Nr. 3/2019

Homophobie und Transphobie im Sport? Ja!

Der britische Fußballer Justin Fashanu war 1990 der erste aktive Profi, der sich outete. Acht Jahre später nahm er sich das Leben. In Deutschland war Thomas Hitzlsperger der erste Fußball-Profi, der sich zu seiner Homosexualität bekannte – allerdings erst nach seiner aktiven Karriere. Bislang hat sich noch kein aktiver deutscher Fußball-Profi geoutet. Homophobie ist im Sport nach wie vor weit verbreitet. Das zeigt eine Studie des Instituts für Soziologie und Genderforschung der Deutschen Sporthochschule Köln, unter der Leitung von Univ.-Prof. Dr. Ilse Hartmann-Tews. Mehr als 5.500 Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender und intersexuelle Menschen (LGBTI+) aus allen 28 EU-Staaten nahmen an der Online-Befragung teil. Neun von zehn Befragten sind der Ansicht, dass es im Sport ein Problem mit Homophobie und Transphobie gibt. 16% derjenigen, die in den letzten zwölf Monaten sportlich aktiv waren, berichten von negativen Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechtsidentität. Ein Interview mit Projekt-Mitarbeiter Tobias Menzel.

Herr Menzel, Sie haben im Rahmen des Projektes Outsport die erste flächendeckende europäische Studie zur Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität im Sport durchgeführt. Was sind die wichtigsten Ergebnisse?

Ein ganz zentrales Ergebnis ist, dass mehr als neunzig Prozent der Befragten ein Problem mit Homophobie und Transphobie im Sport sehen. Das ist zunächst eine ganz allgemeine Einschätzung.  Wenn wir uns jetzt den Datensatz ein bisschen genauer angucken, dann war da eine Sache, die uns überrascht hat: Der homo- bzw. transphobe Sprachgebrauch, der als ein Indikator dafür gesehen werden kann, dass das Umfeld homo- bzw. transphob sein könnte, ist im Sport nicht weiter verbreitet, als  zum Beispiel in der Schule, bei der Arbeit oder in der Freizeit. In all diesen Bereichen liegt er bei rund achtzig Prozent. Der Sport hat sich also an dieser Stelle nicht herauskristallisiert. Und was uns wirklich überrascht hat, war die Tatsache, dass von denjenigen, die in den letzten zwölf Monaten sportlich aktiv waren, nur – in Anführungsstrichen – sechzehn Prozent angeben, negative Erfahrungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität gemacht zu haben. Es liegt also eine große Diskrepanz zwischen der Einschätzung des Sports im Allgemeinen und den persönlichen Erfahrungen vor.  Hier wollen wir jetzt noch detaillierter in die Datensätze gehen und schauen, welche Faktoren das Auftreten von homo- bzw. transphoben Vorkommnissen beeinflussen. Es könnte ja beispielsweise nach Ländern schwanken oder nach Sportart oder nach Struktur – Vereinssport, Breitensport, Leistungssport.  Wir gehen auch davon aus, dass die Zahl kleiner ist als erwartet, da wir uns die letzten zwölf Monate angesehen haben. Es gibt viele andere Studien, in denen höhere Zahlen publiziert wurden, aber das sind Livetime-Erfahrungen: Irgendwann in einer sportlichen Laufbahn wurde eine homophobe Anfeindung erlebt. Hier besteht die Hypothese, dass sich Personen mit LGBTI-Hintergrund im Laufe ihrer Sportbiographie ein Umfeld suchen, das für sie persönlich sicher ist. Hier werden wir weiter auswerten.

Gibt es Sportarten, die sich als besonders homophob herausgestellt haben?

Es gibt ganz eindeutig ein paar Sportarten, die deutlich homophober und transphober sind als andere. Basketball ist bei uns der Spitzenreiter, da gibt es die meisten negativen Erfahrungen. Am anderen Ende der Skala stehen Yoga und Sportarten, die man häufig alleine macht. Fußball ist eher weit oben, aber nicht so weit oben, wie wir ursprünglich dachten. Generell ist zu beobachten, dass homosexuelle Frauen im Fußball eine größere Akzeptanz finden, als homosexuelle Männer.

Der Slogan des Projektes lautet: sei fair, sei selbstbewusst. Was kann das Projekt leisten, damit sich Alle im Sport fair behandelt fühlen?

Eine Maßnahme, die wir im Rahmen des Projektes umsetzen, heißt „train the trainers“. Wir gehen mit unseren Ergebnissen gezielt an die Verbände heran und speziell an die Trainer, um sie für das Thema zu sensibilisieren. Da geht es zum Beispiel darum, dass jemand, der sich geoutet hat, einen Fürsprecher in der Mannschaft bekommt. Wir möchten Trainerinnen und Trainern dabei unterstützen, mit Coming-outs und vergleichbaren Situationen fair umzugehen. Wissensvermittlung spielt in unserem Projekt eine große Rolle.

Welche konkreten Ziele verfolgen Sie?

Das oberste Ziel des Gesamtprojektes ist, ein Bewusstsein für die Situation von LGBTI im Sport zu schaffen – und zwar nicht nur in der LGTBI-Szene, sondern auch in einer breiten Öffentlichkeit. Ein Thema ist zum Beispiel der homophobe Sprachgebrauch. Der Klassiker ist hier beispielsweise „der schwule Pass“. Schwul wird als synonym für etwas Schlechtes verwendet und hier muss ein Bewusstsein dafür geschaffen werden, dass  das gewisse Leute verletzt, auch wenn es eventuell nicht böse gemeint ist. Ein weiteres Ziel ist, dass wir Schwachstellen aufzeigen. Das kam nämlich auch bei der Befragung raus, dass nur acht Prozent derjenigen, die eine schlechte Erfahrung gemacht haben, dies offiziell gemeldet haben und dass knapp vierzig Prozent gar nicht wissen, an wen sie sich wenden können.  Und wir reden hier nicht nur von einem blöden Spruch: bei zwanzig Prozent derjenigen, die eine negative Erfahrung gemacht haben, fand diese auf physischer Ebene statt.  Ein weiteres Ziel ist natürlich auch, LGTBIs zu ermutigen, sich zu outen. Knapp ein Drittel unserer Befragten sind nicht geoutet, u.a. weil sie negative Folgen befürchten. Unser Projekt wirbt für Vielfalt im Sport. Vielfalt soll nicht unterdrückt werden, jeder soll sich frei entfalten können und je mehr sich outen, desto breiter ist die Basis und desto breiter wird letztlich auch die Akzeptanz in der Gesellschaft.

Dem Sport werden viele positive Eigenschaften zugeschrieben: er verbindet, über kulturelle, sprachliche und soziale Unterschiede hinweg. Ist der Sport auch der perfekte Botschafter für einen fairen Umgang mit sexueller Vielfalt oder ist es gerade im Sport nötig, dafür zu werben, weil Diskriminierung vorhanden ist?

Das ist eine sehr gute Frage. Es ist Beides. Auf der einen Seite hat der Sport ein großes Integrationspotenzial. Man sagt ja auch Integrationsmotor, da er eine einheitliche Sprache spricht: es sind zweiundzwanzig Spieler, zwei Tore, ein Ball und alle wissen, was zu tun ist.  Und wo jemand herkommt, welche Sprache er spricht, welche Hautfarbe er hat – das ist alles egal. Das stimmt auch ein Stück weit. Aber auf der anderen Seite ist der Sport auch geprägt von Männlichkeitsbildern, vom Wettkampf und von Körperlichkeit. Gerade Transsexuellen oder homosexuellen Männern wird unterstellt, dass sie nicht so mutig, nicht so aggressiv und nicht so durchsetzungsstark wie heterosexuelle Männer sind. Das kann besonders in Mannschaftssportarten ein Problem werden,  in denen solche Eigenschaften gefordert und belohnt werden, wie zum Beispiel im Fußball. Man will starke, durchsetzungskräftige Leute in seinen Reihen haben. Das begünstigt eine homophobe Atmosphäre, die eben auf jene Stereotype zurückzuführen ist. Man könnte aber auch anders argumentieren, nämlich: je vielfältiger eine Mannschaft, desto besser. Ich persönlich finde, dass man vom Sport nicht erwarten kann, dass er alle Probleme, die in der Gesellschaft vorhanden sind, lösen kann. Menschen, die im normalen Leben homophob sind, sind das wahrscheinlich auch im Sport. Sie bringen ihre Einstellung mit in den Sport. Es liegt dann an den Vereinen, Verbänden, den Strukturen und den Trainern, das Umfeld so zu gestalten, dass ein fairer Umgang möglich ist. Das Potential ist da, aber es muss richtig genutzt werden und das erfordert viel Arbeit.

Die Online-Befragung war eine erste Teilstudie im Rahmen des Outsport-Projektes. In einer zweiten Studie werden Interviews in den Projektländern Italien, Schottland, Deutschland, Österreich und Ungarn geführt.  Wann ist mit diesen Ergebnissen zu rechnen?

Das Outsport-Projekt, das von der Europäischen Kommission über das Erasmus Plus-Programm kofinanziert wird, läuft Ende des Jahres aus. Gemeinsam mit unseren Projektpartnern überlegen wir gerade Folgeanträge zu stellen. Im November veranstalten wir eine große Abschlusskonferenz in Budapest. Da werden wir alle Ergebnisse, auch die aus den Interviews, veröffentlichen. Dann werden wir noch für die beteiligten Projektländer Broschüren herausgeben, die die Situation in den einzelnen Ländern darstellt und Handlungsempfehlungen formuliert. Alle Ergebnisse werden dann auch über unsere Projektseite www.out-sport.eu publiziert.

Interview: Lena Overbeck