Lehramtsstudiengänge Sport theorieorientiert entwickeln

... - Herausforderungen und Lösungsansätze

Michael Pfitzner, Mirko Krüger, Thomas Mühlbauer, Gabi Flecken, Ellen van Aerde & Dirk Hoffmann

DOI: 10.25847/zsls.2020.029

ZUSAMMENFASSUNG

Die Entwicklung universitärer Lehrprogramme unterliegt fachlichen Ansprüchen, um – im vorliegenden Falle – Lehrerbildungsanliegen in der Sportwissenschaft umzusetzen. Daneben gilt es, eine Reihe weiterer Anforderungen und Vorgaben für Lehrentwicklungsprozesse zu berücksichtigen. Das Modell pädagogischer Hochschulentwicklung von Brahm et al. (2016) bietet Hilfestellungen. Im Gerüst des Akkreditierungsverfahrens einer Universität ergeben sich damit Möglichkeiten einer Profilierung von Lehramtsstudiengängen im Fach Sport. Letztlich bleibt die Herausforderung, Impulsen zur Verschulung hochschulischer Bildung ein Stück weit Alternativen gegenüber zu stellen. Im Beitrag wird die theoriegeleitete Überarbeitung von Bachelor- und Masterstudiengängen mit Lehramtsoption für das Unterrichtsfach Sport bis zur exemplarischen Darstellung von Detailentscheidungen vorgestellt.

Developing teacher training courses in sport in a theory-oriented way - challenges and approaches to solutions

Abstract: The development of teaching programs in higher education is subject to high professional demands in order to implement relevant matters for teacher training in sports science. At the same time, numerous additional requirements and standards need to be considered within the process of course development. The model of pedagogical higher education development by Brahm et al. (2016) acts as a supportive resource in this process. Consequently, within the framework of a universities’ accreditation process the opportunity arises to emphasise teaching degree programs for P.E. teachers. It remains, however, challenging to counteract the movement to-wards “school-like“ approaches within higher education by providing alternative procedures. Within this article, the theory-based revision of Bachelor- and Master-degree courses in teaching will be presented for the subject P.E. and examples of the detailed decision processes will be provided.

EINLEITUNG

Die Freiheit von Forschung und Lehre ist ein Kernmerkmal der Arbeit an der Hochschule (vgl. § 4 im HSG NRW, MI NRW, 2020). Die Lehrenden eines Studienganges mit Lehramtsoption legen gerahmt durch die „Ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung“ (KMK, 2019) fest, wann die Studierenden welche Kompetenzen erreichen sollen, welche inhaltlichen Schwerpunktsetzungen dazu gelegt werden und wie der Kompetenzerwerb geprüft wird. Das Verhältnis zwischen den anzustrebenden Kompetenzen in den einzelnen Veranstaltungen, auf der Modulebene und das Verhältnis dieser als mal additiver, in anderen Fällen aber auch integrativer Ansatz und die daran orientierte Ausgestaltung von Lehrveranstaltungen ist keinesfalls trivial. Es fordert den Beteiligten intensive Abstimmungsprozesse ab (vgl. u.a. Stubner & Vondran, 2019). Eine umfangreiche Literaturlage ist Beleg für das gewachsene Verständnis darüber, dass gute Lehre einer intensiven, systematischen und theorieorientierten Auseinandersetzung bedarf (Heuchemer, Szczyrba & van Treeck, 2019). Den Modulkonferenzen als „Orte“ der Verständigung über gute Lehre mit allen im betreffenden Modul Lehrenden kommt eine besondere Bedeutung zu. In ihnen bündelt sich die fachliche Expertise. In diesem Beitrag werden die Herausforderungen im Rahmen der Re-Zertifizierung der Studiengänge Sport mit Lehramtsoption am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften (ISBW) der Universität Duisburg-Essen (UDE) dargelegt. Dabei wird das Zusammenspiel zwischen Lehrentwicklungsmaßnahmen in den Modulkonferenzen und der modellorientierten Steuerung des Prozesses orientiert am Modell „Pädagogischer Hochschulentwicklung“ von Brahm, Jenert & Euler (2016b) pointiert. Zunächst werden die Rahmenbedingungen der Re-Zertifizierung der UDE vorgestellt. Es folgen Hinweise zum Steuerungsmodell „Pädagogische Hochschulentwicklung“. Dabei verfolgte Lösungsansätze werden im Anschluss konkretisiert. Abschließend werden sie in einem Fazit und Ausblick reflektiert.

RAHMENBEDINGUNGEN DER RE-ZERTIFIZIERUNG AN DER UDE
Veränderungen von Studiengängen spiegeln qualitative Entwicklungen in Studium und Lehre wider und erfahren eine breite Unterstützung durch zentrale Einrichtungen der UDE. Die Re-Zertifizierung eines Studiengangs, die an der UDE als systemakkreditierte Universität in den Händen des Prorektorats für Studium und Lehre (ProR S&L) liegt, wird durch zentrale Einrichtungen wie das Dezernat Hochschulentwicklungsplanung (HSPL), das Zentrum für Hochschulqualitätsentwicklung (ZHQE), das Justiziariat, die Studiendekanate und bei lehramtsbezogenen Studiengängen durch die Koordinationsstelle Lehramt (KOLA) im Zentrum für Lehrerbildung (ZLB) unterstützt. Zudem ist das zuständige nordrhein-westfälische Ministerium für Schule und Bildung (MSB NRW) eingebunden. Die inhaltliche Arbeit findet in Verantwortung der Fakultäten in Abstimmung mit dem Studiendekanat statt. Eine wichtige operative Aufgabe kommt den Studiengangmanager*innen in den Fakultäten zu (vgl. UDE, 2020). Re-Zertifizierungsprozesse sind eingebunden in das permanente Managementsystem zur Qualitätssicherung an der UDE (vgl. Abb. 1).

Jährliche Qualitätssicherungsverfahren auf Ebene der Lehreinheiten wie z. B. Qualitätskonferenzen werden von den Fakultäten durchgeführt (siehe oben links in Abb. 1). Sie unterstützen den Prozess der kontinuierlichen Qualitätssicherung im laufenden Studienbetrieb sowie, im Rahmen des Re-Zertifizierungsprozesses, die alle sechs Jahre durchzuführende vertiefende Betrachtung der Studiengänge. Die Ergebnisse werden in Qualitätsberichten niedergelegt, im Rahmen von Qualitätsgesprächen mit dem ProR für S&L erörtert und in verbindliche Maßnahmen (sog. Follow-ups) zur Qualitätssicherung der Lehreinheiten überführt (vgl. UDE, 2020). Die vertiefende Betrachtung der Studiengänge erfolgt nach einem durch das Rektorat der UDE beschlossenen Qualitätsplan zur Gewährleistung einer kontinuierlichen Zertifizierung. Die Durchführung der Re-Zertifizierungsverfahren umfasst in der Regel ein Zeitfenster von eineinhalb Jahren. Je nach Art der Änderungen greifen standardisiert vorgegebene Qualitätssicherungsverfahren (vgl. UDE, 2020).

Lehramtsstudiengänge unterliegen in diesem Kontext Verfahrensschritten, die ausschließlich auf die Qualitätssicherung dieser abgestimmt sind. Exemplarisch ist der Abgleich inhaltlicher und struktureller Veränderungen der Studiengänge mit länderübergreifenden Rahmungen der Kultusministerkonferenz, länderspezifischen Gesetzgebungen, Zielen zur Lehrerbildung und hochschulinternen Profilen der Lehrerbildung anzuführen (vgl. UDE, 2020). Ziel- und Leistungsvereinbarungen (siehe Abb. 1 in der Mitte) werden alle drei Jahre mit dem Ziel abgeschlossen, die Aktivitäten im Hochschulentwicklungsplan mit den Zielen aller Akteure an der UDE in Lehre und Studium, Forschung, Organisation und Services zu koordinieren (vgl. UDE, 2020). Die alle sechs Jahre stattfindenden institutionellen Evaluationen sind eingebunden in interne und externe Beurteilungsverfahren (oben rechts in Abb. 1).

STEUERUNGSMODELL „PÄDAGOGISCHE HOCHSCHULENTWICKLUNG“
Fragen guter Lehre in der Hochschule haben neben dem Aufbau von Qualitätsmanagement-Maßnahmen in den vergangenen Jahren das Interesse in allgemeiner Form (u. a. Böss-Ostendorf & Senft, 2018) mit Schwerpunkten z. B. auf der Kompetenzmessung (vgl. exempl. Perko & Kitschke, 2014) oder auf Feedbackverfahren (Dainton, 2018) und zuletzt mit Hinweisen zu Digitalisierung der Lehre ­
(z. B. Harris-Huemmert, Pohlenz & Mitterauer, 2018) gebunden. Auch zur Organisationsentwicklung im Bereich der Lehre, wie sie mit der Revision von Studiengängen verbunden sind, gibt es Referenzen wie u. a. das von uns herangezogene Modell der „Pädagogischen Hochschulentwicklung“ (Brahm et al., 2016b) (vgl. Abb. 2). Mit diesem Modell wird das Ziel verfolgt, bei der Durchführung von Einzelmaßnahmen immer „die verschiedenen Ebenen innerhalb einer Veränderungsinitiative gleichzeitig in den Blick zu nehmen“ (Brahm et al., 2016b, S. 28). Pädagogische Hochschulentwicklung kann so als interdependentes Handeln auf den Ebenen

  • der Lernumgebungen, bei denen es um die „Kompetenzentwicklung der Lehrenden und Studierenden und – damit verbunden - Gestaltung von Lehr-/ Lernumgebungen und Kursen“ (Brahm et al., 2016b, S. 27) geht,
  • der Studienprogramme, die die „Gestaltung von Profil und Zusammenwirken der Kurse in einem Studiengang“ (Brahm et al., 2016b, S. 27) betrifft und
  • der Organisation, womit auf die „Gestaltung der strukturellen und kulturellen Rahmenbedingungen der Lehre an der Hochschule“ (Brahm et al., 2016b, S. 28) hingewiesen wird, verstanden werden.

Alle Aktivitäten orientieren sich an den strategischen Zielen für Lehre und Studium. Brahm et al. (2016b, S. 29–30) weisen darauf hin, dass es sich dabei nicht um ein additives Konstrukt der Ziele aus einzelnen Lehrveranstaltungen handeln dürfe, sondern eine übergeordnete Leitidee erkennbar werden müsse.
Die in der Mitte des Modells zu findende Komponente Change Management und Change Leadership verweist auf die notwendigerweise zu steuernden Prozesse, um die als interdependent ausgewiesenen Ebenen nicht ungetrennt voneinander stehen zu lassen. Da Hochschulen als „`lose gekoppelte` Expertenorganisationen mit einer kollegialen Kultur verstanden“ (Brahm et al., 2016b, S. 32) werden können, und Lehre eine Aufgabe neben Forschung und akademischer Selbstverwaltung darstellt, ergeben sich erhebliche Anforderungen an die Steuerung von Lehrentwicklungsprozessen. Es geht um knappe Ressourcen der Handelnden, die Akzeptanz der Legitimität der den Prozess leitenden Personen und die damit insgesamt nicht einfache Entfachung einer motivierten Bereitschaft für ein Engagement zur Lehrentwicklung.
Maßnahmen der Lehrentwicklung, dieses verdeutlichen die Ausführungen, sind in komplexe institutionelle Prozesse eingebunden. Mit den dabei wirkenden überfachlichen Strukturen geht die Gefahr einher, dass fachspezifische Anliegen überdeckt werden. Um die eingangs des Beitrags reklamierte Freiheit der sportwissenschaftlichen Lehre zum Tragen zukommen zu lassen, ist eine intensive Vergewisserung der Ziele und Maßnahmen vonnöten, für die das Modell der Pädagogischen Hochschulentwicklung eine Rahmung verschafft. Den fachlichen Zielen im Prozess nähern wir uns nachfolgend und reflektieren unsere Arbeitsbedingungen sowie -referenzen.

AUSGANGSPUNKTE FÜR DIE ÜBERARBEITUNG DER STUDIENGÄNGE AM INSTITUT FÜR SPORT- UND BEWEGUNGSWISSENSCHAFTEN DER UNIVERSITÄT DUISBURG-ESSEN

Für die strategischen Ziele für Lehre und Studium ergeben sich auf verschiedenen Ebenen relevante Bezugspunkte. Im Hochschulentwicklungsplan der UDE (UDE, 2015) werden Leitlinien für das „Lehren und Lernen“ entfaltet und dabei eine Reihe relevanter Einzelpunkte z. B. zum Lehren und Lernen in einer digitalen Welt, der Förderung und Forderung einer heterogenen Studierendenschaft u.v.m. dargelegt. Diese harmonieren mit unseren Anliegen an die Befähigung angehender Sportlehrkräfte im „kulturell bunten Ruhrgebiet“ in einer zunehmend digitalen Welt. Auf einer übergreifenden Zielebene erfolgt das geteilte Bekenntnis, dass es um den Kompetenzerwerb Studierender zur „Berufsbefähigung […] im Sinne einer im Medium von Wissenschaft und Forschung kritisch reflektierten Praxisorientierung […] und nicht bloße Beschäftigungsfähigkeit“ (UDE, 2015, S. 21, Hvh. die Vf.) geht.
Das ISBW sieht sich des Weiteren geleitet durch Entwicklungen in der Fachgesellschaft und den Interessenvertretungen für den Schulsport. Positionspapiere liegen z. B. zum Ein-Fach-Bachelor-Curriculum (dvs, FT Sport, DSLV & asp, 2017), zu Herausforderungen wie der Inklusion (dvs, 2015) und der Lehre in der Theorie und Praxis der Sportbereiche und Bewegungsfelder (dvs, 2019) vor. Sie bieten normative Positionen über ein gutes Studium der Sportwissenschaft. Forciert durch eine enge Einbindung in die Lehrerbildung an der UDE, u. a. im Rahmen der Initiative „Professionalisierung für Vielfalt (ProViel)“, haben auch die Lehrerbildung betreffende Sollensvorstellungen, wie sie z. B. durch das Positionspapier zur Inklusion (ProViel, 2019) dargestellt werden, eine Strategie leitende Bedeutung für die Lehre im ISBW der UDE. Bei der Arbeit mit dem leitenden dimensionalen Kompetenzmodell (vgl. Terhart, 2007, s.u.) innerhalb des Instituts kommen wir zudem wiederkehrend in einen hochschuldidaktischen Austausch über unser Verständnis von Schulsport, als zukünftigem Tätigkeitsbereich unserer Studierenden, und den daraus resultierenden Konsequenzen. Hierbei richten wir den Blick auf das Ballungsgebiet Ruhrgebiet mit seinen Bedingungen einer besonders heterogenen Schüler*innenschaft (Pfitzner, Gebken & Mühlbauer, 2020). Die Vorstellungen zu einem Leitbild des Schulsports, wie sie auch von den schulsportrelevanten Verbänden und Kultusbehörden gesehen werden (DOSB & KMK, 2017; DSLV, dvs, DOSB & FSW, 2019), der mehr ist als Sportunterricht, prägt unsere Arbeit. Es geht um Bewegung, Spiel und Sport im weiten Verständnis von Schulsport in erzieherischer Absicht, das den außerunterrichtlichen Schulsport und das Lernen mit Bewegung in den anderen Fächern und Lernbereichen einschließt. Empirische Ausgangspunkte ergeben sich aus den Evaluationen von Lehrveranstaltungen, die im Rahmen des Qualitätsmanagements universitärer Alltag geworden sind. Hinzu kommen die Erfahrungen der Lehrenden, um Lehre weiter zu entwickeln. Eine Studierendenevaluation zur Situation am ISBW stellt ein Spezifikum des Re-Zertifizierungsprozesses 2019/20 dar. Diese für alle Belange der Studierenden von der Fachschaft Sport durchgeführte Evaluation ergab eine Reihe bedeutsamer Hinweise für die Überarbeitung der Studiengänge.
Bevor die Ergebnisse der Studierendenevaluation vorgestellt werden, wird der personelle Aufbau des ISBW reflektiert und das Lehr- und Kompetenzverständnis präsentiert.

Vorstellung des Instituts für Sport- und Bewegungswissenschaften

Das ISBW der UDE ist mit insgesamt 24 Mitarbeitenden in drei Arbeitsbereichen (Bewegungs- und Trainingswissenschaft / Biomechanik des Sports, Sozialwissenschaften des Sports, Sportpädagogik & -didaktik) das personell am geringsten ausgestattete Sportinstitut in NRW. Im Wintersemester 2019/2020, in dem ein erheblicher Teil der in diesem Beitrag reflektierten Aktivitäten im Rahmen der Re-Zertifizierung stattgefunden hat, sind 860 Studierende, davon 185 im Master, eingeschrieben. Sie verteilen sich auf je vier lehramtsbezogene Bachelor- und fünf Masterstudiengänge mit den Lehramtsoptionen Grundschule (2 x Master), Haupt-, Real, Sekundar- und Gesamtschule, Gymnasium / Gesamtschule und Berufskolleg. Für den Prozess der Re-Zertifizierung von besonderer Bedeutung sind die nach der letzten Revision der Studiengänge eingetretenen Neubesetzungen der drei Professuren.

Lehr- und Kompetenzverständnis am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften

Wesentlicher Bezugspunkt für die Entwicklung von Lernsettings und der damit verbundenen Leistungsüberprüfung in den Modulen ist das konstruktivistische Lernparadigma. Ansätze, wie z. B. das situierte Lernen, deren Konzeptualisierungen auf Arbeiten von James, Vygotsky, Dewey oder Mead (James, 2010) zurückgehen, sehen Lernende nicht als passive Rezipienten, sondern als aktive Konstrukteure ihres Wissens an. Der Komplexität der aktiven Wissenskonstruktion der Studierenden am ISBW soll vor diesem Hintergrund sowie im Zusammenhang mit den durch die Re-Zertifizierung angestoßenen Entwicklungsmaßnahmen auch in kompetenzorientierten Formen der formativen und summativen Leistungsüberprüfung zum Nachweis des Könnens sowie der Performanz, Rechnung getragen werden. Kompetenzen werden dabei verstanden als

„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (Weinert, 2001, S. 27).

Orientiert an den aus Abb. 3 zu entnehmenden Dimensionen der Kompetenzentwicklung nach Terhart (2007) geht es in den Lehrveranstaltungen am ISBW um Impulse zum Wissenserwerb (oben links), um Beiträge zur Entwicklung einer pädagogischen Haltung (oben rechts) und die Ausprägung von Handlungsfähigkeiten bzw. Performanz im Verständnis von „Didaktisieren“ (unten).
Alle Lehrveranstaltungsformen dienen dazu, den unterschiedlichen Dimensionen der Kompetenzentwicklung zuträglich zu sein. In den weniger dialogischen Vorlesungen werden in besonderer Weise Beiträge zum Wissenserwerb geleistet. Projektorientierte Lehrveranstaltungen sind stärker rechts im Modell zu verorten. Veranstaltungen der „Didaktik und Methodik der Sportbereiche und Bewegungsfelder“ sind durch die untenstehende Dimension der „Handlungsfähigkeiten“ geprägt.
Für unsere Lehrentwicklungsarbeit relevant ist das mit diesem Modell verbundene Verhältnis von „Kenntnissen / Wissen“ und „Handlungsfähigkeiten“. Letzteres kommt verstanden als Praxis für Sportstudierende zunächst als ihr eigenes Handeln als Sportler*in in den Blick. Sportstudierende erwerben Kompetenzen in der Sportpraxis mit Anteilen, die im Positionspapier der dvs (2019, S. 2) mit mindestens 40 % veranschlagt werden. Dabei geht es um die zum Verständnis, zum Lernen aber auch zum kritischen Hinterfragen der Fachpraxis notwendigen Wissensbestände aus den sportwissenschaftlichen Teildisziplinen. Es bietet sich eine komplexe, in dieser Form besonders lehrreiche, gleichermaßen aber auch wiederholt recht kritisch kommentierte Konstellation an (jüngst Rode, 2020). Die Praxis soll einen Mehrwert im Sinne eines Bewährungsfeldes der Theorie darstellen. Es verbinden sich des weiteren Ansprüche an den Erwerb von Vermittlungskompetenzen mit diesen Lehrveranstaltungen (dvs, 2019, S. 2).
Neuber (2016) sortiert mit Bezügen zu Arbeiten von Patry (2014) die unterschiedlichen Formen der Praxen Sportstudierender als „erlebte“, „erteilte“, „beobachtete“ und „erzählte“ Praxis. Auf der Ebene der Theorie geht es um Theorien, mit denen sich der Anspruch verbindet, Referenz für die Praxis zu sein und Theorien, die das Verhältnis zwischen diesen Theorien und der Praxis zu bestimmen versuchen. So zeigt sich also auch in der Sportlehrkräftebildung ein eingehender Diskurs wie in der Lehrerbildung insgesamt (vgl. exempl. Neuweg, 2011).
Zum Verhältnis von Theorie und Praxis, das für unsere Lehrentwicklungen bedeutsam ist, sind Vorstellungen der Theorie-Praxis-Relationierung richtungweisend. Diese legen den „Schwerpunkt auf den Akteur und seine Verarbeitungsprozesse“ (Makrinus, 2013, S. 65). Wissenschaft stellt mittels Theorien Deutungsangebote bereit, die Selektion und Verwendung wird durch die Praktiker selbst bestimmt. Beide, also die Deutungsmöglichkeiten der Wissenschaft und der Praxis, werden zueinander in Beziehung gesetzt und in ihren Unterschiedlichkeiten voneinander abgegrenzt.
Zur Herstellung einer Kongruenz zwischen einer kompetenzorientierten Lehre und Leistungsmessung muss letztere primär auf analytische sowie problemlösende Fähigkeiten und weniger auf die reine Wissensreproduktion abzielen, um einer „authentischen Leistungsmessung“ (authentic assessment) zu entsprechen. Als hierzu besonders geeignete Überprüfungsformate zählen z. B. „authentic performance tasks, simulations, portfolios, journals, group projects, exhibitions, observations, interviews, oral presentations, self-evaluation, peer-evaluation“ (Birenbaum, 1996). Der Kern dieser Formate besteht darin, dass sie Realitätsnähe mit Bezug auf die Lebenswelt und die zukünftigen beruflichen Anforderungen der Lernenden aufweisen (Kontextualisierung oder Situierung) sowie die Überprüfung vielfältiger fachspezifischer Fähigkeiten und die Anwendung von für die eigene Profession typischen Verfahren sowie mehrere richtige Lösungen (Divergenz) auf unterschiedlichen kognitiven Anforderungsniveaus ermöglichen.
Vor diesem Hintergrund werden die Kompetenzen in den Modulhandbüchern auf der Grundlage der Taxonomie von Anderson & Krathwohl (2001) beschrieben. Sie wird als kategoriales Raster aufgefasst, welches gerichtete Hinweise über mögliche Schwierigkeitsgrade der formulierten Kompetenzen zulässt. Die sechs Ausprägungen umfassende Taxonomie wird zu drei Kategorien verdichtet, wie es in der Literatur wiederholt berichtet wird (vgl. im Hochschulkontext z.B. bei Gehmlich, 2009):

  • Die Kategorie Erinnern und Verstehen meint die Formulierung von Kompetenzen, die primär auf die Kenntnis von Begriffen und das Erinnern von Informationen (typische Verben: identifizieren, abrufen, auflisten, erinnern, bezeichnen) sowie konzeptuelles Verständnis (typische Verben: beschreiben, erklären, zusammenfassen) fokussieren.
    • Der Nachweis von Kompetenzen in dieser Kategorie kommt beispielsweise in den Modulprüfungen zu den Einführungsvorlesungen sowie in den theoretischen Teilen der sportpraktischen Veranstaltungen zum Tragen, z. B. im Modul A „Einführung in die Sportwissenschaften“: Die Studierenden kennen Gegenstand, Problemstellung und Erkenntnismodelle der Sportwissenschaft. Das jeweils erworbene Wissen wird durch offene und geschlossene Fragestellungen überprüft.
  • Die mit der Kategorie Anwendung verbundenen Kompetenzformulierungen legen den Schwerpunkt auf die Anwendung von Informationen und Konzepten auf neue Situationen (typische Verben: anwenden, übertragen).
    • Zu dieser Kategorie ist der Nachweis von Kompetenzen in einer Reihe von Modulkontexten zu erbringen. Bspw. sollen die Studierenden im Modul E „Grundlagen der Didaktik“ in der Veranstaltung E2 „Lehren in verschiedenen Settings – Outdoor Winter“ die spezifischen Sicherheitsbedingungen kennen und diese anwenden können. Zur authentischen Überprüfung dieser Kompetenzerwartung leiten die Studierenden kleinere Lehreinheiten unter Berücksichtigung der spezifischen Sicherheitsbedingungen am jeweiligen Exkursionsort an (z. B. im Rahmen der Skiexkursion):
  • Die mit der Kategorie Problemlösung verschränkten Kompetenzformulierungen beziehen sich auf analytische Leistungen, einschließlich der Fähigkeit, Schemata und Beziehungen von zugrundeliegenden Komponenten zu identifizieren und zu reflektieren. Hierzu gehören außerdem die Synthese von Informationen und/oder die Verknüpfung neuer Informationen mit bekannten Wissensbeständen sowie die begründete Beurteilung von Ideen, Evidenzen und Logiken (typische Verben: analysieren, beurteilen).
    • Der Nachweis von Kompetenzen ist ebenfalls in verschiedenen Modulen zu erbringen. Insbesondere in Verbindung mit den Studienprojekten und Abschlussarbeiten in der BA- und MA-Phase sind Studierende herausgefordert, analytische Leistungen unter Beweis zu stellen. Aber auch in den Seminaren wird diese Leistung insbesondere in der Masterphase angesteuert. Beispielsweise ist die Abschlussprüfung im Modul N „Didaktik des Schulsports“ so konzipiert, dass die Studierenden zunächst die Ergebnisse ihres Studienprojekts aus dem Praxissemester vorstellen und mit ihren Kommiliton*innen diskutieren. Im Anschluss daran erfolgt eine mündliche Prüfung, in der ihnen Szenarien aus dem zukünftigen Schulalltag als authentische Probleme vorgestellt werden, zu denen sie auf der Grundlage ihres Wissens aus dem Studienprojekt, der Grundlagentexte des Moduls und weiterer Seminarinhalte komplexe Lösungsstrategien entwickeln sollen (z. B. zur Planung einer Fortbildung zum Thema „Geschlechtersensibler Sportunterricht“).

Die Formulierung von Kompetenzen mit unterschiedlichen kognitiven Anforderungsniveaus ist in den Modulhandbüchern in Wissens- (Die Studierenden kennen / wissen …) und Könnens-Aussagen (Die Studierenden können …) organisiert.

Studierendenevaluation am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften

Die für den Prozess der Re-Zertifizierung vorliegenden Ergebnisse einer von der Fachschaft Sport initiierten Studierendenevaluation beruhen auf Aussagen von 131 schriftlich befragten Studierenden. Die Ergebnisse lassen sich auf Anforderungen

  • an eine auszubauende Spezifität von Lehrangeboten, worunter ein vermehrtes Angebot an lehramtsspezifischen Veranstaltungen gemeint ist,
  • zur Erhöhung des Angebots im Bereich der Theorie und Praxis der Sportbereiche und Bewegungsfelder,
  • zur Reduktion der Projekte und
  • an ein Mehr an Lehrinhalten im Bereich des wissenschaftlichen Arbeitens verdichten und beinhalten zudem den Wunsch nach
  • mehr Unterrichtsversuchen im Studium und
  • eine größere Übereinstimmung zwischen den Lehrinhalten und Prüfungsanforderungen.

PROZESSE UND PRODUKTE IM RAHMEN DER RE-ZERTIFIZIERUNG AM INSTITUT FÜR SPORT UND BEWEGUNGSWISSENSCHAFTEN DER UNIVERSITÄT DUISBURG-ESSEN

Unter den zuvor dargestellten institutionellen Voraussetzungen, geprägt durch das leitende Lehr- und Kompetenzverständnis und unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Studierendenevaluation wurden, in einer die Revision der Studiengänge in Gang setzenden Auftaktveranstaltung, strategische Ziele festgehalten sowie Strukturen und Arbeitsschritte vereinbart. Sie werden im Folgenden bis zu exemplarischen Hinweisen zu einem Revisionsanliegen dargestellt.

Strategische Ziele für die Revision der Studiengänge am Institut für Sport- und Bewegungswissenschaften

Auf einer die Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden abzielenden Ebene lässt sich mit Öffnung und Schließung ein strategisches Ziel für den Re-Zertifizierungsprozess benennen. Gemeint ist damit, dass den durch Rahmenbedingungen wie dem Zeitfenstermodell für die Lehramtsfächer, der Vorgabe, dass Module in zwei Semestern studiert werden müssen usw. verbundenen recht geschlossenen Studienstrukturen Momente der bewussten Entscheidung für Lehrveranstaltungen (Öffnung) an die Seite gestellt werden sollen. Damit wird die Hoffnung auf die Initiierung einer Selbstreflexion auf Studierendenseite verbunden.
Im Sinne einer wahrzunehmenden Kohärenz von Studien- und Prüfungsanforderungen aufseiten der Studierenden wird zudem die Notwendigkeit einer hohen Stimmigkeit von Lehr- und (anspruchsvollen) Prüfungsinhalten herausgehoben. Als dritte übergreifende Linie, die bei der Revision der Studiengänge besondere Aufmerksamkeit erfahren sollte und mit dem Leitbild der Stimmigkeit in engem Zusammenhang steht, ist die wiederkehrende Reflexion anstehender Entscheidungen dahingehend, dass den Studierenden der rote Faden durch das Studium möglichst gut erkennbar werden muss. Bedeutend ist zudem die Forderung, zukünftig ein stärkeres Engagement im Bereich des Kompetenzerwerbs der Studierenden zum Wissenschaftlichen Arbeiten zu entfalten. Weitere Vorstellungen betreffen vermehrte Vermittlungsbezüge in die Lehre zu implementieren. Die Vorstellung, dass sich ein gutes Studium durch eine Begleitung der Studierenden kennzeichnet, wird über den Hinweis Mentoring erkennbar.
Am Beispiel Wissenschaftliches Arbeiten wird nachfolgend ein Einblick in die Arbeit in den Modulkonferenzen im Rahmen der Re-Zertifizierung gegeben.

Das Entwicklungsvorhaben „Stärkung des wissenschaftlichen Arbeitens“

Dieses Vorhaben zur Stärkung wissenschaftlichen Arbeitens sollte einerseits die Förderung von Kompetenzen in der Recherche, Verwaltung und Auswertung von Literatur sowie in der Gestaltung wissenschaftlicher Textsorten (z. B. Exposé) und andererseits die Etablierung forschungsbezogener Kompetenzen in der Planung, Auswertung und Interpretation von Daten adressieren. Am Beispiel des Bachelor-Studiengangs Sport mit den Lehramtsoptionen Gymnasium / Gesamtschule (Gy/Ge) und Berufskolleg (BK) erfolgen nachfolgend Einblicke in dieses Entwicklungsvorhaben, welche sich strukturell auf den von Brahm et al. (2016b) beschriebenen Ebenen verorten lassen:

Ebene der Lernumgebungen:

  • Zieldimensionen: Nach Brahm et al. (2016b) gilt es, auf dieser Ebene vor allem didaktische Kernfragen zu den Zielen sowie den an den Lernvoraussetzungen der Studierenden angepassten Inhalten und Methoden, lernförderlichen Interaktionen und Überprüfungsformaten auf der Ebene der einzelnen Veranstaltungen zu beantworten.
  • Realisierung: Hierzu wurden insbesondere die beiden Module D „Grundlagen sportwissenschaftlichen Arbeitens“ (2. Semester) und K „Vertiefung sportwissenschaftlichen Arbeitens“ (5./6. Semester) neu entwickelt (vgl. Spalte 2+3 in Abb. 4). Im Rahmen von zwei in Modul D verpflichtenden Seminaren zum Thema „Einführung in das sportwissenschaftliche Arbeiten“ erhalten die Studierenden verschiedene Lerngelegenheiten, um wissenschaftliche Quellen und Daten vor dem Hintergrund einer Forschungsfrage zu finden, zu bearbeiten, zu interpretieren und adressatengerecht zu präsentieren. In einer Portfolioprüfung erstellen sie hierzu ein wissenschaftliches Exposé sowie eine Gliederung und ein Literaturverzeichnis, in welchem die erworbenen Kenntnisse und Kompetenzen des Moduls angewendet werden. Zuvor haben die Studierenden ihre Fähigkeiten in der fachspezifischen Literaturrecherche und softwarebasierten Literaturverwaltung (Citavi oder Endnote) durch die Nutzung von zwei in Kooperation mit der Universitätsbibliothek der UDE entwickelten Blended-Learning-Kursen vertiefen können (linke Spalte in Abb. 4). Im Rahmen von zwei weiteren in Modul K verpflichtenden Seminaren vertiefen die Studierenden ihre Grundlagen wissenschaftlichen Arbeitens vor dem Hintergrund sozial- oder geistes- und naturwissenschaftlicher Fragestellungen in Bewegung, Spiel und Sport. Dabei erlangen die Studierenden in Verbindung mit der Anfertigung einer Projektarbeit die Fähigkeit zur Erschließung, kritischen Sichtung und Präsentation von Forschungsergebnissen und sind in der Lage, wissenschaftliche Methoden und qualitative und / oder quantitative Auswertungsstrategien in Vorbereitung auf die Bachelorarbeit (6. Semester) anzuwenden. Darüber hinaus werden in der Masterphase Methodenlabs zu den empirischen Anforderungen im Praxissemester genutzt.

Ebene der Studienprogramme:

  • Zieldimensionen: Nach Brahm et al. (2016b) steht hier v. a. die Erzeugung einer kohärenten Struktur im Vordergrund, um „die in den einzelnen Kursen verfolgten Ziele auf einen Gesamtrahmen auszurichten“ (S. 31).
  • Realisierung: Bislang wurden Aspekte wissenschaftlichen Arbeitens zu einem späten Zeitpunkt an die Veranstaltung „Natur- bzw. Sozialwissenschaftliches Studienprojekt“ im 6. Fachsemester (rechte Spalte in Abb. 4), also unmittelbar vor der Anfertigung der Bachelorarbeit, geknüpft. Da die Studierenden jedoch bereits im 3. Semester im Modul E in der Veranstaltung „Didaktik des Sports“ eine wissenschaftliche Hausarbeit anzufertigen haben, erschien es adäquat, diese Inkongruenz durch das Vorziehen und die Erweiterung des bestehenden Lernangebots in die Studieneingangsphase aufzulösen. Hierbei wurde eine modulübergreifende Struktur erstellt (vgl. Abb. 4). In dieser Logik wurden auch für die anderen Studiengänge neue Angebote kreiert.

Ebene der Organisation:

  • Zieldimensionen: Nach Brahm et al. (2016b) sind auf dieser Ebene Fragestellungen der strukturellen „Verankerung der lehr- und studienbezogenen Aktivitäten in der Aufbau- und Ablauforganisation der Hochschule“ (S. 31) verortet. Im Fokus stehen insbesondere Fragen zur Lernkultur, zur materiellen und personellen Infrastruktur, zu den regulierenden Instrumenten, zu Kompetenzvorgaben sowie zu Regeln zur Komplexität von Modulen und zur Anzahl von Prüfungen.
  • Realisierung: In diesem Vorhaben wurden in den Modulen D und K gemäß des bereits skizzierten Lehrverständnisses am ISBW möglichst authentische Lern- und Prüfungsformate in Verbindung mit den Kompetenzvorgaben angelegt. Ein authentisches Prüfungsformat findet sich beispielsweise in Verbindung mit dem Erwerb des Bibliotheksscheins wieder. Nachdem die Studierenden in einer Schulung (online oder vor Ort) die Grundlagen einer fachspezifischen Literaturrecherche erworben haben, sollen sie diese anhand der Durchführung einer Rechercheaufgabe zu einer aktuellen Thematik (z. B. Digitalisierung im Sportunterricht) demonstrieren. Die Modulkomplexität und Anzahl an Prüfungen orientiert sich an den in der Gemeinsamen Prüfungsordnung für Lehramtsstudiengänge an der UDE verankerten Vorgaben.

Change Management / Change Leadership:

  • Zieldimensionen: An dieser Stelle geht es Brahm et al. (2016b) zufolge insbesondere um die Frage, wie angestrebte und kontinuierliche Veränderungsprozesse für die angestrebte Innovation in Lehre und Studium in einer als ‘lose gekoppelten‘ Expertenorganisation mit kollegialer Kultur gesteuert werden können.
  • Realisierung: Das Vorhaben wurde durch eine aus allen Statusgruppen und Studierendenvertreter*innen zusammengesetzten Arbeitsgruppe (AG Re-Zertifizierung) koordiniert. Von dieser ging ein Entwicklungsauftrag an Kolleg*innen mit entsprechender Expertise, die sich als Modulverantwortliche in Modulkonferenzen mit weiteren Kolleg*innen in die Ausgestaltung der angestrebten Lehrinnovation begeben haben. Die AG Re-Zertifizierung leitete den Prozess in monatlichen Sitzungen, der sich über rund ein Jahr erstreckte und mit mehreren Feedbackschleifen zu den Kernthemen auf den Ebenen der Lernumgebung, der Studienprogramme und der Organisation verbunden war. Beispielsweise erging von der AG Re-Zertifizierung der Auftrag an interessierte und durch ihre Expertise hierfür geeignete Kolleg*innen, das Modul D „Grundlagen sportwissenschaftlichen Arbeitens“ neu zu konzipieren. In einem ersten Schritt traf man sich hierzu in mehreren Sitzungen, um einen den strukturellen Vorgaben des Modulhandbuchs entsprechenden Vorschlag vorzubereiten. Dieser wurde in einem zweiten Schritt im Rahmen einer Klausurtagung des ISBW dem Kollegium zur Diskussion vorgelegt. In einem dritten Schritt kam die beauftragte Kleingruppe zusammen, um die Diskussionspunkte aus der Klausurtagung einzupflegen und den Vorschlag der AG zu unterbreiten. In einem vierten Schritt wurde der Vorschlag in der AG diskutiert und mit einigen Nachfragen an die beauftragte Kleingruppe zur Kommentierung zurückgegeben. In einem letzten Schritt kam es zur erneuten Vorlage des Vorschlags und Genehmigung in der AG Re-Zertifizierung.

FAZIT & AUSBLICK

Im engen Zeitgerüst des Qualitätsmanagements der UDE hat das Kollegium des ISBW in rund eineinhalb Jahren seine Studiengänge einer kritischen Revision unterzogen, Impulse aus verschiedenen Quellen für eine Strategie zeitgemäßer Lehrerbildung im Fach Sport aufgenommen. Hierdurch konnte, zumindest für den Moment, eine neue Studieneingangsphase mit Angeboten zur Sportpraxis ab dem ersten Fachsemester, eine größere Stimmigkeit zwischen den Lehr- und Prüfungsformaten, die Etablierung fachspezifischer Angebote zum wissenschaftlichen Arbeiten und Forschen, eine größere Flexibilität (Öffnung vs. Schließung) sowie Ausdünnung von Studienprojekten hergestellt werden.
Beginnend mit den Evaluationen der Studierenden in den ersten Lehrveranstaltungen der revidierten Studiengänge startet der Vergewisserungsprozess darüber, welche Maßnahmen sich bewährt haben und welche dem Kompetenzerwerb der Studierenden weniger zuträglich sind. In Qualitätskonferenzen wird ein Austausch darüber erfolgen, Follow-ups werden festgelegt und Szenarien der Umsetzung erarbeitet usw., bis nach einigen Jahren der Prozess von Neuem beginnt.
Das Modell „Pädagogische Hochschulentwicklung“ von Brahm, Jenert & Euler (2016a) hat sich zur Initiierung und Steuerung des Prozesses als tragfähig erwiesen. Die Orte der Lehrentwicklung sind die Modulkonferenzen. Die sich darin sammelnde Expertise kann nicht hoch genug geschätzt werden. Ihr Selbstverständnis hin zu einer ausgeprägten Verantwortungsübernahme für gute Lehre gilt es zu fördern. Zentrale Bedeutung für die Arbeiten hat die AG Re-Zertifizierung, in der im vorliegenden Falle der Studiengangmanager mitgewirkt hat. Sie steuert den Prozess, in dem sie die Einzelmaßnahmen bündelt, Transparenz über sie herstellt und in die falsche Richtung weisende Entwicklungen frühzeitig unterbindet.
Hinsichtlich der zu Beginn der Arbeiten zu klärenden strategischen Ausrichtung der Arbeit prägt eine Fülle von Referenzen der eigenen Institution, der Fachgesellschaft und der beteiligten Personen die Positionierung. Die gesetzten Ziele lassen sich als Synthese daraus verstehen. Damit ist der Forderung von Brahm et al. (2016b), dass die strategischen Ziele keine wenig verbundene Addition von Teilzielen sein mögen, nur schwer zu entsprechen. Das Ringen um die großen Linien der Ausrichtung der Arbeit im ISBW lässt sich in die ambivalenten Diskussionen in Folge der Bologna-Reformen um Hochschulen als „Disziplinäres vs. College- bzw. Tutorialsystem“ (Schrittesser 2009a, S. 60, 2009b, S. 10) und „Berufsfähigkeit vs. Beschäftigungsfähigkeit“ (UDE, 2015, S. 21) einordnen. Die jeweils erstgenannten Leitbilder und damit eine zum Teil zurückzuführende „Verschulung universitärer Bildung“ am ISBW scheinen leitend und gleichermaßen eine enge Begleitung der Studierenden im Sinne der Hochschule als Tutorialsystem gewünscht. Es bleibt spannend zu verfolgen, wohin uns die weiteren Entwicklungen führen.

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DOI

DOI: 10.25847/zsls.2020.029

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