Nr. 5/2018

„Ich habe einen Traumjob.“

Martin Jedrusiak-Jung hat gute Voraussetzungen, um als moderner Trainer Karriere im Profifußball zu machen: Mit seinen 39 Jahren ist er jung, coacht schon seit über 20 Jahren Jugendteams und ist vertraut mit neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen zum Fußballsport. Sein Glück sieht er dennoch in der Arbeit als Dozent am Institut für Vermittlungskompetenz in den Sportarten und als Jugendtrainer beim Deutschen Fußball-Bund.

Vor der großen WM in Russland waren Sie als Assistenztrainer mit der Nationalmannschaft des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) bei der U17-Europameisterschaft in England. Leider ist das Team schon in der Vorrunde gescheitert. Was lief schief?

Ein erstes Ziel war es mit diesem Jahrgang, dass wir uns für die EM qualifizieren, und das haben wir geschafft. So ein Team wird über mehrere Jahre ausgebildet, man fängt mit der U15 an, es folgt die U16, dann die U17, als Trainer geht man anschließend mit dem Funktionsteam zurück zur nächsten U15.  Seit ich vor gut zwei Jahren dazu kam, gab es etwa 25 Länderspiele und viele Lehrgänge, in denen ich wirklich viele Spieler des Jahrgangs 2001 gesehen haben. Wir wussten daher, dass dieser Jahrgang nicht die absolute Top-Qualität hat, die man benötigt um international ganz oben mitzuspielen. Als „Fußballnation Deutschland“ hat man trotzdem den Anspruch abzuliefern. Das entscheidende Spiel haben wir verdient gegen die Spanier verloren, die natürlich immer zu den Favoriten zählen. Dennoch hat uns das Ausscheiden sehr getroffen, denn wir haben unter unseren Möglichkeiten gespielt.

Was haben Sie als Trainer und vielleicht auch als Dozent an der Sporthochschule von diesem Turnier mitgenommen?

Als Erfahrung ist so ein internationales Ereignis sehr wertvoll – für die Spieler und für das Trainerteam. Sich auf diesem Niveau zu messen, ist nicht vergleichbar mit den Wettbewerben im nationalen Bereich. Wenn zum Beispiel die 17-Jährigen in der Bundesliga West antreten, haben sie vier bis fünf richtig hochklassige Spiele in der Saison, gegen Dortmund, Schalke, Leverkusen, Köln oder Mönchengladbach, in denen sie wirklich gefordert sind. Alles andere machen sie mit 80 vielleicht 90 Prozent. Auf internationaler Ebene reicht das einfach nicht, da zeigen sich die kleinsten Defizite dann in aller Härte. Ob das jetzt individualtaktische Aspekte sind oder auch die Intensität, mit der gespielt wird.

Wie kommt es, dass plötzlich ein Jahrgang nicht so gut ist, wie die übrigen?

Im Jugendbereich haben wir trotz des großen Pools gut ausgebildeter Spieler immer wieder die Problematik, dass man nicht immer die absoluten Schlüsselspieler hat, die dann Spiele auf Top-Niveau entscheiden. Das ist ein großes Thema und hat sich auch bei dieser EM gezeigt. Das ist aber natürlich von Jahrgang zu Jahrgang unterschiedlich.

War das Turnier als Assistenztrainer beim DFB dennoch eine Art persönlicher Karrierehöhepunkt? Oder ist die Rolle Cheftrainer bei einer B-Jugend-Bundesliga-Mannschaft wie dem FC Hennef 05, wo Sie lange gearbeitet haben, eine noch größere Sache?

Das ist schwer miteinander zu vergleichen. Wenn ich bisher in einem Verein gearbeitet habe, konnte ich auch immer in der sportlichen Leitung mitwirken, als Nachwuchskoordinator zum Beispiel. Da war es mir immer wichtig, das Gesamtkonzept für alle Jugendmannschaften mitzubegleiten, man hat mehr Einfluss in der täglichen Arbeit und kann mehr gestalten. Als Co-Trainer beim DFB steht man durch die punktuelle Arbeit anders in der Verantwortung. Auf der anderen Seite ist es aber ein großes Privileg, eine U-Nationalmannschaft mit den besten Spielern Deutschlands unter absolut professionellen Bedingungen zu betreuen.

Wo liegt der Schwerpunkt Ihrer Arbeit an der Sporthochschule?

Meine Kollegen aus dem Lehr- und Forschungsgebiet Fußball und ich bilden hier an der Sporthochschule Sportwissenschaftler aus und versuchen dabei, den optimalen Transfer zwischen Theorie und Praxis hinzubekommen. Dabei sind wir an verschiedenen Forschungsprojekten beteiligt und versuchen zugleich, das erworbene Wissen aus der Forschung praxisnah an die Studierenden weiterzugeben. Dabei helfen mir persönlich die Erkenntnisse, die ich unter anderem beim DFB und während meiner Vereinsarbeit gesammelt habe. Die Absolventen, die die Sporthochschule verlassen, sollen für den Arbeitsmarkt vorbereitet sein und müssen wissen, was im wachsenden Berufsfeld Fußball/Wissenschaft/Training passiert.

Sie haben mit dem Footbonauten geforscht, einem hoch modernen Trainingsgerät, das bei 1899 Hoffenheim und Borussia Dortmund zum Einsatz kommt.  Was haben Sie untersucht?

Grundsätzlich ging es um die Frage, wie sich körperliche und mentale Belastung auf die Basistechniken bei Jugendspielern auswirkt. Es gab eine Studie in Zusammenarbeit mit der TSG Hoffenheim und unserem Institut hier (Prof. Tobias Vogt, Sören Wrede & Simon Gassen), in deren Rahmen drei Gruppen Übungen im Footbonauten absolvierten. Der Übende muss in diesem Trainingsgerät in unterschiedlichen Konstellationen zugespielte Bälle weiterverarbeiten. Die Spieler einer Gruppe waren ausgeruht, die zweite Gruppe war nach einem anstrengenden Training stark ermüdet, während eine dritte Gruppe mental beansprucht worden war.

Und was haben Sie herausgefunden?

Es gab interessante Ergebnisse in Bezug auf die Herzfrequenz der Teilnehmer, allerdings keine signifikanten Erkenntnisse zu möglichen Fehlerquellen bei der technischen Umsetzung der Übungen. Weder körperliche noch mentale Belastung vor den Übungen wirkte sich stark auf die Leistungen im Footbonauten aus.

Gibt es Forschungsfragen, die Sie für die Zukunft interessieren?

In der Zeit von Big Data bin ich neugierig auf Daten, die möglicherweise sichtbar machen, welche Erfolgswahrscheinlichkeiten aus Faktoren wie Ballbesitz, Zweikampfquote oder Laufdistanzen entstehen. Es gibt hier etliche andere Parameter und Variablen, die man hier noch genauer untersuchen kann. Trotzdem darf es nicht zu abstrakt werden. Im Moment betreue ich einen Studenten, der sich mit dem individualtaktischen Verhalten von Innenverteidigern befasst. Da geht es um das Zugriffsverhalten bei der Balleroberung, derzeit werden dazu die Trainer der Jugendnationalteams befragt.

Ein anderer Bereich, den Sie an der Sporthochschule betreuen, ist der berühmte Eignungstest. Wie kam es dazu?

Diese Aufgabe passt sehr gut in das Profil des Instituts für Vermittlungskompetenz in den Sportarten. Als mein Vorgänger Peter Klippel ausschied, wurde ich gefragt.  Das ist also nur konsequent, dass ich hier unterstütze. Ich habe mich sofort stark mit der Aufgabe identifiziert, weil ich glaube, dass ich gut zwischen den verschiedenen Einrichtungen vermitteln kann. Da geht es ja nicht allein um die Lehrgebiete, sondern  beispielsweise auch um die Verwaltung, das Prüfungsamt oder den AStA. Es ist überragend, wie hier die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Institutionen übergreifend funktioniert.

Das klingt nach viel Begeisterung für den Forschungs- und Lehralltag. Haben Sie gar keine Ambitionen, Trainern wie Christian Streich, Thomas Tuchel oder Domenico Tedesco zu folgen, denen der Jugendfußball und viel Hintergrundwissen das Tor zur Bundesliga geöffnet haben?

Ich genieße die Mischung aus der Arbeit mit tollen Kolleginnen und Kollegen an der Sporthochschule und der Trainertätigkeit in einem Verein oder jetzt beim DFB im Juniorenbereich. Denn ich glaube, dass ich gut darin bin, den Transfer aus der Wissenschaft in die Praxis herzustellen. Ich habe einen Traumjob, weil ich Wissen vermitteln, gleichzeitig aber immer neues Wissen generieren kann. Außerdem habe ich nicht die Ambition, irgendwo bei einem Bundesligisten Co-Trainer zu werden und mich auf den Weg des Reisenden zu machen, um dann am Ende eines Zweijahresvertrages nicht zu wissen, wie es weitergeht. Ich sehe mich vielmehr als ein „Kind“ der Sporthochschule und möchte gerne viele Erfahrungen an die Studierenden zurückgeben, die ich ausbilde.

Interview: Daniel Theweleit