Alles begann im September 1949 …

Ein wissenschaftliches Institut wird 60 Jahre alt, und der Gründer selbst hält die Festrede … das passiert äußerst selten; vor allem wenn es sich um einen 93-jährigen, weltweit mit höchsten Würden ausgezeichneten Sportmediziner handelt. Am gestrigen Abend konnten die Gäste der Akademischen Feierstunde des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin live erleben, dass Wildor Hollmann, Institutsgründer, ehemaliger Hochschulrektor und Ehrenpräsident des Weltverbandes Sportmedizin, einen Hörsaal mit seinem Vortrag noch genauso fesseln kann, wie es viele der Anwesenden bereits als Studierende oder junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Jahre und Jahrzehnte zuvor erlebt hatten. Natürlich auch gestern noch in freier Rede und ohne Spickzettel …

„Alles begann im September 1949 …“, so begann Univ.-Prof. mult. Dr. Dr. h.c.mult. Wildor Hollmann seine Zeitreise durch die Institutsgeschichte. Er startete mit dem Direktor der Medizinischen Universitätsklinik Köln, H.W. Knipping, und der ersten Spiroergometrieanlage, die dann mit dem ersten Fahrradergometer verbunden wurde. Zum ersten Mal konnte ein EKG während körperlicher Arbeit geschrieben werden, Frühdiagnosen im Hinblick auf einen drohenden Herzinfarkt waren möglich. Weiter ging es mit dem Berufsalltag des jungen Mediziners Wildor Hollmann zwischen Klinik und Sporthochschule, für den nur zwischen 20 und 24 Uhr Zeit für die Forschung blieb, der aber dennoch zwei Monate lang Nobelpreisträger Werner Forßmann beim Verfassen seines Nobelpreisvortrags zum Thema „Herzkathederisierung“ unterstützte.

Hollmann erzählte von den ersten Sporthochschuljahren im Ostflügel des Müngersdorfer Stadions, seiner ersten Mitarbeiterin (Monatslohn 200 DM), der Institutsgründung am 1. April 1958, vom Umzug auf den heutigen Hochschulcampus und der personellen und räumlichen Weiterentwicklung. Die Vortragszeit ließ nur kleine Splitter seiner damaligen Forschungsarbeiten zu: die Ernennung zum Ehrenmitglied der NASA aufgrund seiner Erkenntnisse aus Bettruhestudien, die Erstvorstellung von Minimal-Trainingsprogrammen zur Prävention von Herz-Kreislauferkrankungen, die die Rehabilitationsbehandlung von Herzinfarktpatientinnen und -patienten revolutionierte und schließlich im so genannten „Kölner Modell“ mündete, bis heute wesentlicher Bestandteil der Prävention und Rehabilitation von Herzpatienten.

Mit dem nicht ganz ernst gemeinten Satz „Über das Gehirn wusste ich zu diesem Zeitpunkt nur, dass es sich in einem Körperteil namens Kopf befindet“ sprang Hollmann schließlich in die 80er- und 90er Jahre und zu seinem neuen Arbeitsschwerpunkt: Hirnforschung in Verbindung mit körperlicher Aktivität. Stets betonte der heute noch aktive Sporthochschul-Dozent, dass alle Erkenntnisse, Ergebnisse und Errungenschaften immer nur im Team möglich waren. Und dieser Teamgedanke hat wohl dazu beigetragen, dass viele aktuelle und ehemalige Kolleginnen und Kollegen, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Einladung des Instituts gefolgt waren.

Eines dieser Teammitglieder, Professor Hans-Georg Predel, hatte die Feierstunde eröffnet: „Mit seiner einzigartigen Art ist es gelungen, dem Institut von Anfang an besonderen Spirit zu verleihen. Das hat jeder gemerkt“, so der der heutige Leiter des Instituts, Abteilung Präventive und rehabilitative Sportmedizin, über seinen Vor-Vorgänger. Als „tragendes Institut“ bezeichnete Institutsleiter Professor Wilhelm Bloch (Abteilung Molekulare und zelluläre Sportmedizin) das „Geburtstagskind“, im Hinblick auf die Herausforderungen im Spannungsfeld zwischen der Betreuung von Leistungssportlern, der Forschung für den Leistungssport, aber auch den Gesundheits- und Breitensport brauche die Sportmedizin tragende Institute.

Aus der Staatskanzlei überbrachte Bernhard Schwank Grüße von Staatssekretärin Andrea Milz und wünschte dem Institut, „dass Ihnen der Esprit der Anfangsjahre nie verloren geht“. Ein ausgeprägter Wissenstransfer sei neben der Qualität von Forschung und Lehre von hoher Bedeutung. Unter diesem Gesichtspunkt sei die Deutsche Sporthochschule Köln mit dem Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, dem Deutschen Forschungszentrum für Leistungssport und der Partnerschaft mit dem Olympiastützpunkt Rheinland ein starker Standort.

„Dieses Institut mit seinem weltweiten Renommé ist etwas ganz Besonderes für die Sporthochschule“, so startete Hausherr und Hochschulrektor Professor Heiko Strüder in sein Grußwort und richtete seinen Dank dafür insbesondere an Wildor Hollmann. "Aber herausragende Entwicklungen von Instituten setzen sich immer aus vielen Beiträgen von vielen Personen auf allen Ebenen zusammen.“ Aus Hollmanns Personalakte hatte er „vertrauliche Informationen" mitgebracht. „Uneingeschränkt tauglich“,„sprachlich fehlerfrei“, „fleißig“, „gleich hervorragend als Mensch wie als Lehrer und Forscher“ – diese Beurteilungen des Institutsgründers aus alten Dokumenten haben sicherlich dazu beigetragen, dass das Institut den Weg zu Weltruhm erfolgreich gehen konnte.

Die dominierende zentrale Rolle des Instituts im Bereich Sportmedizin mit dem wegweisenden Kölner Modell betonte Professor Michael Braumann. Dabei sei „eine wissenschaftliche Institution nur so gut und so leistungsstark wie der Kopf“. Die entsprechenden Eigenschaften seien in höchstem Maße bei Wildor Hollmann vorhanden, so der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Sportmedizin und Prävention.

Mit einer diamantenen Hochzeit verglich der Vorsitzende des Sportärztebundes, PD Dr. Thorsten Schiffer, die 60-jährige enge Beziehung zwischen dem Institut und dem Sportärztebund Nordrhein e.V., deren verbindendes Element jahrelang Wildor Hollmann war. Vor allem die Durchführung der Fortbildungsmaßnahmen durch das Institut – bis heute insgesamt mehr als 11.000 Weiterbildungsstunden – sei von großer Bedeutung für den Sportärztebund.

Drei persönliche Berührungspunkte zum Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin und zur Sporthochschule hat der Leiter des Olympiastützpunkts Rheinland, Michael Scharf: den Medizincheck als junges Mitglied der Fünfkampf-Nationalmannschaft in eben diesem Institut, sein sportwissenschaftliches Studium und natürlich seine aktuelle Tätigkeit. „Am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin wird die Zukunft für Leistungssportlerinnen und -sportler optimiert und mitbegleitet“, so der OSP-Leiter. Dabei stehen das Institut und der OSP gemeinsam für Antidoping.

Ein „Dankeschön“ an Professor Wildor Hollmann im Namen der Herzsportgruppen kam von deren Vertreter, Fritz Kolb. Als Mitglied einer Herzsportgruppe seit 1999 hat auch für ihn „der Herzsport eine ganz fundamentale Bedeutung bekommen“. Er selbst sei, so die Aussage seines Arztes im Hinblick auf seinen aktuellen Gesundheitszustand, ein goldenes Beispiel, was Herzsporttraining bewirken kann.

Bevor eine kurzweilige und bewegende Feierstunde, hervorragend musikalisch begleitet von Verena Härtel (Querflöte) und Daniel Paterok (Piano), beim gemütlichen Beisammensein im Foyer fortgesetzt wurde, verabschiedete Institutsgründer Wildor Hollmann die Gäste im Hörsaal mit den ein wenig nachdenklich machenden Worten:

„Eines ist mir klar: wir beide, Sie und ich, werden uns in dieser Form nie wieder sehen.“