automatisch in die Steuerung der Intensität zu integrieren. „Mit einer entsprechenden Sensorik sind wir in der Lage, Belastungen zu erkennen, die auf einzelne Gelenke, einzelne Muskelgruppen und auf das Zielgewebe einwirken“, berichtet Professorin Albracht. Darauf kann das adaptive Trainingsgerät dann in Echtzeit reagieren, so dass der Trainingsreiz schon bei der nächsten Wiederholung entsprechend angepasst wird.

Das ist interessant für gesunde Fitnessstudiobesucher, für Hochleistungssportler, vor allem aber für ältere Menschen, die oftmals von einem Training profitieren könnten, bei denen sinnvolle Übungen für eine bestimmtes Organ jedoch schnell zu Überlastungen an anderen Stellen des Körpers führen können. Die Schwächen des klassischen Trainings an den Gewichten im Kraftraum liegen schließlich auf der Hand: „Man drückt gegen irgendwas, wo irgendein Kilo-Wert draufsteht, aber keiner weiß genau, was für Kräfte dabei eigentlich im Körper entstehen“, sagt Braunstein. Selbst Spezialtrainer und Physiotherapeuten wüssten in der Regel nicht, welchen Belastungen ein Muskel beim Drücken einer Beinpresse oder auch nur bei schlichten Kniebeugen wirklich ausgesetzt ist und welche Kräfte auf Gelenke und Knochen wirken.

So ist etwa nachgewiesen, dass die Kräftigung bestimmter Beinmuskulaturgruppen die Schmerzen bei Kniearthrosen reduzieren kann. Allerdings besteht bei entsprechenden Übungen zugleich die Gefahr, dass der Knorpel noch weiter beschädigt wird. Braunstein und Albracht haben in Zusammenarbeit mit dem Institut für Regelungstechnik der RWTH Aachen nun einen „geschlossenen Regelkreis“ entwickelt, mit dem sich solche unerwünschten Nebeneffekte verhindern lassen: Auf der Grundlage einer Echtzeitdiagnostik steuern lernende Algorithmen nicht nur die Trainingsintensität, sondern auch ganz exakt die Belastungen in zuvor definierten Gelenkbereichen. So lässt sich über bestimmte Einstellungen festlegen, ob der Druck eher auf der Innenseite einer Gelenkfläche oder eher außen liegen soll. Oder ob der Widerstand in einer bestimmten Phase einer Bewegung besser verringert werden sollte, um sensible Geweberegionen zu schonen. „In Zukunft ist ein ganz neues Finetuning des Trainings möglich“, sagt Albracht.

Theoretisch kann dieser Roboterarm von KUKA in Zukunft beinahe jede Krafttrainingsmaschine ersetzen, denn er kann Widerstände in alle Richtungen aufbauen und mit unterschiedlichsten Griffen, Hebeln oder Platten bzw. entsprechender Sensorik ausgestattet werden, die der Trainierende dann bewegt. So lässt sich das Training von Spitzenathleten und von Freizeitsportlern optimieren, am meisten profitieren dürften jedoch Patienten in großen Reha- und Physiotherapiezentren. Derzeit wird vor allem an Sicherheitsfragen geforscht, die bei den Krafttrainingsrobotern auch deshalb eine besonders große Rolle spielen, weil es sich nicht alleine um ein Sportgerät handelt, sondern um eine Apparatur für den medizinischen Gebrauch. Mittelfristig soll aus dem Projekt RoSylerNT (gesprochen: Rosy lernt) sogar ein Begleiter durch völlig unterschiedliche Lebensbereiche der Nutzer werden.

Teil des Projektes ist nämlich auch die Entwicklung eines mobilen Systems, das einem Rollator ähnelt, der in der Lage ist, seinen Benutzer vor bestimmte kognitive oder physiologische Herausforderungen zu stellen. So entsteht ein Trainingsgerät, mit dem sich die Alltagsfitness verbessern lässt und zugleich kognitive Fähigkeiten trainiert werden. Übungen zum Erhalt eines gesunden Geistes soll am Ende überdies ein Haushaltsroboter anbieten, dessen Entwicklung ebenfalls Teil des Gesamtprojektes ist. Die Vision: Irgendwann einmal werden die unterschiedlichen Roboter ihre Informationen über den jeweiligen Nutzer untereinander austauschen und eine Art Menschmodell entwerfen, mit dessen Hilfe die Konfiguration der Systeme exakt auf die Konstitution seiner Nutzerinnen und Nutzer zugeschnitten werden kann. „Wir haben lernende Algorithmen, die Informationen über den Trainierenden sammeln und das Gerät so einstellen, dass der Nutzer unter optimalen Bedingungen trainiert“, sagt Braunstein.

Das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Projekt läuft noch bis Mitte 2020. Idealerweise werden dann auch die ersten Trainingsroboter ausgereift sein, um solche Geräte in den Markt und den Alltagsbetrieb einzuführen.

Text: Daniel Theweleit