Nr. 5/2018

Psychologische Merkmale von talentierten Fußballspielern - Empfehlungen zur Verbesserung der Trainerbewertung

Die Persönlichkeit und die psychologischen Fähigkeiten und Fertigkeiten eines Fußballspielers haben sich in der Wissenschaft als entscheidende Faktoren für dessen zukünftigen Erfolg herausgestellt. In der Praxis gibt es für die Erhebung dieser Aspekte, zusammengefasst unter dem Oberbegriff psychologische Merkmale, kein standardisiertes Verfahren. Wissenschaftlerinnen des Psychologischen Instituts haben nun Empfehlungen zur Verbesserung der Trainerbewertung veröffentlicht.

Oftmals sind es die Trainer, die auf selbst entworfenen Beurteilungsbögen die Bewertung der psychologischen Merkmale der Spieler durchführen. Dr. Babett Lobinger und Lisa Musculus vom Psychologischen Institut haben Empfehlungen zur Verbesserung der Trainerbewertung formuliert, die in dem Fachjournal „Frontiers in Psychology“ veröffentlicht wurden.

Psychologische Merkmale haben sich als relevante Prädikatoren für die Fußballleistung erwiesen. In der Forschung wurden bislang allgemeine und sportspezifische standardisierte Selbstbericht-Fragebögen in der psychologischen Diagnostik von Sporttalenten eingesetzt. „In Hinblick auf die Bewertung psychologischer Merkmale von talentierten Fußballspielern ist jedoch eine Kluft zwischen Forschung und Praxis offensichtlich“, sagt Dr. Babett Lobinger. Auf der einen Seite bitten Clubs ihre Trainer, die Spieler auf selbst gestalteten Scouting-Sheets zu bewerten. Auf der anderen Seite konzentriert sich die Forschung hauptsächlich auf die Selbstberichte der Spieler. „Da Trainer Experten sind und ein intuitives Verständnis für gültige psychologische Merkmale besitzen, empfehlen wir dringend, zusätzlich zu den standardisierten Selbstbericht-Fragebögen die externen Bewertungen der Trainer hinzuzufügen“, so Lobinger. Die Sportpsychologinnen geben daher Empfehlungen, wie eine diagnostisch fundierte Beurteilung im Talententwicklungsprozess sichergestellt werden kann.

„Um die psychologischen Fähigkeiten talentierter Fußballspieler fundiert diagnostizieren zu können, sollten die Bewertungen der Trainer die zentralen diagnostischen Standards erfüllen“, sagt Lisa Musculus. Ratings sollten so objektiv wie möglich sein, das heißt, vorzugsweise unabhängig von der Person, die die psychologischen Merkmale bewertet, wie ein Scout oder der Coach. Zweitens sollte die Messung reliabel sein, was bedeutet, dass die Merkmale angemessen und genau, mit geringem Messfehler, eingeschätzt werden sollten. Hinsichtlich der Validität der Messungen sind sowohl die gleichzeitige als auch die voraussagende Validität von hoher Relevanz. „Eine Messung ist konkurrent valide, wenn eine Beziehung zwischen einer Variablen und einem extern gemessenen Kriterium gleichzeitig besteht. Eine Bewertung ist prädikativ valide, wenn externe Kriterien auf der Grundlage früher bewerteter Faktoren vorhergesagt werden können“, erklärt die Wissenschaftlerin. Um die Beurteilung der Coaches zu optimieren, müssen verschiedene Aspekte in Bezug auf Objektivität, Reliabilität und Validität der verwendeten Instrumente berücksichtigt werden.

„Um die vorgeschlagenen diagnostischen Empfehlungen erfolgreich umsetzen zu können, sind wir der Meinung, dass Clubs, Leistungszentren und Coaches zusätzliche Unterstützung erhalten sollten“, sagt Dr. Babett Lobinger. Diagnostische Prinzipien könnten in den Standardlehrplan von Trainerausbildungsprogrammen eingebettet werden. Im Detail könnte ein Einblick in die grundlegenden diagnostischen Prinzipien und Qualitätskriterien die Wichtigkeit einer fundierten Bewertung zeigen und helfen, die Lücke zwischen Forschung und Praxis zu schließen. Zusätzlich sollte eine Kooperation mit Sportpsychologen erfolgen. „Zum einen können Sportpsychologen dabei helfen, relevante Merkmale auf theoretisch begründete psychologische Konstrukte zu beziehen und eine diagnostisch fundierte Messung zu gewährleisten. Zweitens können Sportpsychologen die Bewertungen von Coaches unterstützen, indem sie Feedback zum Prozess geben und Ergebnisse bewerten“, so Lobinger. Die Ausbildung und Unterstützung von Trainern in der psychologischen Diagnostik und die Zusammenarbeit mit Sportpsychologen könnte höhere Qualitätsstandards in Bezug auf psychologische Diagnostik in Talent-Entwicklungsprogrammen fördern. Vor dem Hintergrund der vorgestellten Empfehlungen zur Verbesserung von Objektivität, Reliabilität und Validität psychologischer Assessments könnte auch ein internes Qualitätsmanagementverfahren für professionelle Jugendakademien gesehen werden. Das Resümee der beiden Wissenschaftlerinnen: Verbesserte Bewertungen der psychologischen Merkmale von talentierten Spielern durch den Trainer können zu besseren Vorhersagen der zukünftigen Leistung führen, die für alle Beteiligten in der Talententwicklung von Vorteil ist.

Text: Lena Overbeck