Psychologie

Stressregulationsmechanismen im Leistungssport

Stressregulationsmechanismen im Leistungssport

Trainer's Digest

Zusammenfassung von Corinna Hoffschulz, Psychologisches Institut, 2021

Stress und Angst haben im Zusammenhang mit Leistungsdruck im Leistungssport gravierende Einflüsse sowohl auf die Leistung als auch auf den Gesundheitszustand von Athleten (Fuchs und Gerber 2018, S. 417). Dieser Einfluss von Stress auf Leistung und Gesundheit ist wohl allgemein bekannt. Aber was genau ist Stress eigentlich? Stress ist allgemein als eine (wahrgenommene) Diskrepanz zwischen verschiedenartigen Anforderungen und den Bewältigungsmöglichkeiten des Individuums zu verstehen. Die Stressreaktion ist dabei sehr komplex und individuell. Auch Stressoren, d.h. Stressauslöser können sehr unterschiedlich sein und sind im Leistungssport sehr vielfältig. Entscheidend für den subjektiv erlebten Stress bei gegebenen objektiven Belastungen ist jedoch, wie das Individuum diese Belastungen wahrnimmt und bewältigt. Daher ist es besonders wichtig, immer zwischen den Stressoren – den objektiven Belastungen – und Stress, dem subjektiv erlebten Zustand der Beanspruchung zu unterscheiden. Ob ein Stressor auch zu Stress führt, hängt in bedeutsamem Maße von Prozessen der Bewertung des Stressors hinsichtlich seiner Bedrohlichkeit und den subjektiv wahrgenommenen eigenen Bewältigungsmöglichkeiten ab (siehe das transaktionale Stressmodell von Lazarus 1984). Ob die Stressbewältigung erfolgreich ist oder nicht, wird von Eigenschaften der Person (ihren Bewältigungsfertigkeiten und der Beanspruchungs-Erholungs-Bilanz) und der Umwelt der Person, insbesondere von der sozialen Unterstützung, beeinflusst. Um adäquat Stress bewältigen zu können, sollten die stressauslösenden Faktoren im Idealfall bekannt sein. Diese können im Leistungssport vielfältig sein. Beispiele sind: der Wettkampf sowie seine Vorbereitung, Besorgnis bezüglich des eigenen Leistungspotenzials, verlorene Wettkämpfe und damit einhergehende Versagensängste, Unzufriedenheit sowie Konflikte mit Trainern, Mangel an Rückmeldungen, Doppelbelastung von Fußball und beruflicher Ausbildung, Arbeitsplatzunsicherheit, Probleme mit Partnern oder Familien, Kosten und Aufwand des Trainings, Schwierigkeiten im Team, Verletzungen und vieles mehr. Zusätzlich zu den sportbezogenen Belastungen sind Sportler*innen aber ja zudem den gleichen alltäglichen Stressoren ausgesetzt, wie jeder andere Mensch auch. Stress wird besonders dann erlebt, wenn Belastung im Vergleich zur Erholung überwiegt. Bei der Stressverarbeitung durch Erholung sind jedoch zwei übergeordnete Probleme sehr häufig: erstens, der Erholungsbedarf wird vom Individuum unterschätzt, Erholungsphasen werden daher gar nicht erst angegangen. Und zweitens eine gestörte Erholung, also Phasen, die der Erholung dienen sollen, aber nicht ihre erhoffte Wirkung entfalten. Insgesamt gibt es also drei große Bereiche, bei denen bei der Vermittlung von Stressbewältigungsstrategien angesetzt werden kann: der Situationsbewertung, der Stressbewältigungskompetenz (den Coping-Skills) und der Erholung zu Wiederherstellung von physischen und mentalen Ressourcen.

Nach Hiebert (2002) sollten eine Vielzahl an Bewältigungsfertigkeiten zur Verfügung stehen, damit eine individuelle Verarbeitung situativer Stressoren (Stressor-Management-Strategien, weil der Umgang mit dem Stressor verbessert werden soll) und eine Reduzierung der individuellen physiologischen, kognitiven und verhaltensmäßigen Stressreaktion erreicht werden kann (Stress-Management-Strategien, weil der Umgang mit dem Stress/der Stressreaktion verbessert werden soll). Wahrscheinlich die wichtigste Stressor-Management-Strategie ist die Einschätzung der Situation. Diese erfolgt wie zuvor bereits erwähnt in zwei Schritten:

  1. Ist das Ereignis bedrohend?
  2. Kann die Situation vom Individuum bewältigt oder kontrolliert werden?

Diese Bewertung ist sehr individuell. So kann für den einen Sportler die Beobachtung durch den Kadertrainer bei einem Wettkampf eine Bedrohung und für den anderen eine Chance darstellen. Eine Maßnahme von Trainer*innen oder Lehrer*innen wäre daher, potentiell bedrohliche Situationen der Athlet*innen auf realistische Weise als Chance oder Herausforderung zu deklarieren und die Ressourcen der Athlet*innen, also deren Bewältigungsmöglichkeiten einer sportlichen Herausforderung, zu betonen und zu verbalisieren.

Die Stress-Management-Strategien lassen sich weiter unterteilen in psychoedukative Aspekte, einen Verhaltensaspekt und einen sozialen Aspekt. Unter den psychoedukativen Aspekt fällt beispielsweise, dass es einem*r Sportler*in helfen kann, wenn Wissen über Stress, seine Auswirkungen und seine kognitiven Bewältigungsmöglichkeiten im Sinne der oben genannten Umbewertung der Situation, sowie über Ursachen von mentalem und emotionalem Stress besteht. Daher sollte dieses Wissen auch an jede*n Athlet*in weitergegeben werden. Unter den Verhaltensaspekt fallen alle Lebensstiländerungen wie beispielsweise eine stärkere Beachtung und Verbesserung der Erholungs-Belastungs-Bilanz. Dabei sind adaptive Copingstrategien zum Beispiel Selbstfürsorge, wahrgenommene Situationskontrolle, Kontrolle eigener Reaktionen, sowie positive Selbstinstruktionen. Als eher nicht so hilfreich werden Copingstrategien wie extensives Durchleben der belastenden Dinge, Grübeln, Vermeidung, Resignation und Selbstmitleid bezeichnet. Soziale Unterstützung, bei Jugendlichen überwiegend die der Eltern, wirkt dabei als Moderator der wahrgenommenen Belastung durch objektive Stressoren. D.h. die jugendlichen Sportler*innen, die unterstützende Eltern haben, empfinden weniger Stress als nicht durch ihre Eltern unterstützte Sportler*innen bei den gleichen objektiven Belastungen. Daher könnte ein Elterncoaching viel zu der psychischen Gesundheit der Kinder beitragen. Üblicherweise wird zudem das Zeitmanagement und die Entspannungsfähigkeit trainiert. Entspannungsverfahren können sowohl der kurzfristigen Stressbewältigung als auch der langfristigen Stressimmunisierung dienen.

Aufbauend auf psychotherapeutischen Verfahren, existiert auch ein achtsamkeitsbasiertes sportspezifisches Verfahren zur Stressprävention, der Mindfulness-Acceptance-Commitment-Approach (MAC). Dieser Ansatz vermittelt den Athlet*innen in mehreren Sitzungen das Konzept der Achtsamkeit, also die wertungsfreie Wahrnehmung des Moments, der eigenen Gefühle und Gedanken. Zudem wird die Orientierung an persönlichen Werten gestärkt. Achtsamkeit kann bei der Stressbewältigung auf verschiedene Arten helfen. Zum einen führt das wertungsfreie Wahrnehmen einer Situation dazu, dass sie nicht als bedrohlich wahrgenommen wird. Des Weiteren führt die Akzeptanz des Gefühls „gestresst sein“ zu weniger grübeln und einer schwächeren emotionalen Aktivierung. Zusätzlich kann Achtsamkeit die Qualität der Erholung positiv beeinflussen und somit die Ressourcen eines Athleten stärken. Im Sinne einer langfristigen Prävention ist es besonders wichtig die sozialen Ressourcen einer Person zu stärken. So sollte immer darauf geachtet werden, dass es Sportler*innen möglich ist, gute Freundschaften und gute Beziehungen zu ihrer Familie aufrecht zu erhalten. Außerdem können hier Zeitmanagementstrategien und Wertehierarchien hilfreich sein.

Zur kurzfristigen Stressreduktion sind die Bewältigungsressourcen sehr individuell. So können kontrolliert langsames Atmen, Anpassung der Körperhaltung in eine stolze Körperhaltung, körperliche Bewegung und vieles mehr helfen. Zudem können kognitive Strategien, wie Innehalten und prozessorientiertes Fragestellen (Was ist falsch gelaufen? Wie kann ich Abhilfe schaffen?) sehr nützlich sein, um Grübeln zu verhindern und lösungsorientiert zu handeln. Sehr hilfreich kann auch die Einführung von „wenn-dann“-Strategien sein. Diese sollen die sinnvollste Handlung nach einem bestimmten Ereignis automatisieren und Grübeln oder Unsicherheiten verhindern. So könnte eine „wenn-dann“-Regel sein: „Wenn ich den Korb nicht getroffen habe, dann drehe ich mich um und renne zurück.“ So denkt der Spieler nach einem Fehler nicht lange über den Fehler nach, sondern bleibt im Spiel und unterstützt seine Mannschaft direkt wieder. Manchen Sportler*innen helfen zudem Embodiment-Techniken. Das sind körperliche Aktionen, wie beispielsweise ein Lachen oder eine aufrechte und stolze Körperhaltung einzunehmen, die die entsprechende Stimmung dann in der Folge auslösen können. Dies kann dabei helfen, für eine gewisse Situation ein passendes und hilfreiches Mindset zu etablieren. Wir haben gesehen, dass Stress von drei Dingen abhängt: der Situationsbewertung, der Stressbewältigungskompetenz und der Qualität und Quantität der Erholung. Es sollte daher geübt werden, Situationen wertungsfrei zu begegnen (oder diese zumindest nicht als Bedrohung, sondern als Herausforderung zu sehen). Außerdem können sowohl kurzfristige als auch langfristige Stressbewältigungsstrategien trainiert und individuell eingesetzt werden. Und es sollte darauf geachtet werden, dass in die Tagesplanung aktive und qualitativ hochwertige Erholungsphasen miteinbezogen werden, die die Belastung des Alltags eines Leistungssportlers wieder ausgleichen können.

 

Quellen:

Fuchs, Reinhard; Gerber, Markus (Hg.) (2018): Handbuch Stressregulation und Sport. Springer-Verlag GmbH. Berlin: Springer (Springer Reference Psychologie).

Hiebert, B. (2002). Relaxation in the classroom: Awin-win life skill. Guidance & Counselling, 17,73–81.

Lazarus, R. S., & Folkman, S. (1984). Stress, appraisal, and coping. New York: Springer.

Unterstützung bei Sportverletzungen - Die wichtige Rolle des Trainers

Unterstützung bei Sportverletzungen - Die wichtige Rolle des Trainers

Trainer's Digest

Zusammenfassung von Gertjan Bongaerts, Psychologisches Institut, 2019

Verletzungen während der Karriere eines Athleten stellen nicht nur eine physische Herausforderung dar, sondern können auch erheblichen psychischen Stress verursachen. Athleten die in der Ausübung ihrer Leidenschaft eingeschränkt werden, leiden häufig unter sich im Verlauf der Rehabilitation verändernden Stressoren, die unterschiedlichen Bewältigungsstrategien erfordern. Nicht immer kommen die Athleten mit der Situation zurecht: sie sind den Anforderungen nicht gewachsen und die eigenen Kompetenzen reichen nicht aus um die stressvolle Situation optimal zu meistern. In dem Moment sind sie auf die Hilfe von anderen angewiesen. Allen voran Trainer können bei der Unterstützung von Athleten in einer Verletzungsphase eine entscheidende Rolle einnehmen.

Das von Theresa M. Bianco verfasste Buchkapitel „Sport Injury and the Need for Coach Support“ beschäftigt sich mit den Prozessen, welche die förderliche Unterstützung durch den Trainer ausmachen. Wie bereits erwähnt, muss der Athlet nach einer Verletzung nicht nur physische Probleme bewältigen, sondern sich auch mit anderen Themen auseinandersetzen. Zu diesen Themen zählen zum Beispiel kognitive Aspekte wie die Unsicherheit und Bedrohung der sportlichen Zukunft sowie die Angst, seinen Platz im Team zu verlieren. Das soziale Umfeld kann zusätzlichen Druck aufbauen oder auch dafür sorgen, dass sich der Athlet isoliert und einsam fühlt. Es kommt also eine Vielzahl an unterschiedlichsten Anforderungen auf den Athleten zu, welche verschiedene Reaktionen auslösen können. Die subjektive Bewertung der Situation führt nicht selten dazu, dass verletzte Athleten die Situation schlimmer einschätzen als sie tatsächlich ist. Ihre Gedanken sind oft überwiegend negativ, was eine Stressreaktion hervorruft. Vor allem Athleten mit einer ausgeprägten „athletischen Identität“, also eine starke Identifikation mit der Rolle als Athlet, weisen ein hohes Risiko auf, negative Gedanken und Emotionen zu entwickeln. Problematisch kann es aber auch werden, wenn Athleten ihre  Motivation während der Rehabilitation verlieren. Dies führt zur Nicht-Einhaltung der rehabilitativen Maßnahmen, was den Genesungsprozess nur verlangsamt. Wenn Sportler einmal in diese negativ gerichtete Spirale gelangen, sinkt die Motivation weiter und weiter. Im Gegensatz dazu stehen Athleten die übermotiviert sind und durch extreme Maßnahmen ihre Genesung vorantreiben wollen aber damit nur das Gegenteil erreichen. Doch wie kann man nun als Trainer dagegen vorgehen? Wie kann man den Verlauf der Verletzungspause der eigenen Athleten positiv beeinflussen?

Bianco unterscheidet drei Phasen, in den verschiedene Arten der Unterstützung im Vordergrund stehen:

  1. Direkt nach dem Auftreten der Verletzung stehen vor allem die Vermittlung von Empathie, die Beruhigung des Athleten und die Unterstützung mithilfe von guten Ratschlägen (bzgl. medizinischer Versorgung etc.) im Vordergrund.
  2. Während der Rehabilitationsphase ist es hilfreich, den verletzten Athleten in das Training mit einzubeziehen, Fortschritte zu überwachen und positiv anzuerkennen sowie bei Rückschlägen zu beruhigen.
  3. Bei der Rückkehr in den Trainingsalltag sollte man dem Athleten Zeit lassen, die psychologische Blockade (Ängste) überwinden zu können. Gemeinsame Zielsetzung trägt zur Motivation bei.

In Abhängigkeit von Präferenzen und Neigungen des Sportlers sollte aber jede Art der Unterstützung individuell auf die Person zugeschnitten werden um ihre Wirksamkeit zu gewährleisten. Trainer müssen sich dessen bewusst sein, dass die subjektive Wahrnehmung und Interpretation der geleisteten Unterstützung auf Seiten des Sportlers über die tatsächliche Wirkung entscheidet. Eine bereits vorhandene positive Trainer-Sportler-Beziehung fördert die Individualisierung und somit die Wirksamkeit. Außerdem fällt es dem Athleten leichter um Hilfe zu bitten, wenn ein Vertrauensverhältnis zum Trainer besteht, da dies oft eine Bedrohung des Selbstwerts als „starker“ Sportler darstellt. Laut Bianco führt die Beachtung der genannten Mechanismen zu einer Steigerung des Selbstwerts des Sportlers, die Erhöhung des Vertrauens in eine vollständige Heilung und eine positive Zukunft, sowie einem Anstieg des Selbstvertrauens.
 

Quelle:

Bianco, T. (2007). Sport injury and the need for coach support. In D. Pargman (Ed.), Psychological bases of sport injuries (3rd ed., pp. 237–266). West Virginia: West Virginia University.

Die Bedeutung verschiedener Athlete-Leadership-Formen in Sportteams

Die Bedeutung verschiedener Athlete-Leadership-Formen in Sportteams

Trainer’s Digest

Zusammenfassung von Helena Schmitz, Psychologisches Institut, 2020

Führungspersonen werden in allen Bereichen des Lebens gebraucht, angefangen bei einem Führungsperson einer Firma bis hin zu einem Trainer eines Sportteams. Innerhalb des Sports wird oftmals nur von dem Trainer und/oder dem Kapitän als wichtige Führungspersonen gesprochen, dennoch gibt es auch andere Athleten innerhalb einer Mannschaft, die wichtige Leadership-Aufgaben übernehmen und als Führungsspieler angesehen werden können (Northouse, 2010). Ein Führungsspieler wird in der Literatur als ein Athlet definiert, der eine formelle oder informelle Rolle innerhalb eines Teams einnimmt und eine Gruppe von Teammitgliedern beeinflusst, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen (Loughead, Hardy & Eys, 2006). Ein formeller Führungsspieler gilt hierbei als Athlet, dem durch die Mannschaft oder Trainer eine Aufgabe offiziell zugeschrieben wurde. Im Gegensatz dazu kristallisiert sich ein informeller Führungsspieler meist durch Interaktionen innerhalb der Mannschaft heraus und wird nicht offiziell bestimmt (Loughead et al., 2006). Trainer und Athleten bestätigen die Wichtigkeit dieser Führungsspieler, da sie einen hohen Einfluss auf den Teamzusammenhalt, die Athletenzufriedenheit und das Vertrauen innerhalb des Teams haben (Fransen et al., 2014).

Laut aktuellem Forschungsstand werden vier verschiedene Athlete-Leadership-Arten innerhalb eines Sportteams definiert. Dem aufgabenorientierten Führungsspieler wird eine instrumentale Funktion zugeschrieben und er konzentriert sich auf die Vollendung und Durchsetzung der Gruppenaufgaben. Der soziale Führungsspieler hingegen fokussiert sich auf interpersonale Beziehungen innerhalb der Mannschaft (Voelker, Gould & Crawford, 2011). Darüber hinaus gibt es eine Leadership-Art innerhalb eines Teams namens externer Führungsspieler, welcher die externe Repräsentation der Gruppe beispielweise bei Pressekonferenzen, in Gesprächen mit dem Trainer oder bei anderen wichtigen Treffen übernimmt (Eys, Loughead & Hardy, 2007; Loughead et al., 2006). Die vierte Leadership-Art gewinnt in den letzten Jahren vermehrt an Bedeutung in der Literatur (Fransen et al., 2014). Die Aufgabe dieses motivierenden Führungsspielers ist hierbei das Motivieren der Teammitglieder, damit alle Energie auf dem Platz in die optimale Richtung gelenkt wird, um beste Leistungen zu erbringen (Holmes et al., 2010; Cotterill, 2013). Er unterstützt damit den aufgabenorientierten Führungsspieler, der sich mehr auf taktische Anweisungen und das Lenken der Mannschaft konzentriert.

Der aufgabenorintierte Führungsspieler sowie der motivierende Führungsspieler werden von Trainern und Athleten als die wichtigsten Führungsspieler innerhalb einer Mannschaft angesehen (Fransen et al., 2014), der soziale und externe Führungsspieler seien laut durchgeführten Studien weniger wichtig (ebd.; Loughead et al., 2006). Grundsätzlich werden Führungsrollen auf dem Feld (z.B. motivierender Führungsspieler) deutlich wichtiger wahrgenommen im Vergleich zu Leadership-Rollen neben dem Feld (z.B. externer Führungsspieler). Nach einer Studie (Fransen et al., 2014) wird oftmals die meist einzige formelle Führungsperson einer Mannschaft, der Kapitän, von den Teamkameraden nicht als der beste Führungsspieler auf oder neben dem Spielfeld angesehen. In vielen Fällen übernimmt laut dieser Studie der Teamkapitän keine der vier oben angesprochenen informellen Führungsrollen innerhalb der Mannschaft. Umso wichtiger ist die Präsenz von mehreren Leadership-Rollen innerhalb eines Teams, da sie eine bessere Identifikation mit dem Team und ein besseres Gefühl der kollektiven Selbstwirksamkeit im Team entwickeln. Hierbei ist wichtig zu erwähnen, dass ein Athlet selten mehr als eine Leadership-Rolle übernimmt, sondern meist immer verschiedene Athleten die Rollen der Führungsspieler besetzen (Fransen et al., 2014). Die Umsetzung der in der Literatur gewonnen Erkenntnisse stellt für Athleten und Trainer eine Herausforderung dar, da sich die oben beschriebenen Leadership-Rollen meist informell entwickeln. Daher sollten Trainer ausreichend Zeit einräumen und aufwenden, um Leadership-Rollen im Team zu identifizieren und zu entwickeln (Carson et al., 2007, Fransen et al., 2014). Darüber hinaus ist ebenso die Unterstützung in der Weiterentwicklung der Führungsqualitäten dieser Athleten sehr wichtig, um letztendlich die Entwicklung von einem informellen zu einem formellen Führungsspieler zu gewährleisten (Bucci et al., 2012; Fransen et al., 2014). Weiterhin kann der Trainer die Wahl des formellen Kapitäns auch auf die Art organisieren, dass ein Spieler mit Führungsqualitäten angepasst an die Bedürfnisse des Teams identifiziert wird. Somit kann er im Laufe der Saison als bedeutender Führungsspieler beweisen (Fransen et al., 2014).

Abschließend lässt sich sagen, dass Führungsspielern in sämtlicher Literatur ein positiver Effekt zugeschrieben wird. Daher sollten sich Trainer und Athleten speziell auf die Identifizierung und Entwicklung informeller Führungsspieler innerhalb der Mannschaft fokussieren, um Gruppenprozesse zu optimieren. Der aufgabenorientierte Führungsspieler und der motivierende Führungsspieler werden als sehr bedeutend wahrgenommen, weshalb auf Spieler mit solchen Führungsqualitäten vermehrt geachtet werden sollte.

 

Quellen:

Bucci, J., Bloom, G. A., Loughead, T. M., & Caron, J. G. (2012). Ice hockey coaches’ perceptions of athlete leadership. Journal of Applied Sport Psychology, 24(3), 243-259.

Carson, J. B., Tesluk, P. E., & Marrone, J. A. (2007). Shared leadership in teams: An investigation of antecedent conditions and performance. Academy of management Journal, 50(5), 1217 1234.

Cotterill, S. (2013). Team psychology in sports: Theory and practice. Abingdon: Routledge.

Eys, M. A., Loughead, T. M., & Hardy, J. (2007). Athlete leadership dispersion and satisfaction in interactive sport teams. Psychology of Sport and Exercise, 8(3).

Fransen, K., Vanbeselarer, N., De Cuyper, B., Vande Broek, G. & Boen, F., (2014). The myth of the team captain as principal leader: extending the athlete leadership classification within sport teams. Journal of Sports Sciences, 32(14).

Holmes, R. M., McNeil, M., & Adorna, P. (2010). Student athletes' perceptions of formal and informal team leaders. Journal of Sport Behavior, 33(4), 442.

Loughead, T. M., Hardy, J., & Eys, M. A. (2006). The nature of athlete leadership. Journal of Sport Behavior, 29(2).

Northouse, P. G., (2010). Leadership: Theory and Practice (5th Edition). Thousand Oaks: Sage Publications.

Voelker, D. K., Gould, D., & Crawford, M. J. (2011). Understanding the experience of high school sport captains. The Sport Psychologist, 25(1), 47-66.

Schlaf im Leistungssport – Bedeutung, Herausforderungen und Wege zur...

Schlaf im Leistungssport – Bedeutung, Herausforderungen und Wege zur Optimierung

Annika Hof zum Berge, Ruhr-Universität Bochum, 2019

zur Präsentation

Hintergrund: Erholsamer Schlaf ist ein essenzieller Bestandteil der Regenerationsphase von Sportlern und gilt dabei als wertvolle Ressource sowohl für das psychologische als auch für das physiologische Wohlbefinden (Rowbottom, 1998; Ehrlenspiel & Erlacher, 2018). Insbesondere für Spitzensportler, von denen eine konstante Leistung auf höchstem Niveau erwartet wird, ist ein Gleichgewicht zwischen Beanspruchung und Erholung von besonderer Bedeutung (Kellmann et al., 2018; Kellmann & Kölling, in Druck). Schlafmangel hingegen wirkt sich negativ auf die sportliche Leistungsfähigkeit (Geschwindigkeit, Ausdauer), neurokognitive Funktionen (Aufmerksamkeit, Gedächtnis) sowie die körperliche Gesundheit (Krankheit, Verletzungsrisiko, Gewichtskontrolle) aus (Simpson, Gibbs & Matheson, 2017).

In Bezug auf ein optimales Schlafverhalten stehen Athletinnen und Athleten einer Vielzahl an Herausforderungen gegenüber. So sind Trainingsblöcke und Wettkämpfe am frühen Morgen oder am späten Abend, Reisen und die damit einhergehende ungewohnte Schlafumgebung, Nutzung von elektronischen Geräten vor dem Zubettgehen, Nervosität, ergebnisabhängige Stimmungslagen sowie ausgeprägte Träume als nur einige Faktoren zu nennen (Fullagar et al., 2016; Kölling, Duffield, Erlacher, Venter & Halson, 2019).

Das Ziel dieses Workshops soll es somit sein, einen Einblick in das Thema „Schlaf im Leistungssport“ zu geben und dabei sowohl wissenschaftlich fundierte Einblicke in die aktuelle Forschungslage zu vermitteln als auch praktische Ableitungen für den leistungssportlichen Alltag zu generieren.

Sportspychologische Betreuung in NRW - Diagnostik, Vermittlung,...

Sportspychologische Betreuung in NRW - Diagnostik, Vermittlung, Intervention

Dr. Jeannine Ohlert & Marion Sulprizio, Deutsche Sporthochschule Köln, 2018

zur Präsentation

Hintergrund: An der DSHS Köln ist für das Bundesland NRWeine optimale sportpsychologische Beratungs- und Betreuungssituation geschaffen worden. Mit momentum, dem Deutschen Forschungszentrum für Leistungssport, der Netzwerkinitiative MentalGestärkt zur Psychischen Gesundheit im Leistungssport sowie mentaltalent.de, das von der Sportstiftung NRW finanzierte Projekt zur Förderung junger Landeskaderathleten, kooperieren drei starke Partner bei der sportpsychologischen „Rundum-Versorgung“ junger SpitzenathletInnen. Im Basischeck vom momentum, welcher von den nordrheinwestfälischen KaderathletInnen in Anspruch genommen wird, werden – neben weiteren sportspezifischen Fähigkeiten und Fertigkeiten – auch die psychologischen Kompetenzen diagnostiziert. Dabei werden sowohl Selbstauskünfte zu sozial- und entwicklungspsychologischen Skills wie z.B. Selbstvertrauen, Teamgeist oder Motivation als auch apparativ getestete Fähigkeiten wie z.B. der Umgang mit Stress und Druck, Konzentrationsfähigkeit oder Bewegungsvorstellungsfähigkeit überprüft und es entsteht ein umfangreiches diagnostisches Profil für die jeweilige Person. Dieses Profil wird an die AthletInnen zurück gespiegelt, so dass diese mit ihren TrainerInnen über die vorhandenen, aber auch fehlenden Skills sprechen und Maßnahmen zur Verbesserung ergreifen können. Außerdem werden im Rahmen des Basischecks auch Daten zum aktuellen Wohlbefinden und zur Depressivitätsneigung erhoben. MentalGestärkt wird immer dann informiert, wenn sich das Wohlbefinden bzw. die depressive Verstimmung der AthletInnen in einem kritischen Bereich befindet. Die SportlerInnen erhalten dann von MentalGestärkt das Angebot zur Vermittlung von sportpsychologischer oder ggfs. psychotherapeutischer bzw. psychiatrischer Hilfe, bei der sie zeit- und heimatnah die angemessene Betreuung erhalten können. Für die Umsetzung sportpsychologischer Betreuung in NRW ist mentaltalent.de zuständig. Im Rahmen dieses etablierten Projekts werden D-KaderathletInnen in sportpsychologischen Workshops oder Einzelbetreuungen befähigt, ihre Ressourcen im Setting Leistungssport optimal abzurufen bzw. soweit zu verbessern, dass psychische Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung zu einer positiven Leistungsentwicklung führen können. Klassische Themen der sportpsychologischen Workshops sind beispielsweise Umgang mit Druck oder Misserfolg, Trainer-Athlet-Kommunikation oder Teamprozesse. In den Einzelbetreuungen geht es häufig um individuelle Strategien zur Aktivierungs- oder Selbstgesprächsregulation in Training und Wettkampf.