Ursachen von Überlastungs- und Wachstumsschäden

Messungen in einem sogenannten Footbonaut® - ein komplexes technologisches Trainingsgerät, das in sehr weitem Sinne einer Ballmaschine im Tennis ähnelt. (Foto: Ralf Müller)

In den letzten Jahren kommt es im Fußball zunehmend zu Arten von Verletzungen, die früher in dieser Häufung nicht beobachtet werden konnten. Dieses vermehrte Auftreten von z.B. Schambeinentzündungen, Rissen oder Teilrissen der Hüftmuskulatur sowie Schädigungen der Sehnenansätze am Becken kann mitunter massive Karriereeinschnitte, wenn nicht sogar das Karriereende bedeuten. Doch wo liegen die Ursachen?

Ein Forscherteam an der Deutschen Sporthochschule Köln unter Leitung von Professor Dr. Wolfgang Potthast, Institut für Biomechanik und Orthopädie, nimmt sich seit längerem der Fragestellung an, ob mögliche Ursachen dieser Verletzungsproblematiken bereits in der Gestaltung des Trainings im Kindes- und Jugendalter zu suchen sind. Wie unterscheiden sich fußball-typische Bewegungsabläufe sowie die muskulo-skelettale Belastung bei Kindern und Jugendlichen von Erwachsenen? Welche Rückschlüsse auf Verletzungs- und Schädigungsrisiken lassen sich daraus ziehen und welche präventiven Trainingsinterventionen oder sporttechnologischen Maßnahmen im Hinblick auf Schuhe, Bälle oder Untergründe sind zu empfehlen? „Für mich geht es in erster Linie darum, die Ursachen von Überlastungs- und Wachstumsschäden bei kindlichen und jugendlichen Fußballspielern besser zu verstehen“, so Projektleiter Potthast. „Bei der Vielzahl der Kinder- und Jugend-Trainingszentren auf unterschiedlichen Leistungs- und Professionalitätsniveaus ist es enorm wichtig, die Zusammenhänge zu verstehen und rechtzeitig präventive Maßnahmen einleiten zu können.“

In einem aktuellen Forschungsprojekt arbeitet das Institut für Biomechanik und Orthopädie mit Fußballbundesligist TSG 1899 Hoffenheim sowie den Big Data Analysten der Cavorit GmbH zusammen. Untersucht wird das schnelle und zielgenaue Passspiel, kombiniert mit raschen Drehungen und Richtungswechseln. Die Messungen finden in einem sogenannten Footbonaut® statt, ein komplexes technologisches Trainingsgerät, das in sehr weitem Sinne einer Ballmaschine im Tennis ähnelt. Dem trainierenden Spieler werden dabei aus bis zu acht verschiedenen Richtungen Bälle zugespielt, die in wechselnde illuminierte Ziele gepasst werden müssen. In einem Pilotprojekt, das im Rahmen der langjährigen Kooperation des Instituts mit Borussia Dortmund und Mannschaftsarzt Dr. Markus Braun sowie DSHS-Gastprofessor Dr. Hartmut Krahl bereits vor zwei Jahren durchgeführt wurde, konnten beim Passen mit der Innenseite zum Teil überraschend hohe muskuläre Belastungen an relativ kleinen Hüft-Adduktorenmuskeln identifiziert werden. Diese könnten mit den genannten Verletzungen am Schambein, an Muskel- und Sehnenursprüngen sowie den Muskeln selbst ursächlich zusammenhängen.

Bei den Untersuchungen mit Borussia Dortmund konnte das Messverfahren entwickelt und getestet werden, das jetzt auch in Hoffenheim zum Einsatz kommt. Ein Bewegungsanalysesystem mit 16 Infrarot-Highspeed-Kameras analysiert dabei im Footbonaut die Bewegungsabläufe von bis zu 80 Nachwuchsspielern unterschiedlicher Altersstufen. Das primäre Ziel der Studie ist es, altersspezifische Bewegungs- und Belastungsbesonderheiten zu identifizieren. Im weiteren Verlauf sollen daraus präventive Trainingskonzepte entwickelt werden. Zum anderen soll überprüft werden, ob sich bestimmte Pass-Techniken ungünstig auf die muskulo-skelettale Belastung auswirken. Weitere Fragestellungen befassen sich mit Zusammenhängen zwischen Trefferquote und Körperposition bei Ballannahme und Passspiel sowie weiteren bewegungstechnischen Zusammenhängen.