Nr. 7/2018

Bequeme Kommunikation, spektakuläre Inszenierungen und ein paar Schattenseiten

Der Siegeszug der sozialen Medien hat einen wachsenden Einfluss auf den Sportalltag. Die genauen Effekte sind jedoch komplex, wie die Dissertation von Dr. Birgit Braumüller aus dem Institut für Soziologie und Genderforschung zeigt.

Die Allgegenwärtigkeit sozialer Medien ist nicht nur ein relativ neues Phänomen, die Kommunikation über solche Plattformen unterliegt auch einem permanenten Wandel. Es kursieren etliche Theorien zum Einfluss von Facebook, Instagram, YouTube oder Twitter auf das gesellschaftliche Leben; wer permanent in der virtuellen Welt unterwegs ist, neigt dazu, sich nicht mehr so viel zu bewegen, lautet beispielsweise eine weit verbreitete These. Dr. Birgit Braumüller wirft in ihrem Dissertationsprojekt nun einen sehr differenzierten Blick auf die Korrelationen zwischen der sportlichen Aktivität von Jugendlichen sowie jungen Erwachsenen und der Nutzung von sozialen Netzwerken. In ihrer Arbeit mit dem Titel „Sport und soziale Medien – Eine multimethodische Betrachtung des Zusammenhangs zwischen medialen und sportlichen Freizeitaktivitäten und der Bedeutung des sportbezogenen Handelns in sozialen Netzwerken  für das Sporttreiben und sportive Identität(en) in der Adoleszenz“ kommt sie zunächst zu einem klaren Befund: „Die kulturpessimistische Annahme, dass die zunehmenden Medienaktivitäten das Sportreiben verdrängen, stimmt so nicht.“

Die Forscherin vom Institut für Soziologie und Genderforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln nähert sich der Frage nach den Auswirkungen der Mediennutzung auf den Freizeitsport zunächst anhand einer Sekundäranalyse des großen Datenmaterials der Medien, Kultur und Sport-Studie (MediKuS) aus dem Jahr 2012, die federführend vom Deutschen Jugendinstitut (DJI) durchgeführt wurde. Über 4.000 junge Menschen wurden telefonisch befragt, wobei Braumüller sich auf die 1.789 StudienteilnehmerInnen im Alter zwischen 13 und 17 Jahren konzentriert. „In dieser Altersgruppe  hat der Sport eher ein kleines Potenzial, mediale Aktivitäten der Jugendlichen, vor allem der Mädchen, einzudämmen als umgekehrt“, stellt Braumüller fest. (Detaillierte Ergebnisse in FORSCHUNG AKTUELL 4/2017).

In einem nächsten Schritt wurden die Daten der MediKuS-Studie auch vor dem Hintergrund der Frage ausgewertet, welche genauen Faktoren die Sozialisation von Jugendlichen in unterschiedliche Sportaktivitäten beeinflussen. Hier differenziert Braumüller nach Vereinssport und informellen, nicht an den Vereinsbetrieb angeschlossenen Sportmöglichkeiten, wie Skaten auf der Straße, Freizeitfußball mit Freundinnen oder Freunden, oder auch Rennradfahren in lose organisierten Gruppen. Deutlich wird zunächst, dass soziale Medien eine zunehmende Bedeutung für den informellen Trendsport haben, weil es hier unkomplizierte Möglichkeiten für die Organisation gemeinsamer Sportaktivitäten gibt. Außerdem können sich Jugendliche auf den entsprechenden Plattformen mit Filmen und Fotos inszenieren und so die eigene Identität in den sozialen Netzwerken formen. „Die Darstellung der eigenen Person, die Frage, wie möchte man sein, wird ganz stark in die sozialen Medien verlagert“, sagt Braumüller.

Aber nicht nur soziale Netzwerke prägen den Sportalltag, auch viele andere Internetangebote nehmen Einfluss auf die Aktivitäten Jugendlicher. So boomen Online-Trainingspläne und Fitness-Apps, die oftmals mit dem Ziel verwendet werden, bestimmten Stars oder Vorbildern nachzueifern: Jungen orientieren sich hier eher an Fitness-Vorbildern wie dem Rapper Kollegah, und Mädchen versuchen bestimmten Attraktivitätsnormen nahe zu kommen. Überdies zeigt die Auswertung der Daten, dass junge Frauen in ihrer settingspezifischen Sozialisation grundsätzlich eher von den sozialen Medien beeinflusst werden als Jungen und junge Männer.

Um die quantitativen Auswertungen der MediKuS-Daten in einem weiteren Schritt mit einem aussagekräftigen qualitativen Aspekt zu veredeln, konzipierte Braumüller eine eigene Befragung: Zehn junge, sportaktive Erwachsene mit einer Affinität zu sozialen Medien sollten Auskunft zu ihrem Sport- und Medienalltag geben. In den Ergebnissen wurden unterschiedliche Muster der Selbstdarstellung deutlich. Das wichtigste Motiv liegt in der Präsentation besonderer Momente, in der Darstellung von Siegen oder bewältigten Herausforderungen. Ein anderer Anlass für Sportpostings ist weniger naheliegend: Einige NutzerInnen profilieren sich als Expertin oder Experte, geben Tipps und beratende Hinweise zur jeweiligen Sportaktivität und glänzen mit detailliertem Hintergrundwissen. Wobei Braumüller hier einen kritischen Punkt identifiziert: „Ein Riesenproblem ist, dass hier irgendwelche Fitnessstars aber auch viele andere Leute kommen, ihre Methoden verbreiten und den Eindruck erwecken als handle es sich um geprüftes Wissen.“ Das dritte wichtige Motiv bei der Selbstinszenierung ist die Darstellung der eigenen Zugehörigkeit zu einer Community, zu einem Sportverein, einer Sportgruppe oder einem Team.

Im Gesamtbild der Arbeit zeigt sich, dass Aktivitäten in sozialen Netzwerken keine Konkurrenz zum aktiven Sporttreiben darstellen, sondern eine Ergänzung. Die Möglichkeiten dieser Plattformen helfen bei der Organisation der Sportaktivität, können motivierend wirken und das Sporttreiben ein Stück weit professionalisieren. Gleichzeitig können Instagram, YouTube oder Facebook einen sozialen Druck zu einem sportiven Lebensstil verbreiten, dessen Einfluss auf Jugendliche und junge Erwachsene, die eher unsportlich sind, bislang noch nicht untersucht wurde. „Hier könnten sich andere Trends zeigen“, vermutet Braumüller, die weiter forschen wird an diesem hoch aktuellen Thema.

Text: Daniel Theweleit