Nr. 5/2022
Ein Gedächtnisspeicher für den Sport in NRW
Die Erinnerungen von Menschen sind eine wichtige Ressource, um Wissen über die Vergangenheit zu bewahren. Zeitzeug*innen sind aus den Geschichtswissenschaften bekannt; das Fernsehen setzt sie klassischerweise in Dokumentationen ein; in der Sportwissenschaft sind Zeitzeug*innen als „Gedächtnisspeicher“ weniger präsent. Ein Pionierprojekt der Deutschen Sporthochschule Köln hat sich dieser Idee bedient und gemeinsam mit dem Deutschen Sport & Olympia Museum Zeitzeug*innen aus Nordrhein-Westfalen interviewt. Herausgekommen ist eine emotionale und persönliche Dokumentation des Sports und der Sportentwicklung in NRW.
„Eine Dortmunder Städtepartnerschaft ist Leeds in England. Ich weiß nicht, ob ich das erzählen soll. Da war zum Schluss dann so eine Strecke, die bergauf ging. Und als ich das sah, habe ich wohl zu meiner Kollegin nebenan gesagt: ‚Scheiße!‘ Und sie sagt: ‚Also, das hast du noch nie gesagt! Das kann ich in Dortmund auch nicht erzählen, dass du so etwas gesagt hast!‘ Aber es war eben aus dieser Anstrengung heraus. Als man diesen Berg dann noch einmal sah. Das war der Leeds-Marathon […].“ Diese Anekdote stammt von einer der bekanntesten Dortmunderinnen überhaupt: Elisabeth Brand, geboren 1935, engagierte sich als Sportfunktionärin und als eine der ersten Frauen in der Lauf- und Trimm-Dich-Bewegung in Nordrhein-Westfalen (NRW). Sie ist eine von 65 Zeitzeug*innen, die im Rahmen eines Forschungsprojekts ihre Sportgeschichte(n) erzählen.
NRW ist eine der bewegungsfreudigsten Sportregionen der Welt. Das bevölkerungsreichste Bundesland Deutschlands ist Heimat von rund 18.000 Sportvereinen, zahlreichen Profiklubs und zehntausenden Athlet*innen im olympischen und paralympischen Sport. Doch: „Die regionale Dimension des Sports ist weitgehend unbeachtet, es gibt darüber so gut wie keine Publikation“, beschreibt Univ.-Prof. Dr. Jürgen Mittag (Leiter des Instituts für Europäische Sportentwicklung und Freizeitforschung), der das Vorhaben gemeinsam mit Dr. Andreas Höfer verantwortet (Direktor des Deutschen Sport & Olympia Museums), den Ausgangspunkt für das Projekt. „Gerade, wenn wir über den Freizeit- und Breitensport sprechen, also jenseits des Spitzensports und der Sportförderung auf Bundesebene, dann sind es die Landessportbünde, die Sportvereine und die im Sport engagierten Personen, die in ganz erheblichem Maße für die Organisation und Ausgestaltung des Sports verantwortlich sind.“ Um dieses sportkulturelle Erbe NRWs zu bewahren und die Informationen langfristig zu sichern, haben Prof. Mittag und Dr. Höfer mit ihrem Team 65 Zeitzeug*innen interviewt. Darunter Menschen aus dem Fußball, der in NRW durch das Ruhrgebiet besonders präsent ist, aber auch viele weitere im Sport engagierte Personen. Wie eben Elisabeth Brand, die die „Viermärker Waldlauf Gemeinschaft“ in Dortmund mitgegründet hat und damit – formaljuristisch – den ersten Lauftreff, der beim Deutschen Olympischen Sportbund 1974 registriert wurde. Von ihr stammt das Zitat am Anfang des Textes.
Zeitzeug*innen des Projekts (Auswahl)
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