Trauer um Ulrich Jonath

Uli Jonath (3.v.l.) 1979 im Leichtathletik-Zentrum beim Besuch des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt.

Wer kannte ihn und sein gewinnendes Lachen nicht zu seiner Zeit an der Deutschen Sporthochschule Köln und auch noch viele Jahre darüber hinaus? Ulrich („Uli“) Jonath, stets eloquenter Auftritt, umtriebiger nationaler und internationaler Netzwerker für den Sport und namentlich für die Leichtathletik, ist am 20. November dieses Jahres im erfüllten Alter von 96 Jahren in Köln verstorben.

Geboren am 25. Juni 1926 in Hamm in Westfalen, gehörte Uli Jonath zum ersten Studiengang an der Sporthochschule, wo er den Gründungsrektor und seinen späteren Förderer, Carl Diem, kennenlernte. Bereits kurze Zeit nach seinem Diplom-Examen zog es Uli ins Ausland. Er wurde isländischer Nationaltrainer, ehe er ab 1954 den Aufbau eines nationalen Sportinstituts in Argentinien maßgeblich organisieren durfte. Ab dieser Zeit, auch noch während seiner langjährigen Tätigkeit als Dozent und Fachleiter Leichtathletik an der Sporthochschule Köln, ließ ihn Südamerika nicht mehr los. Es folgten mehr als 50 Einsätze im Rahmen der vom Deutschen Leichtathletik-Verband (DLV) und dem Leichtathletik-Weltverband (IAAF) betriebenen Entwicklungszusammenarbeit in Ländern weltweit, vor allem jedoch in Südamerika. In der Folge zog es schon damals viele internationale Studierende nach Köln zum Studium. Im Gegenzug gaben Absolventen seiner qualifizierten und allseits geschätzten Leichtathletik-Ausbildung an der Deutschen Sporthochschule sowie weitere Experten ihr Wissen im IAAF Trainerausbildungsprogramm auf allen Kontinenten weiter.

Neben seinem Wirken an der Sporthochschule war Uli Jonath mehr als 20 Jahre überaus erfolgreich für den DLV als Bundestrainer im Einsatz. Seine herausragende Expertise und seine empathische Art der Betreuung kam vielen Athletengenerationen im 400-m-Hürdenlauf zugute, bis hin zu großen internationalen Erfolgen. Erinnert sei hier nur an den Gewinn der Silbermedaille von Gerhard Hennige bei den Olympischen Spielen 1968 oder die mitreißenden Duelle des Ausnahmeathleten Harald Schmid mit dem US-Amerikaner Edwin Moses. Auch weitere seiner Athleten wie z.B. Büttner, Schubert und Reibert liefen regelmäßig unter 50 Sek.

Auch als renommierter Autor heute noch aktueller Lehrbücher, gezählt werden 106 Veröffentlichungen in vier Sprachen, hat sich Uli Jonath einen bleibenden Namen gemacht. Einzigartig sein damals erschienenes Werk „Circuit-Training“, Standardliteratur im Schul- und Hochschulbereich, aber auch in Ausbildungsgängen bei Polizei und Bundeswehr. Eine von ihm verfasste Enzyklopädie der Leichtathletik hatte bei ihrem Erscheinen ein Alleinstellungsmerkmal im Kanon der Sportfachliteratur. Am wichtigsten jedoch, übersetzt in mehrere Sprachen, waren seine beim Rowohlt-Verlag herausgegebenen Bände Leichtathletik 1 bis 3 zur Methodik und zum Training aller Disziplinbereiche dieser Sportart. Große Teile dieser überaus erfolgreichen Bände dienten später als Vorlage für das aktuelle Standardwerk „Leichtathletik“, an dem, unter Leitung des derzeitigen Rektors der Deutschen Sporthochschule Köln, Uli Jonath selbst sowie einige seiner ehemaligen Schüler mitgewirkt haben.

Wenn derzeit eine Generalsanierung des Leichtathletik-Zentrums ansteht, erinnern sich viele ehemalige Studierende sowie die beruflichen Weggefährten von Uli Jonath lebhaft daran, wie er Anfang der Siebziger Jahre maßgeblich den Plan für diese damals hochmoderne Halle entwickelt hat und dessen Durchführung energisch und auch mit einigen notwendigen Finessen vorangetrieben hat. Für alle Beteiligten unvergessen bleibt 1979 der erkennbare Stolz auf „seine“ 1977 offiziell eröffnete Anlage beim Besuch des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt.                      

Als Hochschullehrer pflegte Uli Jonath einen offenen und verbindlichen Umgang mit Kolleginnen und Kollegen, Funktionsträgern in Politik und Verwaltung, vor allem aber auch mit seinen Studierenden. Daneben zeichneten ihn aber auch seine klare Haltung und sein konsequentes Handeln aus. So wollte er sich nach den leidenschaftlich und kontrovers geführten öffentlichen Diskussionen um die Person Carl Diem bis ins hohe Alter nicht mit der Umbenennung der nach dem später umstrittenen Sportfunktionär benannten Straße über den Hochschulcampus abfinden. Folgerichtig gab Uli Jonath den ihm vom DLV für seine herausragenden Verdienste verliehenen Carl-Diem-Schild zurück, nachdem der Verband 2001 diese hohe Auszeichnung umbenannte.

Angekommen im Ruhestand, war Uli Jonath noch für lange Zeit ein gefragter Ratgeber und setzte Impulse für besondere Ideen in seiner geliebten Leichtathletik, wenn er auch einigen Entwicklungen sehr kritisch gegenüberstand. Nun blieb ihm aber genügend Zeit für seine zweite Leidenschaft, das Golfspiel. Noch mit weit über 80 Jahren verbrachte er für ihn sehr erfüllende Stunden auf dem Platz, zusammen mit seiner Ehefrau und seinen Freunden.

Abschließend möchte sich der Verfasser dieser Zeilen erlauben, seinem beruflichen „Ziehvater“ seine große Bewunderung und vor allem seinen Dank auszusprechen. Unvergessen bleibt dabei ein Satz, den er der damals jungen studentischen Hilfskraft mitgab: „Ich kann nur Deine Hand auf die Klinke legen, herunterdrücken musst Du sie schon selbst“. Auch für den ehemaligen Kollegen Dr. Wolfgang Ritzdorf war Uli Jonath nicht nur ein „Grandseigneur der Leichtathletik“, sondern vor allem „ein Lehrer und Pädagoge im besten Sinne des Wortes, der viele von uns geprägt und bei einigen den weiteren Lebenslauf mit beeinflusst hat“.

Die Deutsche Sporthochschule Köln, seine ehemaligen Kolleginnen und Kollegen, sein Ehemaligen-Stammtisch, seine engen Wegbegleiter aus der Leichtathletik sowie seine damaligen Studierenden werden Uli Jonath in respektvoller und guter Erinnerung behalten.