Nr. 1/2020

Fortschritte, Herausforderungen und Lösungen der Dopinganalytik

In einem neuen Review-Artikel zeigen Prof. Dr. Mario Thevis, Dr. Katja Walpurgis und Dr. Andreas Thomas vom Zentrum für präventive Dopingforschung (ZePräDo) der Deutschen Sporthochschule Köln, welche wissenschaftlichen Fortschritte auf dem Gebiet der Dopinganalytik erzielt wurden und welchen Herausforderungen die Anti-Doping-Arbeit derzeit gegenübersteht.

Aufgrund spektakulärer Dopingskandale bei der Tour de France 1998 beruft das Internationale Olympische Komitee im Februar 1999 eine Weltkonferenz ein. Mit dem Ziel, die Anti-Doping-Arbeit weltweit zu vereinheitlichen und zu verbessern, wird die Welt Anti-Doping Agentur (WADA) gegründet. Noch im selben Jahr nimmt sie ihre Arbeit auf. Das nationale Pendant für Deutschland, die Nationale Anti Doping Agentur Deutschland, wird 2002 gegründet. Gleichzeitig wird an der Deutschen Sporthochschule Köln das Zentrum für präventive Dopingforschung (ZePräDo) eingesetzt. Der Artikel „Analytical Approaches in Human Sports Drug Testing: Recent Advances, Challenges, and Solutions“ skizziert die Entwicklung der Anti-Doping-Arbeit.

Welche Fortschritte die Dopinganalytik in kürzester Zeit macht, zeigt sich eindrucksvoll anhand von Nachtests eingelagerter Dopingproben. Mehr als 1.500 Nachtests wurden bei Proben der Olympischen Sommerspiele von 2008 und 2012 durchgeführt. Über 100 Sportler*innen wurden durch diese Re-Analysen im Nachhinein des Dopings überführt. Der Grund dafür: Substanzen, die zum Zeitpunkt der Probenahme noch nicht nachweisbar waren, können heute zuverlässig ermittelt werden. Ein Beispiel: anabole androgene Steroide, allgemein bekannt als „Anabolika“.  Anabolika werden im Körper derart komplex verstoffwechselt, dass sie im Urin nicht direkt nachweisbar sind. Die können nur über so genannte Metabolite bzw. Langzeitmetabolite (LTM) identifiziert werden. Als Reaktion wurden vermehrt Langzeitmetabolite in das Dopingkontrollsystem implementiert und es wurde die Messtechnik sowie die Messempfindlichkeit erhöht.

Durch die Identifizierung eines weiteren Langzeitmetaboliten erklärt sich auch der signifikante Anstieg positiver Doping-Befunde in den 2010er-Jahren. Beispielsweise wurden 2013 viermal mehr positive Befunde für Dehydrochlormethyltestosteron (DHCMT) erfasst als im Jahr zuvor. Durch den neuen Langzeitmetaboliten konnte das Nachweisfenster für DHCMT von ein bis zwei Wochen auf mehr als acht Monate erweitert werden. Aufgrund dessen beschäftigen sich Wissenschaftler*innen in der Dopinganalytik schwerpunktmäßig damit, weitere Langzeitmetabolite zu identifizieren, um so die Nachweisfenster weiterer Stoffe vergrößern zu können. Aber nicht nur auf diesem Gebiet hat sich die Dopinganalytik verändert.

Die Gaschromatographie-Massenspektrometrie (GC-MS) gehört zu den gängigen Analysetechniken in der Dopinganalytik. Erstmals zur systematischen Doping-Analyse eingesetzt wurde sie bei den Olympischen Spielen 1972 in München. Durch die Gaschromatographie-Massenspektrometrie können Molekülmassen bestimmt, Substanzgemische mit Hilfe eines Gasstromes aufgetrennt und deren Bestandteile definiert werden. Bis Ende der 1990er Jahre erfolgte die Massenspektrometrie in der Regel mit einem vorgeschalteten Gaschromatographen. Seit den frühen 2000er Jahre wurde die Gaschromatographie um die Flüssigkeitschromatographie (LC), die hochauflösende Massenspektrometrie (HRMS) und um Ionisierungstechniken erweitert.

Bis heute spielen diese Analysemethoden in den Dopingkontrolllaboren weltweit eine bedeutende Rolle. Sie können den größten Teil an bereits bekannten verbotenen Substanzen in immer geringeren Konzentrationen und sogar ganz neue Dopingmittel in ihren Untersuchungen nachweisen. Dazu gehören beispielsweise HIF-(Hypoxia-Inducible Factor) Stabilisatoren.

HIF-Stabilisatoren stimulieren die Produktion roter Blutkörperchen, verbessern damit den Sauerstofftransport des Blutes und gelten als vielversprechende Medikamente in der Therapie gegen Anämie (Blutarmut). Die Autor*innen beschreiben einen ähnlich leistungssteigernden Effekt wie bei Doping mit EPO. Daher wurden bereits 2009 die ersten Nachweisverfahren für HIF-Stabilisatoren auf Grundlage massenspektrometrischer Verfahren entwickelt und für Dopingkontrollen eingeführt. Die ersten positiven Befunde für das Präparat Roxadustat (FG-4592) wurden 2015 im Sport bekannt.

Ein weiterer Bereich, in dem die Dopinganalytik Fortschritte gemacht hat, ist der Nachweis von Peptidhormonen. Zwar stehen diese Substanzen seit 1989 auf der Verbotsliste; da der menschliche Organismus einige Peptidhormone aber selbst produziert, war es lange schwierig, in der Analytik eindeutig zwischen körpereigener Produktion und der Zufuhr von außen zu differenzieren. 2015 wurde MOTS-c identifiziert und es wurde eine Testmethode entwickelt. Im selben Jahr setzte die WADA die GHRPs (Growth Hormone Releasing Peptides) erstmalig namentlich auf die Verbotsliste, zuvor waren sie nur als verwandte Verbindungen verboten.

GHRPs sind organische Verbindungen, die bewirken, dass die Hirnanhangdrüse (Hypophyse) vermehrt Wachstumshormone ausschüttet. Diese fördern zum Beispiel das Muskelwachstum und die Regeneration und werden aus diesem Grund zu Dopingzwecken missbraucht. Die ersten Befunde mit GHRPs wurden bei Dopingkontrollen im Jahr 2014 berichtet. In diesem Zusammenhang erregten nachträglich vor allem die Nachkontrollen von Proben der Olympischen Sommerspiele 2008 in Peking Aufsehen: Drei chinesische Gewichtheberinnen konnten durch diese Re-Analysen des Dopings mit GHRPs überführt werden.

Aber nicht nur der reine Nachweis von Substanzen beschäftigt die Dopinganalytik. Vor allem die Bestimmung der Herkunft eines Analyten, d.h. eines zu bestimmenden Stoffes, stellt Forscher*innen zuletzt vor eine besondere Herausforderung. „Mehr und mehr haben sich die Ansätze der Dopinganalytik dahingehend gewandelt, dass es nicht mehr nur darum geht, die Schuld von Dopingsünder*innen nachzuweisen, sondern auch darum, die Unschuld von Athlet*innen zu beweisen, deren Dopingproben aus anderen Gründen positiv ausfallen“, sagt Prof. Dr. Mario Thevis, Sprecher des ZePräDo.

In diesem Zusammenhang erlangten Moschusdrüsensekrete Aufmerksamkeit. Erstmals wurden sie 2011 als Dopingmittel diskutiert, als bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen positive Befunde mit endogenen Steroidhormonen auffielen. Die betroffenen Athletinnen führten diese auf die Einnahme von Moschusdrüsenextrakten zurück. Die Drüsensekrete finden in der traditionellen chinesischen Medizin Anwendung und enthalten einen hohen Anteil an Steroidhormonen. Dank der Gaschromatographie/ Verbrennung/ Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie (GC / C / IRMS) konnte die Zufuhr der Wirkstoffe von außen nachgewiesen werden.

Um feststellen zu können, ob ein Stoff natürlich durch den Körper hergestellt oder künstlich von außen zugeführt wurde, wurden zuletzt Testverfahren etabliert, die auf der Isotopenverhältnis-Massenspektrometrie (IRMS) beruhen. Da IRMS-Analysen derzeit noch sehr zeitaufwändig sind, beschränkt sich ihr Einsatz hauptsächlich auf Bestätigungstests. An weiteren Methoden, um das Verfahren zu beschleunigen, wird derzeit geforscht.

Da manche Wirkstoffklassen (Stimulanzien, Betäubungsmittel, Cannabinoide oder Glukokortikoide) nicht per se verboten sind, werden bei ihnen lediglich pharmakologisch relevante Niveaus einer verbotenen Substanz zum Zeitpunkt des Wettbewerbs sanktioniert. Um bei diesen Substanzen besser beurteilen zu können, wie hoch die Konzentration zum Zeitpunkt eines Wettkampfes war, schlagen die Autor*innen vor, in Zukunft standardmäßig Blut- (Dried Blood Spots, DBS) und Urinproben zu Dopingkontrollzwecken zu entnehmen. Eine Analyse von DBS-Proben könnte im Fall von Glukokortikoidbefunden in der Primärprobe (Urin) ein umfassenderes Informationsangebot bieten und das Ergebnismanagement unterstützen.

Die Autor*innen bilanzieren in ihrem Artikel, dass empfindlichere Instrumente und ausgefeiltere Methoden die Dopinganalytik in den letzten Jahren enorm verbessert haben. So konnte das Nachweisfenster für eine Vielzahl von Analyten erweitert und Substanzen besser nachgewiesen werden. Gleichzeitig stehen Dopingkontrolllabore aber vor der Herausforderung, auch andere Szenarien als vorsätzliches Doping als Grund für einen positiven Befund in Erwägung zu ziehen. Hierzu zählen beispielsweise positive Dopingproben aufgrund von kontaminierten Medikamenten, Lebensmitteln oder Nahrungsergänzungsmitteln. Zusätzliche Daten wie z.B. der Aufenthaltsort von Athlet*innen oder das Metabolitenmuster können hierbei in Zukunft hilfreich sein.

Als großen Fortschritt auf diesem Gebiet bezeichnen die Autor*innen die Einführung des biologischen Athletenpasses (Athlete Biological Passport, ABP) vor rund zehn Jahren.  Der ABP etablierte das Konzept der personalisierten Langzeitüberwachung verschiedener Blutparameter in der Dopinganalytik und ermöglicht es, Manipulationen von Blut oder Blutbestandteilen nachvollziehen zu können.

Als vielversprechende Perspektive für die Dopinganalytik nennen die Autor*innen außerdem die Vielzahl an sensiblen Informationen über Athlet*innen, die das biologische Material (Blut, Serum, Urin usw.), welches zu Kontrollzwecken benötigt wird, liefert. Im Rahmen von Dopingkontrollen werden diese Informationen gesammelt, gespeichert und nutzbar gemacht. Umgewandelt in elektronische Daten und in Kombination mit weiteren Informationen über Geschlecht, Sportart und Zeitpunkt der Probenahme wäre eine Art „digitale Matrix“ denkbar, die gezielte Datensuchen (Data Mining) erlaubt. „Somit könnten etwa konkrete Informationen aus Tausenden von bereits analysierten Proben gezogen werden, die zum Beispiel Prävalenz oder Konsummuster erkennen lassen und auf diese Weise das etablierte Monitoring der WADA unterstützen würden“, erklärt Thevis. Wie mit den steigenden Anforderungen an die Informationsverarbeitung umgegangen wird, welche neuen Prüfmethoden die Forscher*innen in der Pipeline haben oder was behördliche Vorschriften leisten können – das alles wird sicherlich auf dem 38. Manfred Donike Workshop diskutiert, der vom 9. bis 14. Februar 2020 an der Deutschen Sporthochschule Köln stattfindet.

Text: Julia Neuburg