„Gute wissenschaftliche Praxis ist um wahren Erkenntnisgewinn bemühte Wissenschaft.“

Was leitet Wissenschaftler*innen in ihrer Forschung? An welchen Regeln und Prinzipien orientieren sie sich? Warum ist es wichtig, die Grundlagen guten wissenschaftlichen Arbeitens zu einem frühestmöglichen Zeitpunkt in der akademischen Lehre und wissenschaftlichen Ausbildung zu vermitteln? Hedda Lausberg, als Prorektorin zuständig für Forschung, wissenschaftliches Personal und Nachwuchs, im Interview.

Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) hat die zukünftige Bewilligung ihrer Fördermittel an die rechtsverbindliche Umsetzung ihres Kodexes geknüpft. Als Konsequenz hat die Deutsche Sporthochschule die DFG-Leitlinien in eine neue „Ordnung zur Sicherung guter wissenschaftlicher Praxis und für das Verfahren bei Verdacht auf wissenschaftliches Fehlverhalten“ überführt. Frau Professorin Lausberg, was sind die Hintergründe?
Die aktuelle Fokussierung der DFG auf das Thema „Gute wissenschaftliche Praxis“ hat ihren Ursprung in den 1980er Jahren. Damals ging es um eine objektivere Beurteilung wissenschaftlicher Leistung, z.B. durch stärkere Quantifizierung. Als Folge hat sich das ganze Belohnungssystem in der Wissenschaft verändert, Leistung wurde beurteilt anhand von Zahlen, wie Anzahl der Publikationen, Erstautor*innenschaft, Impactfaktor etc. Mögliche Folge – gerade für junge Forscher*innen, die sich im Wissenschaftssystem noch etablieren müssen: Der Erkenntnisgewinn rückt gegenüber dem Publikationsdruck in den Hintergrund. Hier hat die DFG jetzt gegengesteuert und explizit zu diesem Punkt Stellung genommen.

Um welche Leitlinien und Prinzipien, denen Wissenschaft verpflichtet ist, geht es konkret?
Zu den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis gehören ganz unterschiedliche Punkte; an erster Stelle steht das Berufsethos, die Wissenschaftler*innen verpflichten sich hier der guten wissenschaftlichen Praxis. Natürlich muss die Deutsche Sporthochschule als Institution die entsprechenden Rahmenbedingungen schaffen. Weiterhin definiert die Ordnung, wie wissenschaftliche Leistung ewertet werden soll, nicht rein quantitativ, sondern in dem Sinn, dass die Qualität der Forschung primär ist und begutachtet werden soll. Auch weitere Leistungen sollen wertgeschätzt werden, wie z.B. Engagement in der Lehre und der akademischen Selbstverwaltung oder Aspekte des Technologietransfers. Zur guten wissenschaftlichen Arbeit gehört weiter, dass Daten sauber erhoben und nicht verfälscht werden, ein Forschungsdesign, das eine objektive Datenerhebung möglich macht, und schlussendlich eine sorgfältige und überprüfbare Dokumentation. Die neue Ordnung definiert auch die Etablierung geeigneter Betreuungsstrukturen für den wissenschaftlichen Nachwuchs. Hier ist, aus meiner Sicht, einer der wichtigsten Faktoren die Vorbildfunktion der Betreuungsperson. An der Sporthochschule gibt es bereits sehr gute Ausbildungsstrukturen: Schon im Bachelor- und Masterstudium werden die Studierenden systematisch an das wissenschaftliche Arbeiten herangeführt, der Promotionsstudiengang wurde gerade weiterentwickelt; außerdem unterstützt die Abteilung Forschung und wissenschaftlicher Nachwuchs Studierende und Postdocs mit Informationen, Beratungsangeboten und zahlreichen Weiterbildungsformaten.

Das Interview weiter lesen

Bereits 2016 hat die Hochschule das Ombudssystem als Teil des universitären Qualitätsmanagements aufgenommen. Was muss eine Ombudsperson für ihr Amt mitbringen? Wer kann sich an die Ombudsperson wenden?
Die Ombudsperson für den Bereich Forschung sollte aus meiner Sicht eine Person sein mit langjähriger wissenschaftlicher Erfahrung im Forschungsbusiness, die die aktuellen Tendenzen in der Wissenschaftskultur kritisch eurteilen kann. Da es in dieser Funktion auch um den objektiven Blick und die Schlichtung bei Vorwürfen zu wissenschaftlichem Fehlverhalten geht, ist Integrität, Autorität und auch Anerkennung und Respekt der Kolleg*innen von höchster Bedeutung. An die Ombudsperson wenden können sich alle Hochschulangehörigen, Hochschulleitung, Mitarbeiter*innen und natürlich auch Studierende.

Sie lehren im Master Rehabilitation, Prävention und Gesundheitsmanagement – sprechen Sie mit den Studierenden über das Thema gute wissenschaftliche Praxis?
Über gute wissenschaftliche Praxis spreche ich z.B. in meinem Seminar „Wissenschaftliches Projekt“. Schon bei der Projektthemenauswahl versuche ich, die jungen Forscher*innen dafür zu sensibilisieren, etwas zu erforschen, das sie wirklich für relevant halten. Wir sprechen auch über den Umgang mit Studienergebnissen; wie gehe ich mit einer Studie um, die eine bestimmte Fragestellung im Fokus hat, und die Ergebnisse weisen in eine ganz andere Richtung? Soll oder darf ich dann einfach meine Fragestellung ändern? So etwas muss man dann kontrovers diskutieren. Zum Auftrag unserer Universität gehört auch, dass wir die Studierenden ausbilden, Zahlen kritisch zu lesen und sich ein eigenes Bild zu verschaffen. Hat z.B. eine Studie herausgefunden, dass die Sterblichkeit um 100% zugenommen hat, kann das auch heißen, dass statt einer Person von 100.000 Personen jetzt zwei Personen von 100.000 gestorben sind. Die objektive Einschätzung der Ergebnisse ohne Verzerrung ist aber nur möglich, wenn ich die konkreten Zahlen kenne, d.h. auch die Rohdaten zugänglich gemacht wurden.