„Jede Minute, die wir uns mehr bewegen, senkt das Sterblichkeitsrisiko“

Professorin Christine Graf in der Radstation am Breslauer Platz

Bewegungsmangel wirkt sich nachteilig auf Körper, Geist und Seele aus – wo aber liegt die „optimale Bewegungsdosis“? Anhand von wissenschaftlichen Studien hat Professorin Christine Graf (Institut für Bewegungs- und Neurowissenschaft) im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Wissenschaft in Kölner Häusern“ einen Vortrag in der Radstation am Breslauer Platz gehalten.

Den rund 30 Zuhörerinnen und Zuhörern stellte sie die besorgniserregenden Entwicklungen der letzten Jahre im Hinblick auf Bewegungsmangel und Übergewicht vor und gab praktische Tipps für den Alltag.

Was ist dran an dem berüchtigten Ausspruch „Sport ist Mord“? „Schlafen ist so gesehen gefährlicher, denn im Schlaf sterben mehr Menschen als beim Sport“, konstatierte Christine Graf direkt zu Beginn ihres Vortrages in der Kölner Radstation. Die meisten Leute versterben an Erkrankungen, die etwas mit dem Herz zu tun haben. Sport schützt das Herz, indem er Gefäße und die Herzmuskeln trainiert. Man könne dem Herzinfarkt davon laufen, so die Sportmedizinerin. Auch bei anderen Krankheitsbildern wie Diabetes, Bluthochdruck, Herzkreislauf-Problemen oder Demenz wirke sich Sport positiv aus und sei also alles andere als Mord.

„Sobald jemand Grunderkrankungen hat, ist es wichtig, das individuelle Risiko zu betrachten. Wenn man das kennt und einschätzen kann, kann fast jeder Sport treiben und ihn mit seinen positiven Auswirkungen als Altersvorsorge nutzen“, appellierte sie an die Zuhörerinnen und Zuhörer. Unsere Vorfahren brauchten früher viel Energie für das Leben in der Wildnis. „Friss, was du kriegen kannst, und beweg dich so wenig wie möglich“ könnte damals das Motto jeder einzelnen Zelle gewesen sein. Die Lebensumstände haben sich mittlerweile verändert, die Genetik aber ist noch die gleiche – das führt dazu, dass die Menschen immer dicker werden, erklärte Graf.

Durch vorwiegend sitzende Tätigkeiten im Arbeitsalltag und (mittlerweile) auch in der Freizeit sowie die Aufnahme von mehr Kalorien komme man unter dem Strich auf ein Plus von ca. 400 Kalorien pro Tag, was zu einem Kilo „Speck“ in 20 Tagen führe, rechnete Graf exemplarisch vor. „Ein bisschen Speck ist nicht schlimm“, relativierte sie. Es sei allerdings entscheidend, wo er sitze. „Das Bauchfett ist gefährlich, denn es wirkt wie ein Hormon. Dabei produziert es Faktoren, die in die Blutbahn gelangen und den Körper mit einer chronischen Entzündung überladen. Das führt dann zu vielen verschiedenen Krankheiten wie beispielsweise Diabetes, Bluthochdruck oder Arteriosklerose.“

Doch nicht nur die Fitness und die Lebenserwartung werden durch Sport verbessert. Einen positiven Einfluss gibt es auch auf das soziale Miteinander und die Lebensqualität. Auf die Frage, welche Sportart die gesündeste ist, fand die Sportmedizinerin eine klare Antwort: „Die, die am meisten Spaß macht!“ Bewegung habe etwas therapeutisches, bedenke man beispielsweise, dass man Diabetes durch einen adäquaten Lebensstil mit Bewegung verhindern. Eine Studie habe sogar ergeben, dass Bewegung ähnlich wie Medikamente wirke – aber sie müsse vor allem Freude machen. Kraftausdauertraining und Ausdauertraining hätten dabei einen ähnlichen gesundheitlichen Nutzen.

„Jede Minute, die wir uns mehr bewegen, senkt das Sterblichkeitsrisiko“, erklärte Graf. 10.000 Schritte pro Tag sollten dabei das Ziel sein, was keineswegs von heute auf morgen realisiert werden muss. Auch bei Rückschlägen in stressigen Zeiten sollte man sich nicht entmutigen lassen. „Gehen Sie es gemächlich an wie die Kölner beim Dombau“, riet die Sportmedizinerin. „Genießen Sie Schokolade, genießen Sie Fernsehen, genießen Sie die WM, aber machen Sie Schritte.“