„Ich wusste nicht, dass man so glücklich sein kann.“

„Ich wollte mein ganzes Leben lang ein Junge sein. Aber ich wusste nicht, dass das geht. Vor fünf Jahren habe ich eine Doku über das Transsein gesehen. Da dachte ich: Das bin ich, ich bin trans!“

Diese Erkenntnis war für Spoho-Absolvent Finn Elias Knie der Startschuss in ein neues Leben, in ein glücklicheres Leben. Denn, so erinnert er sich im Gespräch mit ZeitLupe: „Ich war immer anders, bin immer angeeckt, war sozial absolut unverträglich. Mit mir wollte man nicht befreundet sein.“ Heute weiß er: Das lag daran, dass er in einer falschen Rolle war. Nach seinem Outing fühlte er sich anders, musste sich nicht mehr anstrengen, beliebt zu sein. „Die Leute mögen mich jetzt einfach so, wie ich bin.“ Doch bis hier hin war es ein langer und schwieriger Weg, ein Weg zu sich selbst. Eine große Rolle spielen in dieser Geschichte die Hormone: Sie haben Finns Leben verändert.

Nach einer langen Zeit der Ungewissheit, nach vielen Gesprächen mit seinem besten Freund und verschiedenen Beratungsstellen entscheidet sich Finn für eine Transition, eine Angleichung an die empfundene Geschlechtsidentität. Seit einem Jahr nimmt er Testosteron und wird dadurch nach und nach männlicher. Doch um die Hormontherapie zu erhalten, muss sich Finn mit Krankenversicherungen, Behörden, Gerichten, Ärzten, Therapeuten und Gutachtern auseinandersetzen. Was ihn zunächst daran hindert: Finn hört, dass für ihn als Lehrer eine Psychotherapie ein Ausschlusskriterium für die Verbeamtung sein kann, auch wenn diese das Mittel darstellt, um die Hormontherapie machen zu können. Er zweifelt ...

Der damalige Spoho-Student benötigt zwei Gutachten von unabhängigen Psychotherapeuten, die ihm sozusagen „bescheinigen“, trans zu sein. „Der eine war sehr wertschätzend, aber der andere Therapeut hat sehr intime Fragen gestellt, zum Beispiel zu meiner Sexualität und zum Geschlechtsverkehr, aber auch ziemlich abstruse Fragen, zum Beispiel, wann ich das letzte weibliche Kleidungsstück aus dem Kleiderschrank aussortiert hätte.“ Da musste selbst Finn ernsthaft schlucken, erinnert er sich, obwohl der 27-Jährige heute super offen mit dem Transsein und seiner Geschichte umgeht. Er möchte zur Aufklärung beitragen und queere Themen sichtbarer machen. „Da finde ich es hilfreich, wenn ich das offen kommuniziere. Schließlich erwartet die queere Community auch Offenheit von allen Menschen." Neugierige Fragen können ihn nicht aus der Ruhe bringen. Und mit dieser Art kommt er auch bei seinen Schüler*innen gut an.

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Als Finn alle Unterlagen zusammen hat, startet im August 2021 die Testosterontherapie. Alle 14 Wochen erhält er von seinem Arzt eine Spritze. „Die andere Möglichkeit wäre, sich jeden Tag mit einem Testosteron-Gel einzucremen. Danach darf man dann aber nicht mit einer biologisch weiblichen Person kuscheln, sonst kriegt die das Testosteron voll ab“, erklärt Finn lachend.

Direkt nach Therapiebeginn bekommt Finn seine Periode nicht mehr, der Stimmbruch setzt ein. Sein Körper macht also die Entwicklungen der männlichen Pubertät und der weiblichen Wechseljahre parallel und im Schnelldurchlauf durch. Seine Klitoris ist zu einem „Mikro-Penis“ herangewachsen, die Brüste hat er sich entfernen lassen. Auch die Operation, bei der die Eierstöcke und die Gebärmutter entfernt wurden, liegt hinter ihm. Damit wird nun kein Sexualhormon mehr natürlicherweise in seinem Körper produziert. Die Testosterontherapie kann noch besser bzw. schneller bewirken, dass sich das männliche Erscheinungsbild verstärkt, zum Beispiel der Bartwuchs. Finn nennt das die „erwünschten Nebenwirkungen“. Das Testosteron bewirkt noch mehr in seinem Körper: Als Schwimmer, berichtet er, habe sich seine Ausdauer verbessert. Plötzlich kann er viel länger schwimmen und hat mehr Kraft zur Verfügung. Diese Leistungssteigerung im Sport fasziniert ihn. Er kann sich jetzt auch vorstellen, als Transmann in einer speziellen Transgender-Kategorie bei Schwimmwettbewerben an den Start zu gehen. Unerwünschte Nebenwirkungen des Testosterons können Akne, Haarausfall oder Stimmungsschwankungen sein, aber davon blieb Finn bislang größtenteils verschont. Mit der Hormontherapie ist Finn also insgesamt zufrieden, das wollte er auf jeden Fall machen. „Etwas anderes ist da gar nicht notwendig. Es ist also relativ simpel“, sagt er und schmunzelt.

Zur Person

Finn hat bis 2021 an der Spoho studiert, heute ist er Lehrer

Finn Elias Knie (27) ist in Kall in der Eifel aufgewachsen und hat von 2013 bis 2021 an der Sporthochschule Sport auf Lehramt und Englisch an der Universität zu Köln studiert. Seit August arbeitet er als Lehrer. Am Ende seines Studiums entschied er sich für eine Transition, also den offiziellen Prozess der Geschlechtsangleichung zum Transmann. Seit ca. einem Jahr macht er eine Hormontherapie mit Testosteron und hat Operationen hinter sich.