Nr. 1/2017

Rivalität und Fan-Aggressionen

Anfeindungen, Ausschreitungen und Randale: Immer wieder kommt es im Rahmen von Rivalitäten im Teamsport zu negativen Begleiterscheinungen. Seit mehreren Jahren erforschen Johannes Berendt und Professor Sebastian Uhrich vom Institut für Sportökonomie und Sportmanagement (Abt. Sportbetriebswirtschaftslehre) das Phänomen Rivalität. Im Projekt „Rivalität und Fan-Aggressionen“ wird gegenwärtig untersucht, inwiefern Kommunikationsstrategien dabei helfen können, aggressive Verhaltenstendenzen seitens rivalisierender Fans zu reduzieren.

„Für die meisten Fans ist das Derby das Highlight der Saison, für manche ein Sieg sogar wichtiger als die Meisterschaft. Doch wenn es gegen den Erzrivalen geht, schlagen leider viele Fans über die Stränge“, berichtet Professor Sebastian Uhrich. Die Folge sind verbale Scharmützeln, offen zur Schau gestellter Hass und gewalttätige Auseinandersetzungen – nicht nur in der Fußball-Bundesliga, sondern auch in anderen Sportarten rund um den Globus, vom Basketball über Handball bis hin zu Rollstuhlbasketball. Die Sicherheitskosten sind in die Höhe geschnellt; das Problem umtreibt Polizei, Vereine und auch Fanprojekte. „Ein Patentrezept zur Lösung gibt es bislang nicht. Insbesondere Klubverantwortliche sind ratlos, wie dem Problem begegnet werden kann“, so Johannes Berendt, der das Thema im Rahmen seiner Dissertation bearbeitet. „Hier setzt das Projekt an und untersucht verschiedene Kommunikationsstrategien auf ihr Potential, Fan-Aggressionen einzudämmen.“

In einem ersten Schritt wurden dazu verschiedene kommunikative Ansätze identifiziert. Aus der Praxis stammt dabei der Versuch, die Rivalität öffentlich herunterzuspielen. Häufig tätigen Verantwortliche Aussagen wie „Das Derby ist kein Krieg“ oder „Ein Sieg gibt auch nur drei Punkte“, ohne jedoch zu wissen, wie derartige Botschaften wirken. Basierend auf Erkenntnissen der Sozialpsychologie entwickelte das Forscherteam einen alternativen Ansatz, der mit dem Label „duale Identität“ versehen ist. Die entsprechenden Botschaften betonen die Besonderheiten beider rivalisierender Klubs, um der Wichtigkeit der Rivalität in den Augen der Fans gerecht zu werden. Gleichzeitig enthalten die Botschaften aber Gemeinsamkeiten beider Rivalen auf einer übergeordneten Ebene. So mögen Dortmunder und Schalker zwar verschieden sein, trotzdem stehen beide Lager auch für das Ruhrgebiet, ähnlich wie Nürnberger und Fürther, die beide Franken repräsentieren.

In Zusammenarbeit mit mehreren Bundesligisten wurden in experimentellen Studien über 4.000 Fans befragt, unter anderem von Eintracht Braunschweig, Hannover 96, dem 1. FC Nürnberg, Borussia Dortmund und Fortuna Köln.

 Die Ergebnisse lassen erste Schlüsse zu:

  • Der Ansatz, Rivalität herunterzuspielen, ist die schlechteste Wahl – er macht Fans sogar noch aggressiver als gar nichts zu sagen. Probanden, die ein beschwichtigendes Statement gelesen hatten, wiesen signifikant höhere aggressive Verhaltenstendenzen auf als Probanden in einer Kontrollgruppe, die gar kein Statement des Klubs gelesen hatten. Berendt: „Die Klubs machen in der Praxis folglich mitunter genau das Falsche. Durch das Herunterspielen lösen sie bei ihren Anhängern sogenannte psychologische Reaktanz aus – Widerstand gegen einen wahrgenommenen Beeinflussungsdruck. Da Rivalität ein wichtiger Teil der Fan-Identität ist, reagierten Fans verärgert, wenn das nicht gewürdigt wird.“
  • Am besten schneidet die Strategie der „dualen Identität“ ab. Fußballfans, die ein entsprechendes Statement gelesen hatten, wiesen signifikant geringere aggressive Verhaltenstendenzen auf als solche Fans, die ein beschwichtigendes bzw. gar kein Statement erhalten hatten. Uhrich: „Interessanterweise scheint es dabei nur eine untergeordnete Rolle zu spielen, von wem das duale Statement kommt – ob von der eigenen Mannschaft, dem eigenen Management, den eigenen Fans oder sogar den Spielern des Gegners.“

Zusammenfassend können Uhrich und Berendt folgende Empfehlung aussprechen: „Die Vereine sollten versuchen, Gemeinsamkeiten mit dem Rivalen zu finden, ohne dabei die wichtigen Subidentitäten der Anhänger zu verwässern. Auf keinen Fall sollte die Rivalität heruntergespielt werden, da sie ein wichtiger Teil der Fan-Identität ist.“