Nr. 10/2017

Der CO2-Fußabdruck von aktiven Ski- und Snowboardfahrern

Die Auswirkungen des Klimawandels sind für den Wintersport schon längst bitterer Alltag: Gletscher ziehen sich zurück und die früher schneesicheren Wintersportregionen können sich nicht mehr darauf verlassen, dass der Schnee kommt. Verursacht wird die globale Erwärmung u.a. durch die Treibhausgase, insbesondere durch den Ausstoß von Kohlendioxid (CO2). PD Dr. Pamela Wicker, Akademische Rätin am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement, hat den CO2-Ausstoß, den Skifahrer und Snowboarder bei ihren Wintersportreisen verursachen, berechnet und empirisch analysiert.

Laut Umweltbundesamt entfallen in Deutschland fast 90 Prozent der freigesetzten Treibhausgase auf Kohlendioxid (CO2). Dieses entsteht u.a. bei der Verbrennung fossiler Energieträger. Quellen sind v.a. die Strom- und Wärmeerzeugung, die industrielle Produktion, Haushalte und der Verkehr. CO2-Emissionen fallen bei allen Reiseaktivitäten an, somit auch bei Wintersporttouristen, die zum Skifahren oder Snowboarden in Wintersportregionen verreisen und sich dort auf schneereiche Pisten freuen. Zu einem gewissen Teil tragen sie somit dazu bei, dass es genau diese schneereichen Pisten nicht mehr gibt. Die persönliche CO2-Bilanz von Skifahrern und Snowboardern im Rahmen ihrer Wintersportreisen hat sich Pamela Wicker angeschaut. Dabei berücksichtigte sie auch die individuellen Umwelteinstellungen der Sportler und mögliche weitere Einflussfaktoren auf die persönliche CO2-Bilanz.

„Die vorliegende Studie berechnet erstmalig den CO2-Fußabdruck, also den Carbon Footprint, den aktive Schneesporttouristen durch ihre Reiseaktivitäten innerhalb eines Jahres verursachen“, sagt Wicker. Vorangegangene Studien nahmen zumeist Zuschauer eines Sportevents oder bestimmte Teams in den Blick, um deren CO2-Bilanz zu ermitteln. Bisherige Daten stammen insbesondere aus Großbritannien und Kanada. „Die bisherige Forschung gibt wertvolle Einblicke in die Analyse von CO2-Ausstoß im Sporttourismus. Es gibt aber noch einige Forschungslücken“, beschreibt Wicker die aktuelle Forschungslage. So würden etwa die meisten Studien ZuschauerInnen von Sportereignissen fokussieren. Wicker hingegen untersucht aktive Sportler bzw. Sporttouristen und deren individuelles Reiseverhalten über einen gewissen Zeitraum: Sie bezieht sich auf den CO2-Ausstoß von Menschen, die reisen, um an einem anderen Ort sportliche Freizeitaktivitäten zu erleben. „Bislang gibt es kein theoretisches Modell, welches die Einflussfaktoren erklärt, die für den CO2-Fußabdruck eines Menschen entscheidend sind. Verschiedene Umweltverhaltensmodelle nehmen allerdings an, dass sich Umweltbewusstsein auf umweltfreundliches Verhalten auswirkt, sprich dass sehr umweltbewusste Menschen einen kleineren CO2-Fußabdruck haben müssten“, erklärt Wicker.

Von Januar bis März 2016 konnten aktive Ski- und Snowboardfahrer (18 Jahre und älter), die in Deutschland leben und zum Ski- bzw. Snowboardfahren innerhalb Deutschlands und in andere Länder reisen, an einer Onlinebefragung teilnehmen. Abgefragt wurden Aktivitäten im Jahr 2015. Letztlich bildeten 523 Personen die endgültige Stichprobe für die empirische Analyse1. Aktive Schneesporttouristen sind zumeist männlich, zwischen 18 und 44 Jahren alt und besitzen einen höheren Bildungsabschluss – das ergibt die Analyse der sozioökonomischen Angaben und passt zu vorherigen Forschungsergebnissen. Das durchschnittliche Umweltbewusstsein der Befragten liegt bei 3.69 von maximal 5 Punkten. 40,1% der Befragten sind Skifahrer, 37,5% Snowboarder und 22,4% üben beide Sportarten aus. Die durchschnittlichen Aktivenjahre liegen bei 16 Jahren, ihr persönliches Leistungsniveau beziffern die Befragten als relativ hoch: 70,2% gaben an, ohne Probleme schwarze Pisten zu meistern. Durchschnittlich 16 Schneetage gaben die Befragten für das Jahr 2015 an, an denen sie jeweils zirka sechs Stunden auf den Pisten unterwegs waren. 92,4% der Befragten nannten als Reisegrund den Ski- bzw. Snowboardurlaub, 46,1% unternahmen Tagestrips. Unabhängig von der Reiseabsicht zeigte sich, dass der mit Abstand größte Teil der Befragten das Auto als Transportmittel wählte. Anhand der Emissionsfaktoren des Umweltbundesamtes wurden die Daten der Befragten zu ihren schneesportbezogenen Reisen in eine Kalkulation zum persönlichen CO2-Ausstoß umgewandelt. Es ergab sich ein durchschnittlicher Jahres-CO2-Ausstoß von 431,6 Kilogramm CO2-äquivalente Emissionen pro Person, was in etwa einem Flug von München nach Moskau entspricht. Interessant dabei: Der jährliche CO2-Ausstoß von Snowboardern war höher als der von Skifahrern und Sportlern beider Sportarten.

„Die Annahme, dass ein hohes Umweltbewusstsein auch umweltfreundliches Verhalten im Sinne eines geringeren CO2-Fußabdrucks nach sich zieht, kann in der vorliegenden Studie empirisch nicht bestätigt werden“, sagt Wicker. Aber: Das Ergebnis stützt frühere Studienerkenntnisse, dass sich Menschen eher dann umweltfreundlich verhalten, wenn die empfundenen Kosten – nicht nur monetär, sondern auch Zeit und Bequemlichkeit – dafür nicht zu groß sind. Gemäß der „Low-Cost Hypothese“ stimmen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten nur in „Low-Cost Situationen“ überein. Das sind Situationen, bei denen der Kostenunterschied (Geld, Zeit, Bequemlichkeit) zwischen der umweltfreundlichen Alternative (z.B. öffentliche Transportmittel benutzen) und der weniger umweltfreundlichen Alternative (z.B. mit dem privaten Auto fahren) als gering empfunden wird. Wintersportreisen erscheinen hingegen eher als „High-Cost Situation“. Man spricht hier von der so genannten „Environmental Value-Action Gap“: ein Nichtübereinstimmen von Wertvorstellung und Handeln, d.h. Schneesporttouristen bezeichnen sich zwar als umweltbewusst, verhalten sich aber nicht entsprechend.

Mittels einer Clusteranalyse fand Wicker zudem heraus, dass sich die Sportprofile zwischen denen, die regelmäßig Wintersportreisen unternehmen, deutlich von denen unterscheiden, die eher gelegentlich reisen. Die Snowboarder verteilten sich eher auf das Cluster der „Viel-Fahrer“, die Skifahrer waren proportional eher im Cluster der gelegentlich Reisenden vertreten. Daraus resultieren u.a. auch die Unterschiede in der Höhe des CO2-Ausstoßes bei Snowboardern und Skifahrern.

Im Gegensatz zu früheren Studien zum CO2-Ausstoß im Sporttourismus, die eher deskriptiver Natur sind, zeichnet sich Wickers Studie durch einen analytischen Charakter aus. Sie soll damit einen wichtigen Beitrag zur Zukunftsdebatte des Wintersports in Zeiten des Klimawandels leisten. Während die globale Erwärmung den Schneemangel in Wintersportorten verstärkt, geben Wickers Ergebnisse Aufschluss über das Emissionslevel, das gerade die Menschen verursachen, die in eben diese Wintersportorte reisen. Ein Teufelskreis, denn: Aktive Schneesporttouristen, die sich selbst als umweltbewusst bezeichnen, verursachen nicht signifikant weniger Treibhausgase.

„Die Ergebnisse sollen Denkanstöße für Politik, Tourismusbranche und Schneesporttouristen geben“, sagt Wicker. „Der Zusammenhang zwischen den Umwelteinstellungen und dem umweltbewussten Verhalten von Menschen legt nahe, dass Mittel gefunden werden müssen, die diese ‚Environmental Value-Action Gap‘ überbrücken und ‚High-Cost Situations‘ in ‚Low-Cost Situations‘ umwandeln. Hier sind zum Beispiel Tourismusagenturen, Wintersportorte, Sportmanager und auch die Touristen selbst gefragt“, konstatiert Wicker. Es müssten Anreize für eine möglichst umweltfreundliche Anreise in den Winterurlaub geschaffen werden, und diese Anreize müssten entsprechend kommuniziert werden. Zudem sollten Touristen für die klimatischen Auswirkungen ihres eigenen Reiseverhaltens stärker sensibilisiert werden, weil gerade ihr Sport vom Klimawandel und der globalen Erwärmung betroffen ist.

1 Die Autorin möchte sich bei Herrn Philippe Opigez für die Unterstützung bei der Datenerhebung und -aufbereitung bedanke.

Text: Julia Neuburg

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