Skateboarding als Mobbingprävention in der Schule

Schulen spielen eine entscheidende Rolle bei der Förderung des sozialen Miteinanders und der Entwicklung von Schülerinnen und Schülern über die reinen Lehrinhalte hinaus. So suchen Lehrkräfte und Beschäftigte in Schulen und im schulischen Umfeld immer nach Möglichkeiten, interpersonelle Beziehungen zwischen Kindern und Jugendlichen zu verbessern und wichtige Lebenskompetenzen zu schulen. Skateboarding kann in diesem Zusammenhang eine wertvolle Ergänzung sein und Teil eines umfassenden Ansatzes zur Mobbingprävention. Wir haben mit Michael Gorissen, Schulsozialarbeiter an der Europaschule Köln, gesprochen. Er hat an der Lehrerfortbildung „Skateboarding in der Schule“ teilgenommen und Skateboarding an seiner Schule mittlerweile erfolgreich etabliert.

Universitäre Weiterbildung: „Warum haben Sie an der Lehrerfortbildung „Skateboarding in der Schule“ teilgenommen? Können Sie uns etwas zu Ihrem Hintergrund erzählen?“

Michael Gorissen: „Ich arbeite seit 20 Jahren als Schulsozialarbeiter an einer Gesamtschule, der Europaschule Köln und skate seitdem ich 13 Jahre alt bin. Allerdings nicht wirklich intensiv, so dass ich mich selbst nicht als guten Skateboarder bezeichnen würde – aber das war für mein Vorhaben auch unerheblich. Ich wollte das Skateboarding an meiner Schule etablieren mit dem Ziel der Mobbingprävention, d.h. es sollte ein Beschäftigungsangebot geschaffen werden, das auch den Schülerinnen und Schülern eine Alternative bietet, die keinen Platz so richtig und keine Lobby haben, die sich z.B. in den klassischen Sportarten wie insbesondere im Fußball nicht zuhause fühlen, dort nicht glänzen können und dadurch schnell zum Außenseiter werden.

Vor ungefähr zwei Jahren habe ich dieses Vorhaben umsetzen können und wir haben an unserer Schule jetzt eine Miniramp, also eine kleine Halfpipe, im Innenraum stehen, die wetterunabhängig das ganze Jahr genutzt werden kann. Und wir sind dabei, noch ein paar weitere Elemente wie Quarterpipe etc. aufzubauen.

Insbesondere in der Mittagspause ist dies zu einem beliebten Treffpunkt geworden, um zu skaten, aber auch um beim Skaten zuzuschauen, Musik zu hören und zu quatschen. Viele Schülerinnen und Schüler fangen nach einigem Zuschauen einfach an, es selbst auszuprobieren – ganz ohne Druck. Zusätzlich bieten wir AGs im Nachmittagsbereich an, die man auch gut altersübergreifend umsetzen kann.

Als ich daher vor ein paar Monaten auf die Fortbildung zum Skateboarding an der Sporthochschule aufmerksam wurde, wusste ich daher sofort, da muss ich hin. Ich wollte lernen, wie man Skateboarding wirklich beibringt, also Übungsreihen methodisch-didaktisch richtig aufbaut, um die Kinder bestmöglich zu unterstützen. Bisher hatte ich das nur nach eigenem Gutdünken gemacht und weitergegeben, wie ich es selbst gelernt habe. Es gibt auch nicht wirklich viel Lektüre dazu. Daneben ist es für mich tatsächlich hilfreich, eine offizielle Bescheinigung über eine Fortbildung zu dem Thema in der Hand zu halten, um ganz anders auftreten zu können gegenüber Kolleg*innen und Eltern, die möglicherweise Zweifel und Bedenken äußern. So kann ich zeigen, das Ganze ist wirklich durchdacht, vernünftig und verfolgt ein klares Ziel.“

„Welche theoretischen Inhalte wurden Ihnen in der Fortbildung vermittelt? Was war für Sie besonders interessant?“

Gorissen: „Am wichtigsten war für mich das Erlernen der Didaktik und Methodik im Skateboarding. Uns wurde eine komplette Unterrichtsreihe für die Einführung des Skateboardings in der Schule vorgestellt und wir haben ganz konkrete Tipps für die Umsetzung mit nach Hause nehmen können. Dass das so praxisnah war und ich das sofort so 1:1 an der Schule umsetzen konnte, war für mich sehr hilfreich. Wir haben auch besprochen, wie man das mit kleineren Kindern ganz spielerisch angehen kann. Daneben fand ich den sportpsychologischen Teil besonders spannend, also welche Motive Kinder und Jugendliche zum Skateboarding führen, was der Sport und das Beisammensein in der Gruppe bewirkt und wie Kinder davon profitieren können. Darüber hinaus haben wir von Prof. Dr. Maurice Balke sportmedizinische Grundlagen vermittelt bekommen sowie Details über sportartspezifische Verletzungen und deren Prävention. Da war Einiges neu für mich. Auch die Geschichte des Skateboardings wurde thematisiert, was spannend war, um die Herausforderungen dieser Sportart zu verstehen.“

„Welche praktischen Fähigkeiten haben Sie in Bezug auf das Beibringen des Skateboardings erworben?“

Gorissen: „In den Praxiseinheiten haben wir bei den absoluten Basics angefangen, also wie man Kindern, die noch nie mit einem Skateboard in Berührung gekommen sind, das Skateboarding beibringen kann. Das geht mit der Beschreibung der Skateboards los, denn nur wenn die Kinder wissen, wie sie etwas benennen können, kann man gemeinsam dazu sprechen, d. h. das Kennenlernen der Begriffe Achse, Rolle, Deck, Griptape, was sind Nose und Tail bei einem Skateboard etc. Es wurde gezeigt, wie man mit den Kindern gemeinsam herausfinden kann, mit welchem Bein sie vorne stehen – regular oder goofy.

Anschließend ging es darum, wie man ganz grundlegende Bewegungen auf dem Skateboard vermittelt, also die richtige Standposition, Anfahren, verschiedene Bremsarten, Lenken durch Gewichtsverlagerung. Aber auch, wie man gut Hilfestellung gibt. Später haben wir kleine Anfängertricks im Flat durchgearbeitet, wie Milk Flip, Hippie Jump und Caveman, sowie fortgeschrittenere Techniken wie Roll-ins, Kick-turns und Ollies. Dabei hat der Referent sehr gut gezeigt, wie man die teilweise komplexen Tricks, wie beispielsweise einen Ollie, in einzelne Teile auseinandernehmen und so in kleinen Schritten langsam vermitteln kann. Das war extrem hilfreich. Manche von uns waren sehr erfahrene Skaterinnen und Skater, manche eher Anfänger – das ist aber für das Beibringen oft gar nicht entscheidend. Dennoch war es natürlich für die weniger Erfahrenen auch gut, selbst (wieder) ein bisschen reinzukommen.

Als Highlight kamen am zweiten Veranstaltungstag Kinder zwischen 7 und 12 Jahren dazu, damit wir das Gelernte direkt in die Praxis umsetzen konnten. Somit konnten wir schauen, wo es in der Umsetzung noch Probleme gibt, was die Herausforderungen sind, ob man alles verstanden hat oder wo es noch hakt. Das war wirklich klasse.“

„Wie werden Sie die erworbenen Kenntnisse und Fähigkeiten in Ihrer zukünftigen Arbeit anwenden? Und welche Inhalte werden Ihnen dabei besonders weiterhelfen?“

Gorissen: „Ich glaub, mir helfen ganz viele der eben erwähnten Inhalte weiter. Und darüber hinaus auch ein paar Dinge, die eher nebenbei vermittelt wurden. Zum Beispiel habe ich früher manchmal nicht unbedingt darauf bestanden, dass die Jugendlichen ihre Schutzausrüstung anziehen, wenn sie keine gewagten Tricks machen. Das ist jetzt definitiv vorbei. Wir haben daraufhin noch ein neues Set Schutzausrüstung angeschafft, so dass jetzt immer genug Schoner für alle da sind und es keine Ausreden mehr gibt. Somit kann Eltern und den Verantwortlichen in der Schule auch die Sorge vor Verletzungen genommen werden, denn mit Schonern und Helm passiert sicherlich nicht mehr als in anderen Sportarten.

Auch der Beginn der Stunden war bei mir bislang eher fließend, Inhalte spontan gewählt. Jetzt habe ich ein klares Konzept, fange mit Aufwärmübungen an und merke auch, wie wertvoll das ist, weil sich die Kinder dabei auch als Gruppe finden. Wer anschließend Lust hat, Tricks zu lernen, mit dem gehe ich das ganz gezielt an. Wer gerade nur auf eigene Faust herumrollern will, den lasse ich in Ruhe.“

„Wie haben Sie die praktische Umsetzung in der Schule geschafft? Man hört ja häufig, es fehle an Ressourcen und Platz, solche besonderen Sportarten auch wirklich zu implementieren oder es sei zu gefährlich.“

Gorissen: „Das war einfacher als gedacht. Das mögliche Verletzungsrisiko kann wie bereits beschrieben mit der richtigen Schutzausrüstung auf ein Minimum reduziert werden und war bei uns daher kein großes Thema, es fehlte aber noch die Ausrüstung. Ich hatte unserem neuen Schulleiter damals meine Idee geschildert, Skateboarding an unsere Schule zu bringen mit dem Ziel der Mobbingprävention. Das wurde schnell mein Projekt, ich habe Kosten und Möglichkeiten der Finanzierung und Räumlichkeiten erörtert. Der Schulleiter war grundsätzlich einverstanden und auch der Förderverein hat nach meiner Präsentation, welche Vorteile ein solches Angebot bringen würde, sofort zugestimmt. Tatsächlich haben wir schnell einen Raum gefunden, der für die Miniramp genutzt werden konnte. Sonst hätte man es aber natürlich auch draußen umsetzen können. Ich habe anschließend Kontakte zu unserem Skateshop in Köln „Concretewave“ geknüpft und zu „Crow Store“, einem Hersteller von Obstacles, damit wir eine TÜV-geprüfte Miniramp bekommen. Alles in allem inkl. Skateboards und Schutzausrüstung waren es Ausgaben von ca. 5.600 EUR. Diese konnten wir durch die Einnahmen eines Spendenlaufs und mit etwas zusätzlicher Unterstützung des Fördervereins gut berappen. Darüber hinaus haben wir von einigen Kolleg*innen und Bekannten noch hier und da alte Boards zur Verfügung gestellt bekommen. Da ist unser Sortiment schnell gewachsen.“

„Welche Alternativen haben Schulen, die weniger Budget oder Platz haben?“

Gorissen: „Das sollte kein großes Problem sein. Gerade für den Sportunterricht und AGs kann man ja auch die Turnhalle nutzen. Die Anschaffungskosten rein für Skateboards und Schutzausrüstung sind sehr überschaubar. Man braucht auch nie die Ausrüstung für eine komplette Klassenstärke, sondern kann im Buddy-System agieren, so dass sich immer zwei Schüler*innen ein Board teilen. Wir haben zum Beispiel 10 Skateboards und 15-mal Schutzausrüstung und kommen damit gut klar.

Und wenn man zusätzlich Obstacles nutzen will, muss es auch nicht gleich eine Miniramp sein, es reichen kleinere und deutlich weniger kostspielige Rampen. Der Crow-Store hat jetzt sogar ganz neu einen transportablen Mini-Skatepark im Angebot, den man mieten kann. Das wollen wir jetzt demnächst für unser Schulfest angehen.

Wer beim Förderverein auf taube Ohren stößt, für den gibt es aber auch noch andere Optionen. Wir haben dazu in der Weiterbildung sehr hilfreiche Tipps bekommen, wie wir Ressourcen beschaffen können. Dies kann zum Beispiel auch durch die Nutzung von öffentlichen Förderprogrammen von Krankenkassen o.ä. geschehen. Olaf Küsgens, der Referent der Weiterbildung, kann hier ganz konkret bei der Umsetzung helfen. Zudem wurden wir ermutigt, lokale Partnerschaften mit Jugendzentren, Skateshops oder Skatehallen aufzubauen. Hier gab es viele sehr anschauliche Praxisbeispiele und Informationen.“

„Ist die Fortbildung nur für Lehrer*innen geeignet oder wem würden Sie sie empfehlen?“

Gorissen: „Ich würde sie definitiv jedem empfehlen, der mit Kindern und Jugendlichen arbeitet und entweder ohnehin schon mal mit Skateboarding zu tun hatte oder sich vorstellen kann, das mal auszuprobieren. Und dann ist es ganz egal, in welcher Institution man arbeitet – ob in der Schule oder in einer Jugendeinrichtung, Jugendzentrum o.ä. und egal, ob man dort als Lehrer*in, Sozialarbeiter*in, Sozialpädagog*in, Erlebnispädagog*in, als Angestellte*r von Ganztagsangeboten oder sonst wie tätig ist.

Wichtig ist, zu verstehen, welche positiven Aspekte die Integration von Skateboarding in Kinder- und Jugendgruppen bietet. Von der Möglichkeit, Skateboarding an Schulen oder anderen Jugendeinrichtungen auszuprobieren, profitieren alle. Unmittelbar erstmal diejenigen, die wie eingangs erwähnt, eher Außenseiter sind bzw. Gefahr laufen, dies zu werden und in den klassischen Sportarten nicht so erfolgreich sind, aber natürlich auch alle anderen und damit vor allem die Gruppe insgesamt. Denn die positiven sozialen Aspekte wirken sich schnell auf die ganze Klasse bzw. die ganze Gruppe aus, so dass ein solches Angebot zur Mobbingprävention optimal ist.

Je mehr Menschen in dem Bereich weitergebildet werden, desto besser und breiter kann Skateboarding angeboten werden und so meiner Meinung nach mit all seinen Vorzügen zur Förderung insbesondere der sozialen und psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen beitragen.“

Fazit

Die Einbindung von Skateboarding in das schulische Umfeld kann sich als äußerst wirkungsvolle Maßnahme im Rahmen der Mobbingprävention erweisen. Das innovative Angebot von Schulsozialarbeiter Michael Gorissen an der Europaschule Köln schafft dort eine wertvolle Alternative für Schülerinnen und Schüler zu traditionellen Sportarten und zur Pausenbeschäftigung. Skateboarding ermöglicht kreativen Selbstausdruck und fördert ein starkes Gemeinschaftsgefühl. Im Vordergrund stehen nicht der Wettbewerb und der Sieg über andere, sondern das Teilen von Erfahrungen und das gemeinsame Genießen der Aktivität. Da es keine strikten Regeln gibt, können Kinder und Jugendliche ihren eigenen Stil entwickeln. Anders als in traditionellen Mannschaftssportarten sind sie nicht auf die Teilnahme an Wettbewerbsteams und dem damit einhergehenden Leistungsdruck angewiesen.

Die an der Deutschen Sporthochschule Köln angebotene Lehrerfortbildung zum Thema "Skateboarding in der Schule" vermittelt nicht nur die notwendigen methodisch-didaktischen Ansätze für die Vermittlung von Skateboarding-Fähigkeiten, sondern bietet darüber hinaus wichtige Inhalte aus den Bereichen Sportpsychologie und -medizin. Unabhängig von der beruflichen Position erweist sich diese Weiterbildung daher als empfehlenswert nicht nur für Lehrkräfte, sondern für alle Personen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Selbst Schulen mit begrenzten finanziellen Ressourcen und beschränktem Raumangebot können Skateboarding in ihren Schulbetrieb integrieren. Die bevorstehende Lehrerfortbildung "Skateboarding in der Schule" an der Deutschen Sporthochschule am 2. und 3. März 2024 stellt eine gute Gelegenheit dar, diese Expertise zu erwerben und Skateboarding als Instrument zur Förderung der sozialen und psychischen Entwicklung von Kindern und Jugendlichen zu nutzen. Ziel ist es, mit der Verbreitung dieses Wissens in einem breiteren Fachpublikum dazu beizutragen, die Vorteile von Skateboarding im Kontext der Mobbingprävention weiter zu etablieren.

Lehrerfortbildungen an der Sporthochschule Köln

Die Deutsche Sporthochschule Köln bietet diverse Lehrerfortbildungen im Sport an, die sich sowohl an Lehrer*innen, als auch an Sozialarbeiter*innen, Sozialpädagog*innen, Erzieher*innen und weiteres Personal richten, das mit Kindern und Jugendlichen im schulischen und außerschulischen Kontext arbeitet.

Die zweitätige Weiterbildung Skateboarding in der Schule vermittelt Lehrkräften die Theorie und Praxis, um Skateboarding auch ohne eigene Vorkenntnisse in den Sportunterricht zu integrieren. Inhalte umfassen methodisch-didaktische Grundlagen, sportpsychologische und -medizinische Aspekte. In der Praxis werden neben Sicherheitsaspekten Basisbewegungen und Tricks vermittelt.

 

Nächster Termin:

Samstag, 02.03.2024: 09:00 - 16:30 Uhr
Sonntag, 03.03.2024: 09:00 - 16:30 Uhr

 

Anmeldung:

Anmeldeschluss ist der 17.02.2024 (sofern noch freie Plätze verfügbar). Bitte beachten Sie, dass die Vergabe von Plätzen in der Reihenfolge des Eingangs der Anmeldungen erfolgt. Hier finden Sie alle weiteren Informationen und die Möglichkeit zur Anmeldung.

 

Noch Fragen?

Bei inhaltlichen Fragen wenden Sie sich bitte direkt an den Referenten Olaf Küsgens: info@skatecoach.de / Chat per WhatsApp ( +49 157 30033514). Organisatorische Fragen beantwortet Ihnen wie immer unser Sekretariat: weiterbildung@­dshs-koeln.de / +49 221 4982 2130.

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