Rollator-Roboter im Praxis-Test

Wer zuletzt von außen einen Blick in Halle 7 erhaschen konnte, wurde Zeuge einer Premiere. Zum ersten Mal haben Proband*innen einen neu entwickelten robotischen Rollator getestet. Hier geht’s zum Spoho.Blog und zum Erfahrungsbericht einer Probandin.

Seit Sommer 2017 arbeiten Professorin Kirsten Albracht und ihr Team zusammen mit den beteiligten Kooperationspartnern (KUKA, BEC GmbH, Karlsruher Institut für Technologie (KIT), RWTH Aachen, Koordinauten) mit Hochdruck daran, ihre drei neuen robotischen Assistenzsysteme (Bericht vom 30.9.2020) von Proband*innen testen lassen zu können. Seit einigen Wochen sind die dafür nötigen Entwicklungsschritte abgeschlossen. Das Projektteam von RoSylerNT hat die finale Phase der Evaluation erreicht: Je 15 Proband*innen pro Roboter dürfen die Systeme testen.

Nachdem die automatisierte Tragehilfe „Rosy“ in den Wochen zuvor bei dem Robotik-Spezialisten KUKA in Augsburg getestet wurde, haben an der Sporthochschule nun Tests mit dem robotischen Rollator „Robo-Trainer“ stattgefunden. Offiziell heißt das neue Trainingsgerät „robotisches System für Kraft- und Motorik-Training“. Es kann Haltung, Bewegung und Belastung des Menschen wahrnehmen und sich auf verschiedene Trainingsszenarien anpassen. Als lernendes Robotersystem soll das Gerät in Zukunft zum interaktiven Helfer werden. Vorstellbar wäre zum Beispiel der Einsatz in Altenpflegeeinrichtungen. Hier könnte der Robo-Trainer dabei unterstützen, sicheres Gehen auf ganz neue Art zu trainieren– nämlich mit vorher programmierten körperlich herausfordernden Zusatzaufgaben. Beispiel: Der Roboter fährt nach links, wenn nach rechts gelenkt wird, oder bricht seitlich aus.

Das massive, blau und grün blinkende High-Tech-Gerät wurde vom Karlsruher Institut für Technologie entwickelt. Noch sieht man dem Robo-Trainer an, dass es sich um einen Prototyp handelt. Sein „Innenleben“ ist von außen sichtbar. Man sieht die komplexe Technik aus Rechnern, Kameras, Sensoren, gelb-roten Not-Aus-Schaltern und Kabeln, die alle Elemente verbinden, schon von weitem. Bewegt wird er auf drei großen Rädern mit Hilfe eines umfunktionierten Fahrradlenkers.

Auf den ersten Blick ist wenig Ähnlichkeit mit einem herkömmlichen Rollator zu erkennen. Wenn sich der Koloss aber erstmal durch blaues Blinken zum Starten bereit erklärt, wird deutlich, wie verlässlich sich die Proband*innen auf das Gerät stützen können und wie gut die Kommunikation zwischen Mensch und Maschine bereits funktioniert. Und genau dafür interessieren sich die Wissenschaftler*innen der Sporthochschule. Mit kombinierter Expertise aus Biomechanik und Neurowissenschaft analysieren sie, wie die Mensch-Roboter-Interaktion gelingen und wie man sie optimieren kann.

Rund zwei Stunden testen sie hierfür alle ihre Proband*innen in einem Versuchsraum (Halle 7). Der Raum ist mit 15 Infrarotkameras ausgestattet, die eine Bewegungsanalyse in 3D ermöglichen. Alle Proband*innen tragen 56 reflektierende Marker am Körper, die von den Infrarotkameras als Referenzpunkte wahrgenommen werden. Außerdem misst eine Neuro-Kappe mit mobilem Elektroenzephalogramm (EEG) während der Testung die Hirnströme. Professor Stefan Schneider und Dr. Petra Wollseiffen wollen damit untersuchen, wie Proband*innen die Interaktion mit dem Roboter wahrnehmen.

Währen der Testung bewegt der Proband/die Probandin erst einen herkömmlichen Rollator auf zwei verschiedenen markierten Wegen von A nach B, dann den Robo-Trainer. Mit einem Playstation-Controller wird der smarte Rollator per Fernsteuerung zum Startpunkt und damit auch zur Testperson navigiert. Ist er dort angekommen, übernimmt – nach einer kurzen Kalibrierung – der Mensch die Steuerung. Und diese funktioniert einwandfrei: auch die Notbremse, wenn sich Proband*innen einem Gegenstand zu sehr nähern.

In mehreren Test-Szenarien wird der Roboter unterschiedlich konfiguriert. Mal lässt er sich etwas schwerer schieben, mal leichter. Auch die gewollten Zusatzhürden, die später gezielt zum Training eingesetzt werden sollen, werden getestet. Im Anschluss werden die Proband*innen befragt, wie sie die Zusammenarbeit mit den Robo-Trainer empfunden haben. Haben sie sich sicher gefühlt? War die Aufgabe zu schwierig? Die Antworten geben den Wissenschaftler*innen Hinweise darauf, welche Konfiguration bei der Mensch-Maschine-Interaktion optimal ist und wie sich die Steuerung des Roboters noch intuitiver gestalten lässt.

Bis Anfang 2021 sollen die Projekt-Daten ausgewertet werden. Vorher wird an der Sporthochschule auch das dritte robotische Assistenzsystem, die Roboter-Beinpresse, getestet. Professorin Kirsten Albracht und ihr Team bereiten hierfür gerade im Trainingsraum der Leichtathletikanlage das neue „RoboGym“ vor. Auch nach der Testung sollen Sportler*innen hier mit Robotern trainieren. Wer sich dafür interessiert, sieht bereits jetzt von außen die ersten Aufbauten und den Trainingsroboter.

Das Projekt RoSylerNT wird gefördert durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF). Hier geht’s zur Projekt-Homepage.

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