„Ich kann mich für jedes Hormon begeistern, das wird mir nie langweilig.“

Herr Diel, wenn man Ihnen zuhört, könnte man meinen, Sie seien ein echter Hormon-Fan. Stimmt das? Und woran liegt das?
Hormone steuern uns unbewusst massiv, unsere Leistung, unser Verhalten, aber auch unsere Psyche. Die mächtigen Hormone steuern zum Beispiel das Reproduktionsverhalten, das heißt unsere Fortpflanzung. Es passiert immer wieder, dass sich wahnsinnig intelligente und einflussreiche Männer zu unglaublich doofen Kurzschlusshandlungen hinreißen lassen. Das ist ja teilweise irre, was da passiert, und rational nicht zu erklären. Das ist nur ein provokantes Beispiel dafür, dass Hormone wirklich eine Macht machen, und das finde ich total faszinierend.

Welches ist das wichtigste Hormon beim Menschen?
Alle Hormone sind wichtig, da gibt es kein Ranking! Es gibt welche, die sind populär, weil viel über sie geredet wird. Und es gibt Hormone, die eher ihre Aufgabe im Verborgenen tun und trotzdem super wichtig sind. Wir Endokrinolog*innen sagen: Jedes Hormon ist wichtig, sonst gäbe es das nicht. Wir kennen bis zum heutigen Tag nicht alle Hormone, es werden immer noch neue entdeckt. Das Hormonsystem finde ich bis heute faszinierend, es ist immer noch spannend, in dem Bereich zu forschen, weil man immer noch nicht alles weiß.

Haben Sie ein Lieblingshormon?
Estradiol (auch Östradiol geschrieben) ist ein Sexualhormon, das vor allem in den Eierstöcken gebildet wird. Es gehört zu den Estrogenen bzw. Östrogenen. Mit diesem Hormon beschäftige ich mich schon seit Beginn meiner wissenschaftlichen Laufbahn. Es ist das Hormon, über das ich am allermeisten weiß. Aber ich kann mich auch für jedes andere Hormon begeistern. Das wird mir nie langweilig werden.

Warum interessieren Sie sich vor allem für das weibliche Hormonsystem?
Beide Hormonsysteme – von Frauen und Männern – finde ich interessant, aber das der Frau ist noch viel faszinierender, weil es viel komplexer ist. Wir Endokrinolog*innen sagen, dass für uns Frauen viel spannender sind als Männer. Das liegt allein schon daran, dass bei Frauen das Hormonsystem ständigen Veränderungen über den gesamten Lebenszyklus hinweg unterliegt, angefangen mit dem Eintritt in die Pubertät und dem Beginn des Menstruationszyklus. Auch im Rahmen von Schwangerschaften passieren unglaublich spannende Dinge mit dem Hormonsystem der Frau. Und dann sinkt der Östrogenspiegel irgendwann ganz plötzlich innerhalb kürzester Zeit, die Menopause, umgangssprachlich Wechseljahre, ist erreicht.

Und warum hat es Ihnen die Menopause so angetan?
Im Gegensatz zum langsam absinkenden Testosteronspiegel der Männer im Alter tritt die Veränderung der physiologischen Situation bei den Frauen schlagartig auf. Und damit verändert sich ganz viel und zwar individuell sehr unterschiedlich, zum Beispiel Osteoporose, Muskelschwund, Gewichtsveränderung, Hitzewallungen.  Was passiert mit Frauen in der Menopause? Was passiert mit der Leistungsfähigkeit? Welche Erkrankungen treten auf? Mit diesen Fragen beschäftige ich mich. Dabei ist es immer sehr schwierig zu unterscheiden, welche Effekte altersbedingt sind und welche durch die Menopause bedingt sind.

Zur Person

Patrick Diel wurde 1963 in Offenbach am Main geboren; er studierte Biologie und Biochemie und promovierte im Fachbereich Pharmazie. Seit 1995 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter der Deutschen Sporthochschule Köln am Institut für Kreislaufforschung und Sportmedizin, Abteilung Molekulare und Zelluläre Sportmedizin. 2015 wurde er hier zum apl.-Professor ernannt. Patrick Diel erforscht die molekularen Mechanismen, die ablaufen, wenn der Skelettmuskel auf körperliche Aktivität reagiert. Er befasst sich auch damit, wie hormonaktive Substanzen und Nahrungsmittelbestandteile auf den Stoffwechsel und das Krankheitsrisiko wirken. Die Dopingprävention ist ein dritter Forschungsschwerpunkt.  Auch privat ist Patrick Diel sportlich: Er absolvierte 16 Marathons („Auf die Endorphinausschüttung habe ich bei allen vergeblich gewartet“), betreibt Sporttauchen und geht gerne wandern.

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