Deutsche Turnliga wagt Wiedereinstieg ins Wettkampfgeschehen

Am 03. Oktober 2020 wagte die Deutsche Turnliga mit dem ersten Wettkampftag in der 1. Liga den Wiedereinstieg ins Wettkampfgeschehen. Die Ligen 2 und 3 starten am darauffolgenden Wochenende in die neue Saison. Die Siegerländer Kunstturn-Vereinigung (SKV), Heimatverein von Dr. Jonas Rohleder vom Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten, startete gleich zum Auftakt mit einem Überraschungssieg gegen den amtierenden Deutschen Meister KTV Straubenhardt. Jonas stand uns im Nachgang für ein paar Fragen zur Verfügung:

IVKS:

„Ganz allgemein: Wie erging es Euch nach dieser langen Pause beim ersten Wettkampf der Saison?“

Jonas:

„Zunächst zum Sportlichen: Dieser Erfolg, basierend auf der hohen Fehlerquote der Straubenhardter, war so nicht vorhersehbar. In unserer Mannschaft war eine gewisse Gelassenheit zu spüren, weil in den vergangenen Wochen und Monaten alle Turner in Anbetracht der Situation auch ihre Rucksäcke außerhalb der Turnhalle zu tragen hatten. Hier lag der Druck, den unwirklichen Rahmenbedingungen beim Neustart trotzdem Stand zu halten, eindeutig auf Seiten der Gastmannschaft.“

IVKS:

„Du sprichst von unwirklichen Rahmenbedingungen in den vergangenen Monaten. Äußern sich diese auch im Wettkampf selbst?“

 Jonas:

„Definitiv. Die Deutsche Turnliga, die in der Administration selbst überwiegend durch Ehrenamt gestemmt wird, hat in Abstimmungen mit dem Deutschen Turner-Bund in den vergangenen Monaten auf Hochtouren an der Erarbeitung eines realisierbaren Konzepts gearbeitet. Wesentliche Eckpunkte sind die Reduktion der Wettkämpfe durch eine Separierung der Liga in zwei Gruppen sowie die Wettkampfdurchführung gänzlich ohne Zuschauer. In der Wettkampfsituation ist auch durch die Athleten eine Mund-Nase-Schutz-Maske zu tragen, sofern sie nicht im Halleninnenraum an die Geräte gehen. Wöchentlich ist die Symptomfreiheit zu quittieren.“

IVKS:

„Das klingt komplex. Wie sind Deine Eindrücke zu diesem eingeschlagenen Weg?“

Jonas:

„Komplex trifft es auf dem Punkt. Wettkampfreduktion und Zuschauerverbot sind zunächst auch herbe wirtschaftliche Einschnitte für die Vereine und auch die Deutsche Turnliga. Hinsichtlich des Infektionsschutzes in der Wettkampfsituation muss man ehrlicherweise sagen, dass gegenwärtig ein Konzept auf dem Papier etwas anderes ist als dessen Handhabung in der Praxis - wie in so vielen anderen Bereichen des Lebens aktuell auch. Eine bestmögliche Trennung gegnerischer Mannschaften ist außerhalb des Halleninnenraumes kaum realisierbar. Man hat es mit Menschen zu tun, die sich gegenseitig kennen. Ohne neutrales Personal, das genau für die Einhaltung derartiger Regularien vor Ort ist, ist man hier als ausrichtender Verein nahezu chancenlos.“

IVKS:

„Das ist zweifellos eine schwierige Situation im Sport. Ziehst Du daraus auch Rückschlüsse für die Präsenzveranstaltungen in der Sportpraxis an der Sporthochschule?“

Jonas:

„Puh, das wird wohl eine etwas längere Antwort. Also: Gegenwärtig kann es niemanden geben, der fundiert sagen kann, was richtig oder falsch ist – in der Deutschen Turnliga, an der Sporthochschule oder in anderen Bereichen. Entscheidungen können daher nur multifaktoriell abgewogen werden und auch ein subjektives Bauchgefühl kann ausschlaggebend sein. Mein persönliches subjektives Bauchgefühl priorisiert eindeutig die Risikominimierung in puncto Infektionsschutz. Der punktuell spürbare Trend des Septembers 2020, trotz steigender Infektionszahlen konzeptionelle Lockerungen zu erwägen, widersagt mir persönlich als gangbarer Weg für die sportpraktische Präsenzlehre an der Sporthochschule im Wintersemester 2020/2021. Trotz enormen Respekts und Verständnisses für Bestrebungen für einen einheitlichen kleinsten gemeinsamen Nenner sind aus meiner Sicht sportart- und auch sportstättenspezifische Betrachtungsweisen unerlässlich. Denn die beschriebene Erkenntnis, die mir das erste Ligawochenende mit zwanzig Turnern nochmals bestätigt, gilt umso mehr für hunderte Studierende auf dem Campus: Man hat es mit Menschen zu tun, die sich gegenseitig kennen. Wenn wir Rahmenbedingungen fixieren sollten, die in der realen Umsetzung an ihre Grenzen stoßen, werde ich zweifellos besorgt ins Wintersemester starten. Demnach: Ich bin eindeutig eher der defensive Typ, der für den Fall der Fälle am Ausbau eines digitalen Plan B in der e-Lehre arbeitet. Ob dies eine Option ist, muss sportart- und veranstaltungsspezifisch abgewogen werden. Gegenwärtig würde ich Einbußen durch reduzierte sportpraktische Lehre (z. B. mittels Präsenzlehre mit halbierten Kursgruppen im wöchentlichen Wechsel) dennoch digital bestmöglich kompensieren und zu Gunsten reduzierten Gesundheitsrisiken in Kauf nehmen wollen.“

IVKS:

„Vielen Dank für das Gespräch.“

Jonas:

„Gern!“