Innovationen aus der Biomechanik

Drei Tage lang drehte sich in der vergangenen Woche in den Hörsälen der Sporthochschule alles um Bewegung, Belastung, Knochen, Knorpel, Muskeln und Gelenke. Vom 28. bis 30. September fand der 12. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Biomechanik (DGfB) an der Spoho statt. 281 Wissenschaftler*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz tauschten sich anlässlich des Kongresses über neue Entwicklungen in der Biomechanik und über innovative Möglichkeiten des Praxis-Transfers aus. Für die drei besten Beiträge von Nachwuchswissenschaftler*innen wurden im Rahmen des Kongresses die Young Investigators Awards verliehen. Mit dem ersten Platz wurde Daniela Mählich, Doktorandin in der Abteilung für Gewebemechanik und Mechanobiologie des Instituts Biomechanik und Orthopädie der Sporthochschule, ausgezeichnet.

„Mechanobiologie“, sagt Daniela Mählich, „erscheint für viele erstmal unverständlich und komplex. Dabei ist das Thema hochrelevant. Wir versuchen nämlich unter anderem, die mechanischen Faktoren für den Verschleiß von Gelenken zu finden; also die Ursache von Osteoarthrose.“ In der Mechanobiologie beschäftigen sich Wissenschaftler*innen wie Daniela Mählich an der Schnittstelle zwischen Biologie, Mechanik, Chemie und Physik. Sie untersuchen zum Beispiel, welche Effekte unterschiedliche Bewegungen und damit verschiedene mechanische Belastungen auf die Gelenke und auf andere muskuloskelettale Strukturen haben, also zum Beispiel auf Knorpel, Knochen und die Zellen, aus denen sie bestehen.

Beim Kongress der Deutschen Gesellschaft für Biomechanik war die Mechanobiologie nur ein Bereich, aus dem neue Ergebnisse vorgestellt und diskutiert wurden. In 17 themenspezifischen Sessions, die zum Teil in drei verschiedenen Hörsälen parallel stattfanden, stellten Forschende die neusten Erkenntnisse aus ihren Fachbereichen vor. Beispielsweise drehte sich in der Session "Bewegungsanalyse" ein Vortrag um die Frage, ob das Alter die Art und Weise, wie sich Menschen drehen, beeinflusst. Im Bereich Sportbiomechanik ging es unter anderem darum, wie sich der Weitsprung mit und ohne Unterschenkelprothese unterscheidet und in einer Session speziell zur Wirbelsäule wurde über neue Methoden in der operativen Versorgung von Wirbelsäulenschäden wie beispielsweise Bandscheibenproblematiken diskutiert.

Nach pandemiebedingter Pause war der Kongress an der Sporthochschule die erste Gelegenheit für Forschende aus dem Bereich der Biomechanik, sich wieder gemeinsam vor Ort auszutauschen. „Köln ist seit 2000 Jahren ein kultureller Schmelztiegel und damit ein idealer Ort, Ideen auszutauschen, Projekte, Konzepte, Kooperationen zu besprechen, Freunde zu treffen oder Freunde zu machen. Und dafür sind wir ja jetzt auf dieser Konferenz hier“, sagte Tagungsleiter Prof. Wolfgang Potthast in seinem Grußwort zur Eröffnung der Veranstaltung. Vor allem das Foyer der Sporthochschule, wo anlässlich des Kongresses eine Industrieausstellung aufgebaut war und abends beim ‚Get-Together‘ Currywurst angeboten wurde, bot den Teilnehmenden Gelegenheit für den typisch Kölschen Austausch.

Als besondere Anerkennung für herausragende wissenschaftliche Arbeiten wurden im Rahmen des Kongresses die Young Investigator Awards an die drei besten Vorträge von Nachwuchswissenschaftler*innen vergeben. In acht Vorträgen zu je 12 Minuten Redezeit und anschließender Diskussion gaben junge Wissenschaftler*innen aus Berlin, Hamburg, Ulm, Göttingen, Frankfurt und Köln Einblick in ihre Forschungsprojekte. Für die besten drei Vorträge wurde ein Preisgeld in Höhe von 1.000€, 750€ und 500€ ausgelobt. Doktorandin Daniela Mählich von der Abteilung für Gewebemechanik und Mechanobiologie des Instituts für Biomechanik und Orthopädie der Sporthochschule wurde für ihren Vortrag zum Thema „The Influence of plastin 3 on machanotransduction in articular cartilage“ mit dem 1. Platz im Young Investigator Award ausgezeichnet. Mit dem Protein Plastin-3 beschäftigt sie sich im Rahmen ihrer Doktorarbeit.

Plastin-3 kommt vermehrt im Gelenkknorpel von Patient*innen mit Osteoarthrose vor und steht im Verdacht, zu Knorpelverschleiß zu führen. „Es gibt Hinweise, dass Plastin-3 eine Rolle in der Umwandlung von mechanischem Stress in eine adäquate Zellantwort spielt. Wir vermuten, dass dies mit der Veränderung der Steifigkeit im Aktin-Skelett der Knorpelzelle zu tun hat, und der mechanische Stress dadurch eine veränderte Zellreaktion auslöst, die zu Knorpelverschleiß führt“, erklärt Mählich. Aktin ist als Strukturprotein Teil des Zellskeletts und scheint wichtig dafür zu sein, in der Zelle mechanischen Stress in chemische Signale umzuwandeln. Dadurch passt sich das Gewebe an verändernde Bedingungen - wie eine höhere Belastung - an. „Außerdem spielt das Aktin-Skelett eine wichtige Rolle in der Zellteilung, Zellbeweglichkeit und bei Transportprozessen sowohl ins Zellinnere als auch aus der Zelle raus“, so Mählich.

Im Rahmen ihrer Promotion analysiert die junge Wissenschaftlerin derzeit die molekularen Mechanismen, die hinter der veränderten Zellreaktion stehen. Geplant ist, alle Proteine, die im Knorpel vorhanden sind, bei unterschiedlichen Plastin-3-Mengen anzuschauen, etwaige Unterschiede zu detektieren und diese anschließend in einem 3D-Modell zu überprüfen. Die Verleihung des Young Investigator Awards ist ein Ansporn für Mählich, den eingeschlagenen Weg weiter zu verfolgen: „Es ist ein schönes Gefühl, dass die Arbeit, die man in die Forschung steckt, wertgeschätzt wird. Vor allem, weil Mechanobiologie für viele erstmal unverständlich und komplex erscheint; aber auch, weil man die qualitativ sehr gute Forschung anderer sieht und dann selbst ausgezeichnet wird. Dann hat man scheinbar doch etwas gut gemacht hat“, schmunzelt Daniela Mählich.

Das vollständige Programm des 12. Kongress der Deutschen Gesellschaft für Biomechanik (DGfB) können Sie hier abrufen.