Nr. 4/2019

Sport als körpereigene Immunabwehr

Sport hat das Potenzial, das Risiko für bestimmte Krebserkrankungen zu mindern und die Sterblichkeitsrate bei bestehenden Erkrankungen zu reduzieren. Auch während einer Krebserkrankung kann sich Bewegung positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken. Welche Mechanismen dafür verantwortlich sind, ist noch nicht vollständig geklärt. Vermutet wird, dass Sport u.a. die körpereigene Tumorabwehr stärken kann.

Besonders interessant sind für Forscher*innen in diesem Kontext die natürlichen Killerzellen, kurz NK-Zellen. Sie bilden eine Untergruppe der weißen Blutkörperchen und können Tumorzellen effizient erkennen und abtöten. Schon seit Längerem ist bekannt, dass NK-Zellen durch akute Belastungsreize zunächst ins Blut gelangen, um anschließend in verschiedene Gewebe einzuwandern. 2016 konnte in mehreren Mausmodellen erstmalig belegt werden, dass die Abwehrzellen vermehrt den Weg in Tumore suchen. Wissenschaftler*innen vermuten ferner, dass sich durch Sport aber nicht nur die Anzahl der NK-Zellen verändert, sondern auch ihre Effektivität steigt. „Bildlich gesprochen, sorgt eine akute Belastung dafür, dass die körpereigene Tumorpolizei ein schnelleres Auto und einen größeren Knüppel bekommt. Das heißt, die NK-Zellen werden mobilisiert und ihre Fähigkeit, Tumorzellen zu schädigen, ihre Zytotoxizität, wird gesteigert“, beschreibt Dr. Dr. Philipp Zimmer, Leiter der Arbeitsgruppe „Klinische Sport- (Neuro-) Immunologie“ der Deutschen Sporthochschule Köln, die bisherigen Befunde.

Innerhalb der Abteilung Molekulare und zelluläre Sportmedizin des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin hat seine Arbeitsgruppe  nun eine Pilotstudie veröffentlicht, die untersucht, welchen Einfluss eine einzelne Trainingseinheit auf das Methylom, das heißt die reversible Veränderung am Erbgut, von NK-Zellen hat. Die Ergebnisse wurden kürzlich unter dem Titel „Impact of Acute Aerobic Exercise on Genome-Wide DNA-Methylation in Natural Killer Cells – A Pilot Study“ in der Fachzeitschrift „Genes“ veröffentlicht und sollen das Forschungsfeld für neue Analysen öffnen.

Bekannt ist, dass die Entwicklung und die Funktionsweise von NK-Zellen größtenteils durch Veränderungen an den Chromosomen im laufenden Lebenszyklus einer Zelle beeinflusst werden. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Sport in verschiedenen Geweben eine solche Veränderung, auch als epigenetische Modifikationen bezeichnet, hervorrufen kann. Unter epigenetischen Modifikationen versteht man wieder umkehrbare Veränderungen am Erbgut, durch die einzelne Gene an- oder abgeschaltet werden können. Am besten untersucht ist in diesem Prozess die chemische Abänderung an den Grundbausteinen der Erbsubstanz einer Zelle, die sogenannte DNA-Methylierung. Diese erfolgt an einem bestimmten Teil innerhalb des Erbguts einer Zelle (DNA), den sogenannten Cytosin-Guanin-Dinukleotiden (CpGs).  

„Trainingsbedingte Veränderungen der DNA-Methylierung bei NK-Zellen konnten bislang nur für einzelne Gene gezeigt werden“, ordnet Zimmer die Forschungslage ein. Studien, die ein breites Spektrum von Genen untersuchen, wurden bisher nur in Zusammenballungen, sogenannten Konglomeraten, von mehreren Immunzellen durchgeführt. Dabei wurden jedoch keine spezifischen Untergruppen von Immunzellen analysiert. In der nun veröffentlichten Arbeit wurde deshalb der Einfluss einer einzelnen Trainingseinheit auf die genomweite DNA-Methylierung in isolierten NK-Zellen untersucht. „Die Auswirkung von Akutbelastungen auf die DNA-Methylierung in bestimmten Immunzellen zu untersuchen, ist ein neues Forschungsgebiet. Die Literatur beschränkt sich in diesem Zusammenhang auf Studien zur Analyse von peripheren mononukleären Blutzellen oder Vollblutproben. Unseres Wissens nach ist unsere Studie die erste, die den Einfluss eines akuten Ausdauertrainings auf die genomweite DNA-Methylierung eines einzelnen Cytosin-Guanin-Dinukleotids (CpG) in isolierten NK-Zellen untersucht“, fasst Alexander Schenk, Erstautor der Veröffentlichung, zusammen.

Für das aufwändige Experiment der Sporthochschule führten fünf gesunde Frauen einen Stufentest auf dem Fahrradergometer durch. Nach einer einminütigen Ruhemessung und einer dreiminütigen Aufwärmphase bei 50 Watt erfolgte alle zwei Minuten ein stufenweiser Anstieg um 25 Watt bis zur Ausbelastung (ca. 15 Minuten). Vor und nach dem Training wurde den Probandinnen Blut entnommen. Außerdem wurde die Herzfrequenz ermittelt und die selbst wahrgenommene Erschöpfung in jedem Intensitätsschritt bewertet.

„Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich die NK-Zellen durch die Veränderungen der DNA-Methylierung bei 25 Genen schnell an ein akutes Ausdauertraining anpassen“, so Schenk. Vor allem verändern sich durch Belastung die Gene, die maßgeblich in die Zellregulation involviert sind. Für die Forscher*innen besonders interessant ist dabei ein einzelnes Gen: das Gen FASLG, das für die Immunsystemregulation innerhalb der Zelle verantwortlich ist und den Zelltod auslösen kann. Den Ergebnissen der Studie nach könnte die Veränderung dieses Gens ein Hinweis darauf sein, dass Sport die Aktivität der NK-Zellen beeinflusst.

Die Veröffentlichung soll die Grundlage für weitere Studien bilden, die den Effekt einer Behandlung, in diesem Fall den Effekt von Sport, auf ein definiertes Ereignis untersuchen. Die Autoren betonen, dass in Zukunft eine Kombination von verschiedenen Methoden nötig ist, um innerhalb des Erbguts nach Veränderungen der DNA-Methylierung zu schauen und im Rahmen dessen auch einzelne Gene sehr viel detaillierter zu analysieren.  

Text: Julia Neuburg/Marilena Werth


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Dr. Dr. Philipp Zimmer
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Philipp Zimmer

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Hochschulinterne Forschungsförderung

Die Pilotstudie und die Forschungsarbeiten an dem Thema wurden 2017 und 2018 von der hochschulinternen Forschungsförderung unterstützt:

  • Zum Einfluss von freiem Serotonin auf die Zytotoxizität von natürlichen Killer-Zellen, Alexander Schenk
  • Einfluss einer einmaligen Ausdauerbelastung auf das Methylom von natürlichen Killerzellen, Alexander Schenk
  • Akute und chronische Effekte einer Ausdauerbelastung auf die Genexpression von natürlichen Killerzellen, Dr. Dr. Philipp Zimmer