Auf die Pferde, fertig, los!

Musik ertönt, die Reiterin grüßt und strafft die Zügel. Elegant und in möglichst sorgfältiger Ausführung vollführt sie die Piaffe, Zickzack-Traversalen und die Pirouette. Rund drei Minuten dauert die Dressurkür, dann grüßt die Reiterin erneut und reitet vom Feld – nur ohne Pferd.

Genauer gesagt: ohne ein echtes Pferd. Zwischen ihren Beinen hält sie ein Steckenpferd aus Holz und Plüsch. Neben der Dressur sind weitere Wettkampfformen das Springreiten, das Pferderennen oder das Puissance. Die Rede ist von Hobby Horsing. Im September letzten Jahres fanden die ersten Deutschen Hobby Horsing Meisterschaften in Kalbach bei Frankfurt am Main statt, mit rund 300 Teilnehmer*innen und mehr als 1.500 Zuschauer*innen. Die Trendsportart, die ursprünglich aus Finnland stammt, erfreut sich stetig steigender Beliebtheit. 

Vor rund zwei Jahren wurde der Deutsche Hobby Horsing Verband (DtHHV) gegründet, der sich als nationaler Dachverband für die Anerkennung und Weiterentwicklung der Sportart einsetzt. Auch ein offizielles Hobby Horsing Regelwerk für Dressur und Springen wurde im Juli 2024 erstmals veröffentlicht. Für die Wettkämpfe gelten ähnliche Regeln, wie beim Reitsport mit echten Pferden. Beim Springreiten etwa muss ein Parcours mit acht bis zwölf Hindernissen in verschiedenen Höhen möglichst fehlerfrei und schnell bestritten werden. Beim Dressurreiten bewerten die Kampfrichter*innen Schwierigkeit und Ausführung der verschiedenen Elemente der Kür. Die Disziplin Hochsprung ist vor allem bei den Zuschauer*innen sehr beliebt. Hier gilt es, ein möglichst hohes Hindernis zu bezwingen. Der aktuelle Weltrekord liegt bei 1,42m. Der Sprung wird im Galopp ausgeführt, der Stock des Pferdes muss vom Absprung bis zur Landung den Oberschenkel der Reiterin bzw. des Reiters berühren. Tut er dies nicht oder wird das Hindernis gerissen, sind Pferd und Reiter*in disqualifiziert. 

Viele der Hobby Horses sind selbst gemacht. Strenge Gestaltungskriterien gibt es dabei nicht. Es wird lediglich empfohlen, die Größe und das Gewicht des Pferdes auf die Körpergröße des Reiters bzw. der Reiterin anzupassen. Viele Hobby Horser haben für jede Disziplin ein eigenes Pferd: Fürs Springen leicht und kurz, für die Dressur länger und anmutig. Wer nicht selbst basteln möchte, findet in spezialisierten Onlineshops sämtliches Zubehör: Decken, Ohrenkappen, Fliegenmasken, Stricke, Trensen, Halfter mit Fell und noch viel mehr. Sogar die Möglichkeit einer Spezialanfertigung, etwa nach Fotovorlage, ist gegeben. Immer häufiger sind Kleidung und Pferd aufeinander abgestimmt – feste Regeln für die Kleiderwahl gibt es jedoch nicht. Wie im Reitsport gibt es auch beim Hobby Horsing keine Geschlechtertrennung. Klassifiziert wird nach Alter und gegebenenfalls nach Körpergröße, etwa bei Hochsprung-Wettbewerben. 

In Deutschland gibt es bereits über 350 Vereine, die Hobby Horsing als eigene Sparte anbieten. Rund 200 davon sind Reitvereine, etwa 150 Sportvereine. Die Zahl der aktiven Hobby Horser beläuft sich aktuell auf mehr als 9.500. Aber: Ist das wirklich Sport? Darüber haben wir uns mit Matthias Bojer unterhalten. Der Dozent der Deutschen Sporthochschule Köln ist ehemaliger Profi-Springreiter, hat eine eigene Pferdezucht und ist an unserer Universität für die Reitlehrausbildung der Studierenden zuständig.

Ist Hobby Horsing wirklich Sport?

Interview mit Reitsport-Dozent Matthias Bojer

Herr Bojer, was geht Ihnen durch den Kopf, wenn Sie an Hobby Horsing denken? 
Ich muss gestehen, dass es mir ein Schmunzeln entlockt. Erwachsene Menschen, die mit einem Besenstil zwischen den Beinen Pirouetten drehen, ist schon ein bisschen zum Piepen. ABER: Ich bin auch unbedingt der Meinung, dass jede Bewegung sinnvoll ist und sowieso alle Menschen, ob Kind oder Erwachsener, das machen sollten, was ihnen Freude bereitet. 

Hobby Horsing ist aus Ihrer Sicht also keine ernstzunehmende Sportart?
Das würde ich nie sagen. Die Hobby Horser vollbringen sportliche Leistungen, definitiv. Aber es hat aus meiner Sicht wenig mit Reitsport zu tun.

Weil die Pferde aus Holz und Plüsch und nicht aus Fleisch und Blut sind?
Ja. Pferde sind mit sehr hoher Sozialkompetenz ausgestatte Lebewesen. In meinem Verständnis von Reitsport steht die Mensch-Tier-Beziehung an erster Stelle. Der richtige Umgang mit Pferden, die Pflege, die Haltung, das Füttern – all das und noch viel mehr gehört zwingend dazu. Es genügt nicht, reiten zu können. Und dieser Aspekt, der verantwortungsvolle Umgang und die Interaktion mit dem Tier, ist im Hobby Horsing nicht gegeben.

Die Deutsche Reiterliche Vereinigung, der Bundesverband für Pferdesport und Pferdezucht, führt Hobby Horsing unter Breitensport auf ... 
Ich finde nicht, dass sich das wiederspricht. Die FN (Anm. d. Red.: Fédération Equestre Nationale) hat den Trend erkannt und nutzt ihn zur Nachwuchsförderung. Hobby Horsing kann eine gute Möglichkeit sein, um Kinder früh an den Reitsport heranzuführen. Zudem ist der Zugang deutlich einfacher und  kostengünstiger. Aber irgendwann muss der Übergang zum echten Pferd erfolgen.

Haben Sie es einmal ausprobiert?
Ich glaube, jeder ist schon einmal auf einem Stock oder Besenstil geritten – nicht nur die Bibi Blocksberg – oder Pferde-Fans unter uns. Einen Hindernis-Parcours auf einem Steckenpferd habe ich noch nicht bestritten. Vor allem meine Kinder hätten Spaß bei dem Anblick. Das Thema Hobby Horsing ist spannend und mit Sicherheit polarisierend. Ich werde das im nächsten Semester mit in meine Hausarbeits-Themenliste aufnehmen. 

Ihr Fazit zum Schluss … Hobby Horsing: Ist das wirklich Sport?
Ja! Hobby Horsing ist Sport, aber kein Reitsport. 

Das sagt der Verband

Hobby Horsing ist ein Leistungssport, der eine beeindruckende Bandbreite an sportmotorischen Fähigkeiten erfordert. Der Sport, bei dem Athleten auf Steckenpferden anspruchsvolle Parcours bewältigen und Choreografien vorführen, fordert körperliche Fitness und Ausdauer. Vor allem die Bein-, Bauch- und Rückenmuskulatur werden stark beansprucht, da sowohl das Springen über Hindernisse als auch das Laufen im Vordergrund stehen. Darüber hinaus sind Beweglichkeit, Koordination und Sprungkraft essenziell, um die präzisen und eleganten Bewegungen auszuführen, die für den Erfolg in dieser Disziplin nötig sind. Regelmäßiges und gezieltes Training ist daher unerlässlich, um den hohen Anforderungen des Sports gerecht zu werden und das kreative Zusammenspiel von Sport und Fantasie zu meistern.

Gut zu wissen

Hobby Horsing in Kürze
  • Beim Hobby Horsing oder auch Steckenpferdreiten werden Elemente aus dem Pferdesport nachgestellt
  • Es gibt verschiedene Disziplinen; zum Beispiel: Dressur, Springen, Western
  • Dabei übernehmen die Hobby Horser sowohl die Rolle des Reiters/der Reiterin als auch die des Pferdes
  • Alle Steckenpferde sind erlaubt – gekauft oder gebastelt
  • Viele Hobby Horser haben für jede Disziplin ein eigenes Hobby Horse (Springen: leicht und kurz, Dressur: länger und anmutig)
  • Die Regeln sind ähnlich wie beim Reitsport; beim Springreiten etwa muss ein Parcours möglichst fehlerfrei und schnell absolviert werden
  • Gerten und Sporen sind nicht zugelassen
Zahlen & Fakten
  • In Deutschland gibt es über 9.500 aktive Hobby Horser 
  • Mehr als 350 Vereine bieten Hobby Horsing als eigene Sparte an
  • Davon sind rund 200 Reitvereine und etwas über 150 Sportvereine
  • Die meisten Aktiven sind zwischen 12 bis 15 Jahre alt, gefolgt von den 9- bis 12-Jährigen
  • Niedersachsen ist das Bundesland mit den meisten Aktiven (25%), gefolgt von Baden-Württemberg (22,4) und Schleswig-Holstein (9%); NRW liegt auf Platz vier (7,2%)
  • Im September 2023 wurde der erste Deutsche Hobby Horsing Verband e. V. (DtHHV) gegründet
  • Letztes Jahr fanden die ersten Deutschen Hobby Horsing Meisterschaften statt