Nr. 3/2020

Sport im Kontext von internationaler Zusammenarbeit und Entwicklung

„Sport im Kontext von internationaler Zusammenarbeit und Entwicklung“ von Dr. Karen Petry ist der erste Band in der neuen Reihe „Sport und gesellschaftspolitische Verantwortung“. Die stellvertretende Leiterin des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung hat als Herausgeberin des Buches die zahlreichen Artikel koordiniert und auch selbst zwei Beiträgen verfasst.

Das Buch basiert auf einem Forschungsschwerpunkt, den Dr. Karen Petry an der Sporthochschule seit mehreren Jahren aufgebaut hat: Im Rahmen verschiedener Projekte begleiten sie und ihre Kolleg*innen wissenschaftlich u.a. die Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ), das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) und den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). „Das Buch ist entsprechend eine Mischung aus Herausgeberwerk und Ergebnissen aus vielfältigen Projektarbeiten“, sagt Petry.

Die insgesamt 16 Beiträge umreißen das Handlungsfeld, gehen auf die Potenziale, Grenzen und Herausforderungen ein und gewähren differenzierte Einblicke in die komplexen gesellschaftlichen und politischen Zusammenhänge. Drei zentrale Fragestellungen gilt es dabei zu beantworten:

  • Wie können mit Sport und Bewegung integrative gesellschaftliche Prozesse unterstützt werden?
  • Welchen Beitrag können Sport und Bewegung als Lernfeld für interkulturelle Kompetenzen leisten?
  • Welche Bedingungen müssen erfüllt sein, damit Sport und Bewegung ihre entwicklungspolitische Wirksamkeit entfalten können?

Die Autor*innen stellen in ihren jeweiligen Artikeln Aktivitäten, Programme und Projekte im In- und Ausland vor, diskutieren deren Wirksamkeit und geben differenzierte Einblicke in die zu bewältigenden Herausforderungen. Gerade die sportbezogenen Aktivitäten in den Entwicklungs- und Schwellenländern werfen vielfältige Fragen zur Wirksamkeit auf. Aber auch hierzulande wird im Rahmen der Aufnahme- und Integrationsbemühungen von geflüchteten Menschen und Migrant*innen ein intensiver Diskurs über den Beitrag von Sport und Bewegung deutlich. Eine weitere Dimension, die in dem Buch aufgegriffen wird, ist die vielfältiger gewordene Zusammenarbeit zwischen Ländern hinsichtlich erkannter Herausforderungen, wie z.B. sexualisierte Gewalt im Sport, menschenrechtliche Sorgfaltspflicht und Governance.

„Da die meisten Veröffentlichungen zu diesem Thema in englischer Sprache vorliegen, ist es mir besonders wichtig, ein deutschsprachiges Buch vorzulegen und somit auch den Diskurs im deutschsprachigen Raum anzuregen“, erklärt Petry das am 30. März 2020 im Barbara Budrich Verlag veröffentlichte Buch mit 230 Seiten. Sie selbst hat dabei an zwei Artikeln mitgewirkt.

Zum einen beleuchtet sie gemeinsam mit Marilen Neeten die Potenziale und Grenzen eines sport- und bewegungsbasierten Beitrages zur Erreichung der nachhaltigen Entwicklungsziele der UN-Agenda 2030 (Sustainable Development Goals, SDGs). Die SDGs sind mittlerweile zu dem wichtigsten entwicklungspolitischen Bezugsrahmen geworden, nicht zuletzt, da der Sport hier explizit erwähnt wird. Im Rahmen des Beitrages wird die Entstehung des Leitbildes der nachhaltigen Entwicklung im UN-Kontext umrissen, und es werden die wichtigsten politischen Meilensteine beschrieben. Neben möglicher Potenziale werden die Herausforderungen hinsichtlich der Glaubwürdigkeit und der Nachweisbarkeit der Erfolge diskutiert.

Weiterhin beschließt der Beitrag von Karen Petry, Katrin Bauer und Marie Biermann zur Wirkungsmessung bei sozialen Sportprojekten im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit den praktisch orientierten zweiten Teil des Buches. Der Beitrag zeigt die verschiedenen Wirkungen auf, die sportbezogene soziale Projekte – sei es im nationalen oder internationalen Kontext – erzielen und ist ein weiterer Aspekt einer zugleich kontroversen und kritischen Diskussion. Die Autorinnen beschreiben, dass Forderungen nach besserer Sichtbarkeit der Erfolge von Projekten und Programmen immer lauter werden, und es deutlich wird, dass eine rhetorische Überschätzung des sport- und bewegungsbasierten Ansatzes in Zukunft eher dazu führen wird, dass die Unglaubwürdigkeit von Sportprogrammen zunimmt.

Neben Karen Petry wirkten auch einige weitere (ehemalige) Wissenschaftler*innen der Sporthochschule an dem Buch mit:

Im Mittelpunkt des Beitrages von Prof. Dr. Bettina Rulofs und Gitta Axmann (Institut für Soziologie und Genderforschung) steht eine Interviewstudie mit Betroffenen sexualisierter Gewalt im Sport. Das Projekt VOICE steht exemplarisch für die Betrachtung eines wichtigen gesellschaftlichen Themas aus der Perspektive von sieben EU-Ländern (Deutschland, Belgien, Dänemark, Großbritannien, Slowenien, Spanien und Österreich).

Der Titel des Beitrages von Prof. Dr. Jürgen Mittag, Leiter des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung, lautet „Sportveranstaltungen in Schwellen- und Entwicklungsländern: Profilsuche im Spannungsfeld von Erwartungen und Ernüchterungen“. Erweitert wird der Blick aus theoretischer Perspektive um den Ansatz von Governance von Dr. Till Müller-Schoell.

Im praktischen zweiten Teil des Buches kommen ausgewählte Akteure zu Wort, die unterschiedliche Anwendungs- und Praxisfelder des Sports im Entwicklungskontext darstellen. So werden in einem Artikel die vielfältigen Maßnahmen im Themenfeld der sportbezogenen Entwicklungszusammenarbeit thematisiert, die der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) in jüngster Zeit entwickelt und durchgeführt hat. Außerdem werden Streetsportarten, die weltweite Situation des Schulsports sowie das Regionalvorhaben der GIZ „Sport für Entwicklung in Afrika“ näher beleuchtet. Mit KICK FAIR e.V., ein Verein, der sich der Förderung benachteiligter Jugendlicher durch Straßenfußball widmet, stellt zudem eine Nichtregierungsorganisation aus Stuttgart ihre Projektansätze und -ergebnisse vor.

Text: Henrik Mertens