Rhythmus- und Ausdruckstanzbewegung in Deutschland gewürdigt

Foto: Institut für Tanz und Bewegungskultur

Bei seiner Sitzung in Rabat, Marokko, hat der UNESCO Ausschuss Immaterielles Kulturerbe am 30. November 2022 den Modernen Tanz in Deutschland in die Repräsentative Liste des Immateriellen Kulturerbes der Menschheit aufgenommen. Zu den antragstellenden Trägerorganisationen gehörte, neben der Folkwang Universität der Künste Essen, dem Europäischer Verband für Laban-Bartenieff-Bewegungsstudien e.V. (EUROLAB), der Arbeitsgemeinschaft Rosalia Chladek Deutschland e.V. und der Gesellschaft für Tanzforschung e.V., auch der Elementare Tanz e.V.

„Es ist eine große Ehre und ein Riesenerfolg, dass der Moderne Tanz und damit auch die an der Deutschen Sporthochschule entwickelte künstlerisch-pädagogische Konzeption des „Elementaren Tanzes“ in die Liste des Immateriellen Kulturellen Erbes der Menschheit aufgenommen wurde. Wir haben in Kooperation mit dem Verein Elementarer Tanz e.V. die Bewerbung inhaltlich unterstützt. Und auch die Dreharbeiten für den Imagefilm im Rahmen der Bewerbung fanden bei uns auf dem Campus statt“, so die Leiterin des Instituts für Tanz und Bewegungskultur, Univ.-Prof.‘in Dr. Claudia Steinberg.

Hintergrund

Der Moderne Tanz umfasst die zu Beginn des 20. Jahrhunderts entstandenen Vermittlungsformen und Ausbildungstraditionen der Rhythmus- und Ausdruckstanzbewegung. Unter dem Einfluss von Persönlichkeiten wie Rosalia Chladek, Kurt Jooss, Rudolf von Laban, Gret Palucca, Mary Wigman und der an der Sporthochschule tätigen Dozentin Maja Lex entwickelten sich in der Zeit der Weimarer Republik verschiedene ästhetische Stile und Vermittlungsansätze, die bis heute praktiziert werden. Gemeinsam ist diesen Konzeptionen die Suche nach individuellen Ausdrucksformen. Mit ihren innovativen künstlerisch-choreografischen Ansätzen und Vermittlungsmethoden bilden sie bis heute die Grundlage der Tanzerziehung und -ausbildung in Deutschland.

Moderner Tanz von Bühnentanzkunst bis Breitenkultur

Der Moderne Tanz vermittelt ein ausgeprägtes individuelles Bewegungsverständnis. Nicht starre Formen und standardisierte Stile stehen im Mittelpunkt, sondern der kreative Ausdruck mithilfe des eigenen Körpers. Er zeichnet sich durch die Entwicklung individueller Bewegungsmotive ebenso aus wie durch die Suche mit anderen Tänzerinnen und Tänzern nach einer gemeinsamen Ästhetik.

Der Ausdruckstanz hat nicht nur die Bühnentanzkunst durchdrungen, sondern auch breitenkulturell Wirkung entfaltet. Choreografinnen und Tanzpädagog*innen arbeiten heute sowohl in professionellen Studios als auch in Jugendhäusern, Nachbarschaftszentren und an Schulen. Sie schaffen Angebote für Laien jeden Alters, die mithilfe des Modernen Tanzes lernen, ihren Gefühlen durch Bewegung Ausdruck zu verleihen.

Künstlerisch pädagogische Konzeption des Modernen Tanzes an der Deutschen Sporthochschule Köln – von den Ursprüngen bis heute

Das von der Pädagogin und Künstlerin Maja Lex (1906-1986) entwickelte künstlerisch-pädagogische Vermittlungskonzept des „Elementaren Tanzes“ wurde zunächst an der Gunther-Schule München (1924-1944) entwickelt, seit 1955 an der Deutschen Sporthochschule Köln weiterentwickelt und bis heute in Lehre und Forschung an der Sporthochschule fortgeschrieben. Die curricular-verankerte Lehrkonzeption des Ansatzes findet sich in sportwissenschaftlichen Studiengängen (Bachelor, M.A. Tanz) und insbesondere der Lehrer*innenbildung für das Fach Sport an Schulen national wie international wieder.

Seit 1991 vertritt der Elementare Tanz e.V. als gemeinnütziger Verein die Interessen auf allen Ebenen und fungierte im Rahmen der Bewerbung auch als Trägerverein. Am Institut für Tanz und Bewegungskultur werden insbesondere die Möglichkeiten und Grenzen von Digitalisierungsprozessen für die Vermittlung und die Weitergabe der künstlerisch-pädagogischen Vermittlungskonzeption des Modernen Tanzes erforscht. Dazu werden neuartige digitale Fachkonzepte, aufbauend auf Vermittlungsprinzipien aus dem Modernen Tanz, insbesondere aus dem Elementaren Tanz, für den hochschuldidaktischen Einsatz nutzbar gemacht.  Die Erforschung dieser digitalen Werkzeuge soll – hinsichtlich ihrer Nutzungspotentiale, aber auch Anwendungsprobleme – im Rahmen der Hochschulbildung im Tanz zu einer theoretischen Reflexion beitragen und zum anderen in praktische Implikationen überführt werden.

Die UNESCO und das Immaterielle Kulturerbe

Zum Immateriellen Kulturerbe zählen lebendige Traditionen aus den Bereichen Tanz, Theater, Musik, mündliche Überlieferungen, Naturwissen und Handwerkstechniken. Seit 2003 unterstützt die UNESCO den Schutz, die Dokumentation und den Erhalt dieser Kulturformen. Bis heute sind 180 Staaten dem UNESCO-Übereinkommen zur Erhaltung des Immateriellen Kulturerbes beigetreten. Deutschland gehört dem Vertrag seit 2013 an.

Einzelne Elemente aus den nationalen Verzeichnissen der Vertragsstaaten können für eine von drei UNESCO-Listen des Immateriellen Kulturerbes vorgeschlagen werden. Mehr als 600 Bräuche, Darstellungskünste, Handwerkstechniken und Formen des Naturwissens aus aller Welt werden derzeit auf diesen Listen geführt, darunter der Tango aus Argentinien und Uruguay, die traditionelle chinesische Medizin, Reggae aus Jamaika und das Bauhüttenwesen in Deutschland, Frankreich, Norwegen, Österreich und der Schweiz.

Der Zwischenstaatliche Ausschuss setzt sich aus 24 gewählten Vertragsstaaten des Übereinkommens zusammen, darunter in diesem Jahr erstmals auch Deutschland. Er entscheidet jährlich über die Aufnahme neuer Kulturformen in die UNESCO-Listen.

Weitere Informationen:

Filmaufnahmen zum Bewerbungsfilm an der DSHS aus 2020

Fotos und Videos zur Praxis des Modernen Tanzes

Moderner Tanz im Bundesweiten Verzeichnis des Immateriellen Kulturerbes