Zwischen Lagerkoller und Wüstenrennmäusen

Mit dem Mountainbike auf den höchsten Vulkan der Erde

Drei Extremsportler berichten mit einer imposanten Bildvorführung von ihren Expeditionen nach Chile und in die Wüste Gobi.

Denkt man im Vorfeld eines Extremsportvortrags an die beiden Reiseziele und die verschiedenen Vorhaben, so stellt man sich zwar sehr unterschiedliche Landschaften vor, aber ähnliche Vorgehensweisen: Denn Extremsport-Expeditionen, sei es das Erklimmen eines über 6.000 Meter hohen Vulkans in Chile mit dem Mountainbike oder das Durchwandern der sechstgrößten Wüste der Erde, brauchen eine akribische Vorbereitung.

Im Fall von Frank Hülsemann und Markus de Marées bedeutete „Vorbereitung“, über ein Jahr lang akribisch für das Mountainbiken in Chile zu trainieren. Konkret: Fahrradtechniktraining, Ausdauertraining, Intervalltraining und Fahrradergometer-Training unter simulierten Höhenbedingungen in der Hypoxiekammer der Deutschen Sporthochschule Köln. Diese Vorbereitung ist im Vorfeld nötig, um den Körper auf die außergewöhnlichen Zusatzbelastungen in extremer Höhe einzustellen. Denn ab einer Höhe von 5.000 Metern erfährt auch ein trainierter Körper eine Luftnot, die nicht mehr mit dem Wandern in den Alpen vergleichbar ist. Ab einer solchen Höhe könne der Körper aufgrund des gesunkenen Sauerstoffpartialdrucks nur noch die Hälfte des vorhandenen Sauerstoffs aufnehmen, erklärte de Marées. „In der Nacht auf 6.000 Metern Höhe dachte ich beim Schlafen, dass ich ersticke“, beschreibt sein Expeditionskollege Hülsemann seine persönliche Erfahrung.

Dass man unter solchen Bedingungen nicht nur körperliche Extremzustände, sondern auch psychische Extreme erlebt, musste das sechsköpfige Expeditionsteam leidvoll erfahren. Denn, wenn man ab einer bestimmten Höhe nur noch mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 5 km/h vorankommt, das Gelände so unwegsam und sandig wird, dass man teilweise für einen Kilometer zwei Stunden braucht und man immer wieder anhalten muss, um Pause zu machen, dann weiß man, wieso schon Roald Amundsen bei der Zusammenstellung seiner Expeditionsteams in erster Linie auf die psychische Belastbarkeit der Teilnehmer achtete: um der Gefahr des Lagerkollers zu entgehen.

Dass es bei der Expedition in die Wüste von Michael Giefer sandig werden würde, konnte man vielleicht eher erahnen, als bei einer Mountainbike-Expedition nach Chile. Immerhin besteht das klassische „Wüstenbild“ eines reiseunerfahrenen Europäers aus Sand, Sanddünen und noch mehr Sand. Aber immerhin läuft man bei einer Einzelexpedition nicht Gefahr, sich mit seinen Teamkollegen zu streiten. Jedoch kann das Alleinsein auch zur Herausforderung werden, wenn die Wasservorräte langsam knapp werden, die nächste Wasserstelle noch mehrere Kilometer entfernt ist und man bereits das fünfte von der Sonne ausgetrocknete Ziegenskelett passiert. Dass die Wüste Gobi allerdings mitunter mehr Leben enthält, als die Vulkane Chiles, zeigten die Expeditionsbilder Giefers eindrucksvoll.

In insgesamt vier Touren durchquerte Giefer, erst alleine, später auch mit Begleitung, unterschiedliche Teile der Wüste zu Fuß. Besonders fasziniert war er dabei von dem vollkommen unbesiedelten westlichen Teil, in dem es schon etwas Besonderes ist, wenn man mit dem Schuh in den Eingang einer Wüstenrennmaushöhle tritt. Spaß beiseite: Die Wüste lebt – im wahrsten Sinne des Wortes, denn sie ist nicht nur Lebensraum einiger der letzten wildlebenden Kamele, sondern auch vieler anderer an die Wüste angepassten Tiere wie dem Gobi-Bären oder der Kaschmirziege.

Besonders fasziniert war Giefer bei seinen Reisen von der bedingungslosen Gastfreundschaft der mongolischen Bevölkerung. Während seiner Touren wurde er immer wieder zum Essen eingeladen, mit Wasser versorgt oder ihm wurde Obdach gewährt. Diese Mentalität und die atemberaubenden Wüstenlandschaften mit ihren mehrere hundert Meter tiefen Canyons, ausgetrockneten, schroffen Flussbetten und Sanddünen,  entschädigten für die unzähligen, aufgeriebenen Blutblasen, Sandstürme und Riesenzecken, die ihm im Laufe der Wüstendurchquerung widerfuren oder begegneten – und genau sie machen für Giefer, den Sonderschullehrer aus der Eifel, die Faszination der Wüste aus, die ihn immer wieder in die Mongolei zieht.