„Umfeld Athlet – Kommunikation, Interaktion und Technologien“

Praxiseinheit zu Nahinfrarotspektroskopie NIRS (Foto: Jo Kurzner)

Wie viele Bereiche der Gesellschaft und der Arbeitswelt steht auch dem Alltag von Leistungssportlerinnen und Leistungssportlern eine digitale Revolution bevor. Der Einfluss neuer diagnostischer Möglichkeiten für Training und Wettkampfsteuerung stand daher im Mittelpunkt des Kongresses Nachwuchsförderung NRW 2018, den die Deutsche Sporthochschule Köln mit ihrer Einrichtung momentum, der Landessportbund und die Staatskanzlei des Landes Nordrhein-Westfalen am 23. und 24. April ausgerichtet haben.

Unter dem Titel „Umfeld Athlet – Kommunikation, Interaktion und Technologien“ diskutierten VertreterInnen aus Wissenschaft und Sportpraxis über die Chancen, die digitale Innovationen für Trainerinnen und Trainer, Athletinnen und Athleten bieten.

Zunächst stimmten WDR-Journalist und Kongressmoderator Claus Lufen, Andrea Milz, Staatssekretärin für Sport und Ehrenamt in NRW, Gisela Hinnemann, Vizepräsidentin des Landesportbundes NRW, und der Rektor der Deutschen Sporthochschule Köln, Univ.-Prof. Dr. Heiko Strüder, die rund 400 KongressteilnehmerInnen auf das Thema ein. Strüder dankte dem Land NRW „für die institutionelle Förderung von momentum durch die Staatskanzlei“ und betonte, wie wichtig es sei, „dort Ansprechpartner zu haben, die nicht nur den Leistungssportbereich gut kennen, sondern auch den universitären Bereich verstehen.“ Denn das Deutsche Forschungszentrum für Leistungssport Köln, momentum, sei ein wichtiges Instrument, um  „den Wissenstransfer von und zu den Experten aus der Sportpraxis zu erleichterten.“

Anschließend ging der Kongress genau dieser Kernaufgabe nach: neueste Erkenntnisse aus der Forschung an die Trainerinnen und Trainer im Auditorium zu übermitteln.

Professor Frank Hänsel von der Technischen Universität Darmstadt stellte anhand einer Studie vor, wie unterschiedlich TrainerInnen und AthletInnen die Qualität von Training und Wettkampf wahrnehmen. Eine neue App, mit der regelmäßig unkomplizierte Befragungen von SportlerInnen und ihren TrainerInnen möglich sein sollen, könnte künftig Missverständnisse verhindern.

Eine kleine Revolution sagte Professor Billy Sperlich von der Julius-Maximilian-Universität in Würzburg voraus, als er unterschiedliche Gadgets zur modernen Leistungsdiagnostik vorstellte. „Das Berufsbild des Leistungsdiagnostikers wird ein ganz anderes werden“, prophezeite der Forscher. Leistungsdaten würden in Zukunft nicht mehr nur zu klar definierten Zeitpunkten erhoben werden, sondern im Sinne eines 24-Stunden-Monitorings fortlaufend durch dauerhaft getragene oder sogar eintätowierte Sensoren.

Im Praxisteil des ersten Kongresstages wurden weitere Geräte zur modernen Trainingsgestaltung vorgestellt. Dr. Heinz Kleinöder vom Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik zeigte, wie neueste Geräte zum Elektro-Myo-Stimulationstraining genutzt werden können. Der Biomechaniker Dr. Björn Braunstein erörterte die Stärken und Schwächen verschiedener Fitnesstracker und zeigte, dass beispielsweise gelaufene Strecken von den Anbietern absichtlich ungenau angegeben werden. Dr. Moritz Schumann und Dr. Patrick Wahl vom Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin skizzierten, wie das Verfahren der Nahinfrarotspektroskopie physiologische Prozesse in Echtzeit während der Trainingsbelastungen messbar machen kann.

Abgerundet wurde der erste Tag mit einer Podiumsdiskussion, bei der die Gäste Falk Wendrich (Hochspringer), Lisa Höpink (Schwimmerin), Thomas Schmidberger (Tischtennis), Max Hartung (Säbdelfechten) und René Spies (Nationaltrainer Bob) aus der Praxis berichteten, dass ihr Trainingsalltag bislang noch nicht von den digitalen Möglichkeiten revolutioniert worden sei.

Den Auftakt zum zweiten Kongresstag machte Professor Hans Hoppler von der Universität Bern mit seinem Vortrag „Exzentrische Muskeltätigkeit – Physiologische Grundlagen und praktische Anwendung“. Hier verdeutlichte er die Mechanismen hinter exzentrischem Training und dessen Auswirkungen u.a. auf Muskelkraft und Muskelquerschnitt.

Die Kollegen aus dem Institut für Biochemie, Hans Braun und Judith von Andrian, machten sich Gedanken darüber, wie digitale Technologien, z.B. Apps, Sportlerinnen und Sportlern bei der Ernährungsdokumentation helfen können, um letztlich durch eine optimale Energiezufuhr Leistung zu steigern. Auf dem Fitness- und Gesundheitsmarkt böten mittlerweile zahlreiche Apps ihre (mehr oder weniger verlässlichen) Dienste an, spezifische Ernährungsapps für LeistungssportlerInnen seien aber noch nicht zu finden.

Dr. Fiona Streckmann, Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, stellte in ihrem Vortrag das sensomotorische Training als „eine spannende und vielversprechende Bewegungsform“ vor, welche sowohl zur Muskel- und Nervenstimulation als auch zur Verletzungsprophylaxe und Regeneration dienen könnte.

Zum Abschluss des zweiten Kongresstages beschäftigte sich der Praxisteil im Leichtathletikzentrum der Sporthochschule mit der sportpsychologischen Betreuung in NRW (Dr. Jeannine Ohlert und Marion Sulprizio, Psychologisches Institut), der motorischen Leistungsfähigkeit im Rollstuhl-Basketball (Prof. Dr. Thomas Abel, Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft) und der Eye-Tracking-Technologie (Dr. Benjamin Noel, Institut für Trainingswissenschaft und Sportinformatik) als Tool, welches Zusammenhänge zwischen Blickverhalten und Entscheidungsverhalten von SportlerInnen aufschlüsseln kann.

Mit diesem interessanten Mix aus Praxisbeispielen und Innovationen ging der Kongress Nachwuchsförderung NRW 2018 zu Ende. Auch im kommenden Jahr findet der Kongress wieder Ende April an der Sporthochschule statt, geplanter Termin ist der 29./30. April 2019.