Leistungsfähigkeit des Menschen in Schwerelosigkeit bei wirklichkeitsnahen Arbeitsprozessen

Bei der 24. DLR Parabelflugkampagne vom 3. bis 14. Februar in Bordeaux sind auch wieder Wissenschaftler der Deutschen Sporthochschule Köln an Bord. Für das von Prof. Otmar Bock geleitete Projekt „Das Bedienen von Instrumenten bei Parabelflügen: Einflüsse von Schwerelosigkeit, Stress und Motivation“ sind Dr. Marc Dalecki und Nils Bury als Experimentleiter vor Ort im Einsatz.

Das Projekt leistet einen Beitrag zum DLR-Forschungsziel "Integrative Humanphysiologie". Es soll das Verständnis der menschlichen Feinmotorik bei der Anpassung an Schwerelosigkeit verbessern. Das Projekt baut auf den Erkenntnissen vorangegangener Weltraumexperimente auf (Space Shuttle, ISS und Parabelflüge) und entwickelt diese Thematik weiter.

Der Erfolg von Weltraummissionen hängt maßgeblich davon ab, dass Raumfahrer die ihnen gestellten Aufgaben in angemessener Zeit korrekt ausführen können. Hierzu zählen auch feinmotorische Leistungen, etwa beim Bedienen von Schaltern und Kontrollknüppeln im Cockpit und an wissenschaftlichen Instrumenten. Die Erforschung der Feinmotorik in Schwerelosigkeit ist daher von großer Bedeutung für die Sicherheit und Effizienz der bemannten Raumfahrt. Die bisher durchgeführten Studien in Schwerelosigkeit bei Parabelflügen und auf der ISS deuten darauf hin, dass die Feinmotorik tatsächlich  beeinträchtigt ist. In diesem Projekt wollen wir herausfinden,  ob solche Defizite nur von theoretischer Bedeutung sind, oder tatsächlich die Handlungsfähigkeit von Menschen in Schwerelosigkeit beeinträchtigt ist.

Dazu sollen Probanden bei Parabelflügen einen komplexen wirklichkeitsnahen Prozess durch das Bedienen von Knöpfen und Schaltern überwachen, eine Aufgabe, die der Kontrolle von Fahrzeugen, Forschungsgeräten und industriellen Abläufen ähnelt. Durch detaillierte kinematische und kinetische Analysen der Handbewegung (Untersuchungen zur Bewegung, Änderung von Bewegungsgrößen) wollen wir herausfinden, wie motorische Defizite bei solchen Aufgaben in Schwerelosigkeit beeinträchtigt sind. Dabei wollen wir insbesondere untersuchen, inwiefern die Faktoren Stress und die individuelle Leistungsbereitschaft eine Rolle spielen. Denn durch die vielen Stressoren, denen Astronauten während ihres Aufenthaltes in Schwerelosigkeit wie zum Beispiel Schlafmangel oder Isolation ausgesetzt sind, könnten komplexe kognitiv-motorische Aufgaben nicht nur durch die reine Schwerelosigkeit beeinträchtigt sein, sondern auch durch Stress. Ein ähnlicher Einflussfaktor könnte auch die momentane Einstellung, Prioritätensetzung und die daraus resultierende Leistungsbereitschaft des Probanden darstellen. Daher werden beide Faktoren experimentell kontrolliert: Stress durch die Messung von Speichel-Cortisol und die Motivation durch eine gut etablierte Methode der unterbewussten Reizsetzung (sogenanntes „sublimes Priming“).

Als Beitrag zur Grundlagenforschung soll das Vorhaben die Abhängigkeit komplexer, alltagsnaher Handlungen von Stress und Motivation dokumentieren, und die fundamentale Rolle der Schwerkraft bei der Koordination von Willkürbewegungen aus einer neuen Perspektive beleuchten.  Als Beitrag zur angewandten Forschung wollen die Wissenschaftler aber auch praktische Konsequenzen für die Verkehrssicherheit, Prozessteuerung in Betrieben und - falls Defizite auch bei langfristiger Schwerelosigkeit fortbestehen für die Planung und Durchführung künftiger Weltraummissionen erarbeiten.