Eine neue Erfindung

Training für die Zehen

Der „Total Toe“ trainiert die Zehenbeugemuskulatur, macht Leistungssportler*innen schneller und kann Diabetiker*innen durch eine gesunde Fußmuskulatur helfen, Amputationen zu vermeiden. Erfunden hat ihn Biomechaniker Dr. Jan-Peter Goldmann. Die Inspiration kam durch jahrelange Analyse des menschlichen Bewegungsapparates und durch einen Vergleich mit unseren Vorfahren: den Affen.

Es gibt einige Merkmale, die uns Menschen von Affen unterscheiden. Wir haben weniger Fell, ein größeres Gehirn, und die meisten von uns leben nicht mehr auf Bäumen. Fragt man Biomechaniker Dr. Jan-Peter Goldmann, was Affen und Menschen unterscheidet, dann stehen diese offensichtlichen Merkmale im Hintergrund. Goldmann nennt als erstes einen Muskel: den Musculus flexor hallucis longus. Dieser spezielle Zehenbeugemuskel verläuft von den Zehenendgliedern über das Sprunggelenk bis fast zum Knie hinauf. Es ist ein langer Muskel, der die Großzehe beugt, ihr Greifen ermöglicht, der die Längswölbung des Fußes beeinflusst und den Fuß-Sprunggelenk-Komplex stabilisiert. „Der Gorilla hatte einen deutlich größeren Musculus flexor hallucis longus. Beim Menschen ist dieser Muskel weitestgehend eingeschlafen. Er ist unterfordert und bildet sich zurück“, sagt Dr. Jan-Peter Goldmann.

Goldmann ist Fachmann für Füße. Im Labor vermisst er sie mit 3D-Scannern, er untersucht, wie sie in Schuhen sitzen, welche Muskulatur sie ansteuert und welche Trainingsmethoden sie gesund halten – und das seit 20 Jahren. Schon zu Beginn seiner wissenschaftlichen Laufbahn – er arbeitete damals als Studentische Hilfskraft am Institut für Biomechanik und Orthopädie – fing Goldmann an, sich mit dem Bewegungsapparat des Menschen und mit dem Fuß zu beschäftigen. Natürlich unterscheidet den Menschen mehr als nur die Fußmuskulatur vom Affen, aber die Zehenbeuger faszinieren Goldmann besonders. Vor allem, weil in seinen biomechanischen Untersuchungen immer wieder deutlich wurde, welches Potenzial in diesen Muskeln steckt. „Wir haben in Trainingsstudien gesehen, wie stark die Fußmuskulatur auf Training reagiert. Und zwar mit Kraftzuwächsen von 60 bis 70 Prozent. Im Gegensatz dazu liegen wir bei großen Muskelgruppen, wie zum Beispiel dem Kniestrecker, Hüftstrecker oder Fußstrecker, bei höchsten Anstrengungen nur bei etwa 20 bis 30 Prozent. Das zeigt, von welchem Niveau aus die Zehenbeuger starten“, sagt Goldmann.

Wo liegt die Ursache? Weil der Mensch vor Millionen Jahren anfing, sich aufzurichten, änderte sich sein Skelettsystem. Es passte sich dem aufrechten Gang an; besonders Becken, Beine und Füße veränderten ihre Struktur und Muskulatur. Und im letzten Glied in dieser Kette, den Füßen, seien Schuhe hinzugekommen, die dem Musculus flexor hallucis longus und seinen benachbarten Strukturen Arbeit abnehmen, sagt Goldmann und erklärt weiter: „Weil im europäischen Raum sehr viel mit Schuhen gegangen wird, bildet sich die Fußmuskulatur nicht so stark aus und bleibt eher verkümmert. Deshalb fehlt vielen Füßen die Stabilität, der Fuß kann sich nicht alleine stützen. Das kann zu Beschwerden führen, zum Beispiel bei Senk-, Knick- und Spreizfüßen.“

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