Zum Gedenken an Olympiasieger Helmut Bantz

Er war einer der besten Turner seiner Zeit: Helmut Bantz, Olympiasieger im Pferdsprung bei den Olympischen Sommerspielen in Melbourne 1956, wäre am 14. September 100 Jahre alt geworden. Der in Speyer geborene und spätere Diplom-Sportlehrer an der Deutschen Sporthochschule Köln starb nach langer Krankheit im 83. Lebensjahr 2003 an seinem Wohnsitz im Stadtteil Brauweiler in Pulheim (Rhein-Erft-Kreis). Er hatte mehrere gesundheitliche Rückschläge hinnehmen müssen (u.a. Beinamputationen wegen Durchblutungsstörungen). Im Gedenken an seinen 100. Geburtstag sei an seine großartigen Leistungen im Gerätturnen und an den Menschen Helmut Bantz erinnert:

Helmut Bantz wuchs in einer turnbegeisterten Familie auf. Sein Vater war u.a. Vorsitzender des Turnvereins Speyer, wo Sohn Helmut früh in der Kinderabteilung erste Bewegungserfahrungen an Geräten machen durfte, obwohl seine „heimliche Liebe“ dem Fußballspiel galt. Doch erste größere Erfolge bei Deutschen Jugendmeisterschaften im Kunstspringen 1937 und 1938 sowie die Titel des Deutschen Jugendmeisters 1939 und 1940 im „Geräteturnen“ (wie man damals schrieb!) spurten recht schnell seinen weiteren Weg bis in die Weltspitze und in Richtung Olympische Spiele vor, gepaart mit erfolgreichen Teilnahmen bei Länderkämpfen und bei Deutschen Turnfesten.

Bei den Olympischen Spielen 1952 in Helsinki belegte Helmut Bantz im Zwölfkampf den 8. Rang. Vier Jahre später bei den Spielen im australischen Melbourne war es dann soweit: Olympiasieger gemeinsam mit dem sowjetischen Turner Valentin Muratov (1928-2006) im Pferdsprung – jenem Gerät, das seit den Turnweltmeisterschaften 2001 durch einen Sprungtisch ersetzt worden ist. In seinem Buch „So weit war mein Weg“ (Limpert Verlag Frankfurt 1958) beschreibt Helmut Bantz selbst seine größten Wettkämpfe und nimmt uns noch einmal „verbal“ mit in die entscheidenden Stunden am Tag des 5. Dezember 1956 im West-Melbourne-Stadium:

Er selbst hatte im Rahmen des Mannschaftwettkampfes seinen zweiten Pferdsprung mit einer 9,45 Punkte-Wertung zwar sicher gestanden: „Aber der Traum von der Goldmedaille war für mich ausgeträumt“. Sechs Stunden später wurde dieser Traum dann doch noch völlig unerwartet Wirklichkeit, weil sein ärgster Widersacher beim Stand „das kleine Schrittchen“ (O-Ton Bantz) machen musste und deswegen die gleiche Gesamt-Wertung von 18,85 für beide Kontrahenten zustande kam: „Die Zahlen der Wertungstafeln schwammen vor meinen Augen – und lange ehe ich begriffen hatte, was sie ausgesagt hatten, schrien meine Kameraden auf: Zusammen mit Muratov hatte ich die Goldmedaille gewonnen. Ich war am Ziel.“

Bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom war Helmut Bantz (kurz vor seinem 39. Geburtstag) zwar noch akkreditierter Teilnehmer, kam jedoch nicht mehr als Aktiver zum Einsatz. Zu seinen herausragenden turnerischen Leistungen gehören auch die beiden Vize-Weltmeistertitel am Reck und im Pferdsprung 1954 in Rom und der Titel des Europameisters 1955 in Frankfurt am Barren. Erinnerst sei auch an den internationalen Jahn-Gedächtnis-Wettkampf 1953 in der Berliner Waldbühne, wo Helmut Bantz vor 12.000 (!) Zuschauern Zweiter wurde. Insgesamt 18 Titel bei Deutschen Meisterschaften gehören ebenso zu den Erfolgen seiner langen Karriere, nach deren Abschluss er reihenweise Ehrenämter auf Vereins- und Verbandsebene bekleidete und im Deutschen Turner-Bund (DTB) u.a. das Stützpunktsystem etablierte.

Für seine großartigen Leistungen im Turnen und Verdienste für den Sport wurde ihm 1982 das Bundesverdienstkreuz am Bande verliehen, 1986 der Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen; Helmut Bantz wurde 1998 mit der Walter-Kolb-Plakette des DTB ausgezeichnet und 2008 in die Hall of Fame des deutschen Sports bei der Stiftung Deutsche Sporthilfe aufgenommen.   

Zur sportlichen Biografie von Helmut Bantz gehört aber auch noch ein ganz anderes Detail: Während des Zweiten Weltkrieges kam er in englische Gefangenschaft und durfte in der Nachkriegszeit aufgrund seiner dort bekannt gewordenen Expertise die englische Turnmannschaft zur Vorbereitung auf die Olympische Spielen in London 1948 trainieren. Eine deutsche Olympia-Mannschaft war zu dieser Zeit noch nicht wieder zugelassen. So war Helmut Bantz einer der ganz wenigen Deutschen, die in London bei den Spielen dabei sein durften.

Helmut Bantz gehörte zu der ersten Generation von Studierenden an der Deutschen Sporthochschule Köln, wo er selbst nach Beendigung des Studiums für 31 Jahre als Diplom-Sportlehrer seinen Arbeitsplatz als hauptberuflicher Leiter des Fachgebietes Gerätturnen fand und sich auch als Fachbuchautor einen Namen machte. Und was seine „heimliche Liebe“ zum Fußballspiel anbelangt, verwies Bantz zu Lebezeiten gern darauf, dass er während seines Studiums beim damaligen Bundestrainer Sepp Herberger (1997-1977) das Sonderfach Fußball belegte, so dass er später nebenbei als Konditionstrainer beim Bundesligisten Borussia Mönchengladbach zusammen mit dem Trainer und Kollegen Hennes Weisweiler (1919-1983) arbeiteten konnte und gemeinsam mit ihm das Buch „Spiel und Gymnastik für den Fußballer“ (Verlag Karl Hofmann Schorndorf bei Stuttgart 1965) herausbrachte.

Zum Schluss noch einmal ein kurzer Blick in die schon erwähnte Biografie von Helmut Bantz, in der er das letzte Kapitel mit „Nur das macht glücklich, was schwer erkämpft werden muss“ überschreibt und uns darin ganz am Ende mit auf den Weg gibt: „Was ist das Leben schon ohne ein Ziel zu haben, und ihm nachzustreben mit ganzer Kraft? Dabei weiß ich heute, rückblickend, nicht einmal, wo das größere Glück liegt: auf dem Weg zum Ziel oder am Ziel selbst. Aber eines weiß ich genau: nicht das leicht Erreichbare macht wahrhaft glücklich im Leben, sondern nur, was schwer erkämpft werden muss“.