Harvard interessiert sich für Kölner Daten

Univ.-Prof. Dr. Sebastian Uhrich (li.) und Johannes Berendt am Gründerdenkmal der Harvard Universität von John Harvard (Foto: privat)

Ausschreitungen, Hass und Gewalt – immer wieder kommt es im Fußball, insbesondere bei Derbys, zu unschönen Begleiterscheinungen. Um eine Eskalation zu vermeiden, versuchen Klub-Verantwortliche häufig im Vorfeld, die Gemüter mit beschwichtigenden Aussagen wie „Das Derby ist kein Krieg“ oder „Ein Sieg gibt auch nur drei Punkte“ zu beruhigen.

In aufwendigen Experimenten haben Professor Dr. Sebastian Uhrich und Johannes Berendt von der Deutschen Sporthochschule Köln verschiedene Kommunikationsstrategien untersucht, die aggressives Verhalten von Fußballfans reduzieren sollen. Dabei sind sie zu überraschenden und spannenden Ergebnissen gekommen – so spannend, dass sich die renommierte Harvard University in Cambridge/USA dafür interessiert und die beiden Forscher zu einem Vortrag einlud. Mit Unterstützung des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) besuchten die beiden Wissenschaftler nun die Privatuniversität an der US-amerikanischen Ostküste, um ihre Erkenntnisse der dort ansässigen Forschungsgruppe um Professorin Dr. Mina Cikara im Department of Psychology zu präsentieren und sie mit ihnen zu diskutieren.

Wie die Forscher der Deutschen Sporthochschule Köln in diversen experimentellen Studien mit mehr als 4.000 Fans zeigen konnten, ist das Verharmlosen einer Begegnung zweier rivalisierender Klubs kontraproduktiv: „Das Herunterspielen der Rivalität macht Fans erst aggressiv“, sagt Johannes Berendt, Doktorand am Institut für Sportökonomie und Sportmanagement. „Wenn die Rivalität nicht ernst genommen wird, reagieren Fans verärgert, denn der schwelende Konflikt mit dem Rivalen ist ein Teil ihrer Identität.“

Besser wäre es, durch geschickte Statements Gemeinsamkeiten zwischen den rivalisierenden Fangruppen auf einer übergeordneten Identitätsebene aufzubauen, ohne dabei die jeweiligen Einzelidentitäten zu verwässern. So sind Schalker und Dortmunder einerseits zwar verschieden, andererseits stehen aber beide auch für das Ruhrgebiet und Tradition. „Unter bestimmten Bedingungen sind Fans durchaus bereit, die Ähnlichkeit mit dem Rivalen anzuerkennen. Folglich sind sie ihm gegenüber weniger aggressiv gestimmt“, so Berendt.

Ihre Erkenntnisse, die Berendt und Uhrich jetzt an der Harvard University vorstellten, wurden vor Ort intensiv diskutiert. Insbesondere die psychologischen Prozesse, die dem Verhalten der Fans zugrunde liegen und die die Identität der Konfliktparteien betreffen, beschäftigten die Harvard-Wissenschaftler. „Das Interesse der Harvard-Psychologen zeigt einmal mehr, dass Forschung in der Schnittstellendisziplin des Sportmanagements auch zum Erkenntnisfortschritt in deren Mutterdisziplinen beitragen kann“, sagt Professor Uhrich. „Beispielsweise lassen sich viele Phänomene aus der Psychologie oder der Betriebswirtschaftslehre im emotionalen Sportkontext besonders gut erforschen. Umso mehr freut es uns, dass unsere aktuellen Ergebnisse auch außerhalb der Sportwelt wahrgenommen werden.“

Im weiteren Verlauf der Forschungsreise steht noch ein Gastvortrag an der New York University auf dem Programm.

Mehr Informationen zum Projekt Rivalität und Fan-Aggressionen gibt es unter diesem Link oder in unserem Forschungsnewsletter.

Kontakte:

Univ.-Prof. Dr. Sebastian Uhrich

Johannes Berendt