Interview mit Judith von Andrian-Werburg

Judith von Andrian-Werburg ist Referentin in unserem Zertifikatsstudiengang DSHS Coach für Sporternährung. Sie arbeitet als Ernährungsexpertin am Institut für Biochemie der Deutschen Sporthochschule Köln und betreut unter anderem Nachwuchs-Kaderathleten. Im Gespräch mit der Universitären Weiterbildung gibt sie ihre Einschätzung zu alkoholfreiem Bier als Sportgetränk, Protein-Shakes und dem neu auf den Markt gekommenen Proteinbier.

UW: Frau von Andrian-Werburg, viele alkoholfreie Biere werben mit direktem Sportbezug oder sind als Sponsoren im Sport vertreten. Auch bei Laufveranstaltungen wird im Ziel alkoholfreies Bier angeboten. Wie ist Ihre Einschätzung zum alkoholfreien Bier als „Sportgetränk“? Profitieren SportlerInnen wirklich von der in der Werbung versprochenen „schnellen Regeneration“?

Judith von Andrian-Werburg: Bier enthält schon einige Stoffe, die für die Regeneration wichtig sind. Nach einer sportlichen Belastung müssen wir unsere Speicher wieder auffüllen, das heißt wir brauchen Kohlenhydrate, und wir müssen unsere Flüssigkeitsverluste ausgleichen, brauchen also Flüssigkeit. Außerdem benötigen wir für die Regeneration Proteine und besonders im Sommer, wenn wir stark geschwitzt haben, sind wir zusätzlich auf Natrium angewiesen. Ein halber Liter alkoholfreies Bier enthält ungefähr 25 g Kohlenhydrate zur Auffüllung der Speicher und ist isotonisch. Das bedeutet, dass die Flüssigkeit relativ schnell vom Körper aufgenommen werden kann. Allerdings enthält Bier nicht so viel Natrium und eigentlich kein Protein. Das alkoholfreie Bier hat also schon seine Daseinsberechtigung, es gibt aber auch gute Alternativen.

So wie zum Beispiel Protein-Shakes, die sich in Deutschland großer Beliebtheit erfreuen. Es gibt zahlreiche Produkte auf dem Markt, in jedem Fitnessstudio werden sie angeboten, viele FreizeitsportlerInnen trinken sie. Welchen Nutzen haben Eiweiß-Shakes Ihrer Meinung nach?

Viele wissenschaftliche Studien zeigen, dass eine Proteinzufuhr in Verbindung mit Kohlenhydraten direkt nach dem Sport dazu führt, dass sowohl strukturelle regenerative Prozesse stattfinden und die Speicher aufgefüllt werden. Allerdings können die Proteine auch in Form von Milchprodukten oder pflanzlichen Proteinen aufgenommen werden. Es muss also nicht unbedingt ein Protein-Shake sein. Ein Quark oder Joghurt mit Obst nach dem Sport ist mindestens genauso gut. Proteinpulver sind vor allem dann sinnvoll, wenn der Verzehr von ‚richtigen‘ Lebensmitteln unpraktisch oder nicht möglich ist. Ist man also nach dem Sport nicht schnell zu Hause und fährt beispielsweise mehrere Stunden Auto, kann durchaus darauf zurückgegriffen werden. Protein-Shakes sind aber nicht besser als die normale Ernährung – ganz im Gegenteil: Hier fehlen oft wichtige Mikronährstoffe, die wir über  normale Nahrungsmittel aufnehmen.

Nun ist die Kombination aus Bier und Protein-Shake auf dem Markt. Wie kann man sich die Wirkung dieses Proteinbiers vorstellen? Bier enthält ja normalerweise fast gar kein Eiweiß. Kann das Protein in Verbindung mit alkoholfreiem Bier vom Körper überhaupt aufgenommen werden?

Im Endeffekt haben wir auch hier wieder Kohlenhydrate und Proteine in flüssiger Form, so wie es auch in anderen Sportgetränken vorkommt. Die Nährstoffe können also vom Körper aufgenommen werden. Das Proteinbier enthält nun das Protein, das im normalen alkoholfreien Bier fehlt. Allerdings ist das Proteinbier nicht mehr isotonisch. Die Flüssigkeit kann also nicht mehr ganz so schnell vom Körper aufgenommen werden. Dies ist im Hobbysport auch nicht ganz so wichtig wie im Leistungssport, wo der Zeitfaktor in manchen Fällen eine Rolle spielen kann. Hier müssen beispielsweise im Trainingslager die Speicher maximal schnell wieder aufgefüllt und gleichzeitig möglichst schnell rehydriert werden. Die Produkte dafür müssen sorgfältig ausgewählt werden.

Welche Vor- und Nachteile sehen Sie grundsätzlich in dem Getränk?

Ein Vorteil ist natürlich schon der zugeführte Proteingehalt, wodurch das Proteinbier mehr in Richtung Sportgetränk geht. Für Sportler, die keine süßen Protein-Shakes mögen und nach dem Sport gern etwas Erfrischendes trinken möchten, ist das schon eine interessante Alternative. Kritisch sehe ich allerdings, dass nun in einem Produkt, das nicht mit Proteinen assoziiert ist, sehr viel Protein enthalten ist. Werden beispielsweise über den Abend verteilt mehrere Flaschen getrunken, wird in kurzer Zeit sehr viel Protein zu sich genommen. Das Proteinbier könnte auch suggerieren, dass unsere Aufnahme von Proteinen über die normale Nahrung nicht ausreicht. Wir werten aber regelmäßig Protokolle von vielen SportlerInnen aus und sehen, dass die Proteinzufuhr bei fast allen, selbst bei Vegetariern, über die normale Nahrung gedeckt ist. Das heißt, wir haben eigentlich gar nicht den Bedarf von einer zusätzlichen Proteinzufuhr.

Es ranken sich also auch viele Mythen um Proteine und entsprechende Nahrungsergänzungsmittel. Wie wird dieses Thema im DSHS Coach für Sporternährung behandelt?

Zunächst wird geschaut, was der Bedarf eines Menschen an Proteinen ist und wie dieser durch eine normale Ernährung gedeckt werden kann. Dann wird auch über den Einsatz von Nahrungsergänzungsmitteln diskutiert und wann dieser Sinn macht. Wir betrachten das Thema hier vor allem von einer wissenschaftlich-fundierten Seite und lassen die vielleicht hinter dem Hype um Proteine stehenden Marketingaspekte außer Acht. So können die TeilnehmerInnen am Ende gut selbst beurteilen, wann Protein-Shakes oder andere Nahrungsergänzungsmittel eingesetzt werden sollten und wann nicht.

Auf welche Trendthemen können sich zukünftige TeilnehmerInnen des DSHS Coach für Sporternährung noch freuen?

Wir behandeln beispielsweise die periodisierte Ernährung, Makronährstoffmanipulationen mit Bezug auf Trainingsvolumen und -intensität sowie intermittierendes Fasten auch im Hinblick auf Gewichtsreduktion oder Reduzierung des Körperfettgehalts. Außerdem beschäftigen wir uns mit der veganen Ernährung und diskutieren, ob diese im Leistungssport möglich ist und worauf dabei geachtet werden muss. Des Weiteren spielt auch die vegetarische und kohlenhydratarme (low carb) Ernährung eine Rolle. Das alles ist aber natürlich nur ein Teil der Ausbildung. Vor dem Thema Ernährungstrends lernen unsere TeilnehmerInnen erst einmal die nötigen Grundlagen und Methoden zur Erfassung der Ernährungssituation kennen sowie natürlich alle Besonderheiten, die die Sporternährung mit sich bringt.

Möchten auch Sie zum Experten bzw. zur Expertin für Sporternährung werden? Unser nächster DSHS Coach für Sporternährung startet am 25. August. Die Anmeldung ist noch bis zum 11. August möglich. Weitere Informationen finden Sie hier: DSHS Coach für Sporternährung.