Netrin 4 schützt vor Metastasenbildung

Links: Einstülpungen in der Basalmembran, sog. Caveolen, sind erkennbar (rote Pfeile). Rechts: Bei Gewebe, wo Netrin 4 fehlt, fehlen die Caveolen fast vollständig (Bilder: Bloch)

Eine neue wissenschaftliche Entdeckung könnte eine genaue Vorhersage der Krebsausbreitung ermöglichen, noch bevor der Krebs entsteht. An der Studie des Biotech Research & Innovation Centre (BRIC) in Kopenhagen war auch Univ.-Prof. Dr. Wilhelm Bloch von der Abteilung molekulare und zelluläre Sportmedizin der Sporthochschule beteiligt.

Die Forscher*innen des BRIC fanden heraus, dass die Steifigkeit der sogenannten Basalmembran eine besondere Rolle bei der Verbreitung von Krebszellen spielt. Die Basalmembran ist eine dünne Membranstruktur, welche die Zellen umgibt und alle Gefäße auskleidet. Sie reguliert, wie leicht Krebszellen in das Gewebe eindringen können; sie stellt somit die Hauptbarriere dar, die Krebszellen mehrfach überwinden müssen, um Metastasen zu bilden. Auf diese Weise bestimmt die Basalmembran die Verbreitung von Krebszellen im Körper und gilt damit als eine wichtige Determinante für das Überleben von Krebspatienten. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich in Fachjournal Nature Materials veröffentlicht.

Die Forscher*innen identifizierten ein Protein (Netrin 4), das die Steifigkeit der Basalmembran mitbestimmt. Sie stellten fest, dass ein Entfernen dieses Proteins aus der Basalmembran eine schnellere Ausbreitung der Krebszellen zur Folge hatte. Spoho-Wissenschaftler Wilhelm Bloch war vor allem in die histologische Analyse der Mausmodelle involviert. Unter dem Elektronenmikroskop untersuchte er die Gewebeproben von Tiermodellen, insbesondere Lungengewebe, bei denen Netrin 4 zuvor entfernt worden war. Analysen der Basalmembran sind eine von Blochs Kernexpertisen. Das Ziel: „Wir wollen genauer verstehen, wie sich veränderte Basalmembraneigenschaften auf die Signalgebung auswirken. Unsere Analysen zeigen, dass Netrin 4 die mechanischen Eigenschaften der Basalmembran erweicht. Dadurch entstehen zwar größere Poren, gleichzeitig wird aber das Potenzial der Krebszellen verringert, die Barriere der Basalmembran zu überwinden“, erklärt Bloch.

Bei der vorliegenden Studie konnte das Forscher*innenteam letztlich sogar zeigen, dass die Mengen von Netrin 4, die in der Basalmembran von Organen vorhanden sind, die Krebsausbreitung bestimmen können, noch bevor sich der Krebs entwickelt, und zwar bei mehreren Krebsarten. „Diese Veröffentlichung in Nature Materials ist ein Meilenstein auf dem Gebiet der Krebsforschung. Die Veränderungen der Basalmembraneigenschaften dürften sogar noch mehr Bedeutung auch für andere Prozesse haben, zum Beispiel bei anderen Erkrankungen und Entzündungsprozessen“, vermutet Bloch. Eine besondere Rolle könnten bei diesen Prozessen die sog. Caveolae spielen, deren Bildung beim Fehlen von Netrin 4 gestört ist. „Das sind Einstülpungen der Basalmembran, die eine Reihe von Signalfunktionen erfüllen. Sind diese Caveolae verändert, können damit verschiedene Krankheitsbilder einhergehen“, sagt Bloch.

In einem nächsten Schritt wird sein Team untersuchen, wie das Protein Netrin 4 auf Belastung reagiert. Gesunde Probanden und das Blut von Tumorpatienten sollen dazu analysiert werden.