Die Bedeutung des Sportes nicht unterschätzen

Auf dem Weg zur Sitzungswoche des EP in Straßburg besuchte Martin Schulz, Präsident des Europäischen Parlaments, die Deutsche Sporthochschule Köln zu einer öffentlichen Vorlesung. In Hörsaal 1 sprach er über den Wandel der Gesellschaft, die noch unterschätzte Rolle des Sports, die Europäische Union ...und seine Leidenschaft für den FC.

Applaus brandete spontan auf, als Martin Schulz den fast vollbesetzten Hörsaal 1 betrat: Studierende, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Sporthochschule sowie interessierte Bürgerinnen und Bürger waren gespannt auf die Vorlesung von Martin Schulz – besonders in Hinblick auf die aktuellen politischen Ereignisse in Griechenland.

Doch zunächst sprach Martin Schulz über die gesellschaftliche Bedeutung des Sports in Zeiten sich verändernder Gesellschaften. „Ich selbst bin in einem Drei-Generationen-Haushalt aufgewachsen, Oma und Opa wohnten mit im Haus. Meine eigenen Kinder kennen so etwas gar nicht,“ erzählte er. In so einem Umfeld könne man mit Glück und Leid, Siegen oder Niederlagen viel besser umgehen. Heutzutage vereinsamen viele Menschen. Und hier komme dem Sport, den Verbänden und den Vereinen eine bedeutende Rolle zu, die von vielen – da nehme er sich auch nicht aus – bisher unterschätzt wurde und werde.

„Es gibt in Köln keine Organisation, die eine vergleichbare Bindungskraft entwickeln könnte, wie der FC mit seinen 73.000 Mitgliedern,“ machte Martin Schulz seinen Standpunkt an einem konkreten Beispiel fest. Der Sport habe nicht nur in gesundheitlicher, sondern auch gesellschaftlicher Hinsicht eine zentrale Rolle: „Wir sind nur noch im Kopf beweglich, aber nicht mehr physisch, das ist etwas, was wir anpacken müssen,“ gab Martin Schulz zu bedenken. Auch wenn sich die Gesellschaften weiter veränderten, die Bedürfnisse der Menschen nach Gemeinschaft blieben bestehen. Den zuhörenden Studierenden gab er zu bedenken, dass diese in Zukunft wohl eine viel stärkere gesellschaftliche Rolle spielen werden, als das heute vielleicht erkennbar sei.

Mit Blick auf die FIFA und andere Sportorganisationen, räumte er ein, dass es dort an einigen Stellen Nachholbedarf in Sachen Fairness, Gerechtigkeit und Transparenz gäbe. Im Öffentlichen Leben gäbe es hier bereits Standards, die in diesen Organisationen leider keine Anwendung finden. „Wenn nun meine Überlegungen stimmen, dass der Sport diese gesamtgesellschaftliche Relevanz hat, dann können wir auf keinen Fall hingehen und diese Verantwortung auf Spezialorganisationen delegieren, deren innere Struktur niemand kennt,“ meinte Martin Schulz selbstkritisch.

Die derzeit schwierige politische Situation in der EU kommentierte Martin Schulz so: „Wenn ich mir die Europäische Union anschaue, muss man wohl sagen, dass wir gerade keine besonders erfolgreiche Mannschaft sind.“ Gleichzeit warnte er davor Frieden, Gerechtigkeit und Solidarität als Garantien hinzunehmen. „Diese Dinge kommen nicht jeden Tag aus der Steckdose, sondern müssen stetig neu erarbeitet werden – und zwar unter Berücksichtigung der jeweiligen spezifischen Bedingungen“, sagte Schulz. Das gehe nicht ohne Kompromissbereitschaft aller Beteiligten.

Zum Schluss ging der Präsident des Europäischen Parlaments noch auf die Lage in Griechenland ein und warnte vor autoritären Strukturen und Ultranationalismus: „Wenn die Demokratie nicht mehr von allen Menschen getragen wird, ist sie in Gefahr. Es gebe zunehmend mehr Leute, die sie in Frage stellten und eine offene pluralistische Gesellschaft für falsch hielten.“ Gegenseitigen Respekt, Fairness und die Integration aller in ein gemeinschaftliches Ziel bezeichnete Schulz als Grundtugenden, auf die man sich nun in Europa rückbesinnen solle und die man auch durch Sport erreichen könne. „Edmund Burke, ein irisch-britische Schriftsteller und Politiker, hat gesagt ‚Für den Sieg des Bösen reicht es, dass die Guten nichts tun. ‘ Sie müssen etwas tun, da wo Sie sind, an Ihrem Platz – jeder für sich", appellierte Schulz an die zahlreichen Studierenden im Hörsaal und beendete damit die Veranstaltung.