Regenerationsmanagement im Sport – Prof. Thimo Wiewelhove im Interview

Collage: Prof. Wiewelhove, daneben Athlet der regeneriert
Über das Thema Regeneration im Sport lernen wir ständig neue wissenschaftliche Erkenntnisse.

Zur Weiterbildung: Regenerationsmanagement im Sport (02.03. - 03.03.2024)

Das Thema Regeneration beschäftigt von Laiensportler*innen bis hin zu semiprofessionellen Athleten*innen und Profisportler*innen jeden, der sich sportlich betätigt. Viele Mythen und allgemein bekannte Binsenweisheiten machen die Runde, dabei entstehen durch die Forschung fortlaufend neue Erkenntnisse. Gleichzeitig erfahren wir im Rahmen des Regenerationsmanagements viel über den menschlichen Körper und dessen Erholungsprozesse. Wir haben mit Prof. Thimo Wiewelhove über allgemein bekannte Devisen der Regeneration gesprochen und gefragt, warum die wissenschaftliche Untersuchung so wichtig ist.

UW: Der Begriff „Regeneration“ dürfte auch vielen Amateursportler*innen ein Begriff sein – ob es die Eistonne nach dem Fußballtraining ist, oder das isotonische Getränk nach dem Laufen. Warum ist für die richtige Planung und Umsetzung von Regenerationsstrategien ein wissenschaftlicher Hintergrund dennoch so wichtig?

Thimo Wiewelhove: Einerseits überprüft die (Sport-)Wissenschaft mithilfe empirischer Forschungsmethoden, inwieweit verschiedene Regenerationsstrategien überhaupt wirksam sind und tatsächlich die Erholung nach intensiven und ermüdenden sportlichen Belastungen beschleunigen. Dies gilt sowohl für die Wirksamkeit auf gruppenstatistischer Ebene, die für die gängigen Regenerationsmaßnahmen bislang nicht überzeugend und selten mit hoher Effektstärke nachgewiesen wurde, als auch für die Wirksamkeit auf individueller Ebene, die in Abhängigkeit von u. a. individuellen Bedürfnissen, Vorlieben und Überzeugungen der Athleten stark schwanken kann. Andererseits untersucht die (Sport-)Wissenschaft die potentiellen Wirkmechanismen, die den verschiedenen Regenerationsstrategien zugrunde liegen und ermöglicht dadurch eine ermüdungsspezifische Auswahl von Interventionen. So gehen verschiedene Belastungsformen (z. B. Kraft- und Ausdauertraining) mit unterschiedlichen Arten der Ermüdung einher und bedürfen deshalb unterschiedlicher Regenerationsstrategien.

Beim Fußball hört man oft, die körperliche Erschöpfung sei am zweiten Tag nach dem Spiel am größten. Ist das so richtig? Wenn ja, woran liegt das?

Für den Körper ist das Fußballspiel selbst das Anstrengendste, denn dadurch kommt es ja überhaupt erst zur Ermüdung. Bereits unmittelbar nach dem Fußballspiel beginnen bereits die Erholungsprozesse, die in Abhängigkeit von adressaten- (z. B. regenerieren Kinder- und Jugendliche schneller als Erwachsene) und umweltspezifischen (kann sich der Spieler direkt nach dem Spiel aufs Sofa legen oder steht noch eine längere Busfahrt an?) Besonderheiten auf den unterschiedlichen Funktionsebenen des menschlichen Organismus (z. B. Muskulatur, Glykogenspeicher, usw.) in unterschiedlicher Geschwindigkeit und Ausprägung stattfinden. Während beispielsweise Herzfrequenz, Körpertemperatur und Sauerstoffaufnahme bereits in den ersten Minuten und Stunden Vorbelastungswerte erreichen, kann der möglicherweise auftretende Muskelkater mehrere Tage andauern. Da der belastungsinduzierte Muskelkater häufig zwischen dem ersten und zweiten Tag nach einer intensiven Belastung am stärksten ist, kann es durchaus sein, dass sich die Spieler am zweiten Tag nach dem Spiel besonders ermüdet fühlen.

Anhand welcher Faktoren lassen sich die richtigen Erholungsmaßnahmen ableiten? Wann ist eine aktive Regeneration angebracht? Wann sollte man seinem Körper lieber eine Ruhephase gönnen?

Um in der konkreten sportpraktischen Situation aus den verfügbaren Regenerationsinterventionen eine systematische Auswahl zu treffen, gelten drei Entscheidungskriterien:

  1. die Sportart- und Belastungsspezifität der absolvierten Aktivität und deren Abstimmung mit dem vorrangigen Wirkungsmechanismus der ausgewählten Maßnahme
  2. der Zeitraum, in dem die Erholungsvorgänge stattfinden sollen. Dieser kann sehr kurz (z. B. beim Intervalltraining oder zwischen zwei Trainingseinheiten oder Wettkampfabschnitten an einem Tag) oder länger währen (z. B. über Nacht bzw. über mehrere Tage)
  3. die individuelle Wirksamkeit von Regenerationsstrategien

Für den Applikationszeitpunkt einer aktiven Erholung bietet sich am ehesten der Folgetag (oder die Folgetage) nach einer intensiven Trainings- oder Wettkampfeinheit an mit dem Ziel der Reaktivierung. Ruhephasen sollte man sich v. a. dann gönnen, wenn die Leistungsfähigkeit infolge des Ermüdungszustands dauerhaft reduziert ist und man sich für längere Zeit müde, unmotiviert und abgeschlagen fühlt.

Für wie wichtig halten Sie neben der körperlichen Regeneration auch eine mentale Erholung? Kennen Sie hier praktische Tipps zum Aufladen der „geistigen Akkus“?

Mentale Erholung ist v. a. dann wichtig, wenn es zu mentalen bzw. subjektiven oder verhaltensbezogenen Ermüdungserscheinungen kommt. Entspannungsverfahren und sportpsychologische Regulationsstrategien sowie Cross-Trainingsmethoden (Training in einer alternativen Sportart; z. B. Schwimmen statt Laufen) sind mögliche Interventionen.

Wie sehr kann das professionelle Regenerationsmanagement heute Verletzungen präventiv vorbeugen?

Aktuelle Studien belegen, dass ein erhöhter subjektiver Ermüdungsgrad mit einem erhöhten Verletzungsrisiko einhergeht. Die Diagnostik des Ermüdungszustands und die darauf aufbauende Feinjustierung und Individualisierung der Erholungssteuerung haben somit sicherlich das Potenzial, Verletzungen vorzubeugen. Wie sehr das Regenerationsmanagement verletzungspräventiv wirkt, lässt sich aber aufgrund der Komplexität des Verletzungsgeschehens auf allgemeiner Ebene nicht seriös beantworten.

Termine und Anmeldung

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