Knieverletzungen verstehen & vermeiden

Handball ist ein dynamischer Sport. Auf einer Spielfläche von 40 mal 20 Metern versuchen die Spieler*innen in zwei Halbzeiten à 30 Minuten, den Ball ins gegnerische Tor zu befördern. Erfolgreich ist, wer den Gegner mit Schnelligkeit, Ausdauer und gekonnten Spielzügen schlägt. Durch viele Richtungswechsel und abrupte Stopp-Bewegungen sind die Knie im Handball dabei besonders gefordert und: besonders gefährdet. Verletzungen am Knie gehören zu den häufigsten Gründen für längere Ausfälle von Spieler*innen. Für ein erfolgreiches Team kann es deshalb auch wichtig sein, die Ursache für Knieverletzungen besser zu verstehen, um ihnen vorbeugen zu können. In einem gemeinsamen Forschungsprojekt arbeiten die norwegische Sporthochschule in Oslo und die Deutsche Sporthochschule Köln (Institut für Biomechanik und Orthopädie) zusammen, um Knieverletzungen im Handball genauer zu untersuchen und um präventive Maßnahmen zu entwickeln. Ihre Erkenntnisse könnten auch in anderen Sportarten von Nutzen sein. 

Um Einblick in die Belastungsstruktur im Knie zu erlangen, untersuchten die Forschenden (von der Spoho die Doktoranden Kevin Bill und Patrick Mai, betreut durch Prof. Uwe Kersting) in dem im Jahr 2021 initiierten Kooperationsprojekt zunächst, wie sich verschieden komplexe Richtungswechsel auf die Belastung des Kreuzbandes bei weiblichen Handballspielerinnen auswirken. In diesem ersten Untersuchungsschritt konnten die Forschenden herausfinden,  dass weibliche Handballspielerinnen ein hohes Knieabduktionsmoment aufweisen – ihre Unterschenkel spreizen sich also unter Belastung leicht nach außen ab und die Knie knicken nach innen ein – und das unabhängig davon, wie komplex ein Richtungswechsel ist. Ein hohes Knieabduktionsmoment wiederum steht im Zusammenhang mit Kreuzbandverletzungen.

Auf Basis dieser Datengrundlage starteten die Forschenden im September 2022 eine Interventionsstudie, in der sie versuchten, durch gezieltes Technik- und Krafttraining das Knieabduktionsmoment zu reduzieren. Bei über 50 Handballerinnen führten sie im Rahmen dieser Messungen handballspezifische Richtungswechsel durch und zeichneten kinematische (Geschwindigkeit und Beschleunigung) und kinetische (Kraftverhältnisse) Daten auf. Zusätzlich erhoben die Wissenschaftler*innen die Kraftdaten der Probandinnen, um herauszufinden, ob das Technik- und Krafttraining das Abduktionsmoment im Knie und somit das Risiko für Kreuzbandverletzungen verringert. Dazu teilten die Forschenden die getesteten Handballerinnen in zwei Gruppen auf: eine Kontroll- und eine Interventionsgruppe. Die Spielerinnen der Interventionsgruppe führten acht Wochen lang zwei Mal pro Woche ein spezifisches Technik- und Krafttraining durch. Die Kontrollgruppe folgte ihrem regulären Training. In diesem Video erhalten Sie Einblick in die Vorbereitung des Labors und in den Versuchsaufbau.

Nach Abschluss der Intervention folgten für beide Gruppen im Labor erneut Test zu den handballspezifischen Richtungswechseln und zur Kraftfähigkeit. Mit Hilfe einer eigens entwickelten Software konnten die Doktoranden Patrick Mai und Kevin Bill den Sportlerinnen schon unmittelbar während der Intervention Feedback zu ihrer Richtungswechseltechnik geben und daraus mögliche Verletzungsrisiken ableiten; ein Verfahren, das in dieser Form bisher noch nicht angewendet wurde.

Neben der Kooperation der Sporthochschule Köln und der norwegischen Sporthochschule sind weitere Forschungspartner aus Italien, Dänemark, Japan und Spanien in das Projekt involviert. Studienleiter ist Prof. Tron Krosshaug, der die Studie gemeinsam mit Prof. Uwe Kersting vom Institut für Biomechanik und Orthopädie durchführt. An der norwegischen Sporthochschule forscht Krosshaug im Bereich Sportmedizin zu Verletzungen des vorderen Kreuzbandes im Teamsport. Die beiden Promotionsstudenten Kevin Bill und Patrick Mai vom Institut für Biomechanik und Orthopädie der Sporthochschule führten die achtwöchige Interventionsstudie in Oslo in Kooperation mit dem norwegischen Forscher durch. Die Ergebnisse werden in Kürze veröffentlicht.