Mondsprünge in Mailand

Foto: Valentina Natalucci; Picture taken at the L.O.O.P., an ESA Ground Based Facility at the University of Milan

Sprünge unter Mondgravitation könnten sich positiv auf das Muskel-Skelett-System auswirken und Astronaut*innen bei längeren Missionen, aber auch Menschen auf der Erde, helfen. Denn Sprungtraining könnte dem Abbau von Muskeln und Knochen durch geringere Belastung bzw. fehlende Schwerkraft vorbeugen. Im derzeit laufenden Forschungsprojekt "Movement in low gravity environments" (MoLo) simuliert ein internationales Forscherteam die Mondschwerkraft auf der Erde. Ziel ist es, zu untersuchen, wie sich der menschliche Körper an die geringere Schwerkraft anpasst und wie Springen dabei helfen kann, Knochen und Muskeln zu erhalten oder sogar wachsen zu lassen. Von deutscher Seite sind u.a. Prof.‘in Kirsten Albracht (FH Aachen & Deutsche Sporthochschule Köln) und Dr. Björn Braunstein (Deutsche Sporthochschule Köln) an dem Projekt beteiligt.

Um auf der Erde Mondschwerkraft zu simulieren, nutzen die Forschenden einen 17 Meter hohen, renovierten Lüftungsschacht der ESA-Einrichtung für „Locomotion On Other Planets“ in Mailand, Italien. Mit Hilfe eines Bungeeseil-Aufhängesystems können die Testpersonen im Versuchsaufbau Sprünge von bis zu sechs Metern Höhe durchführen. Mit elektromyographischen Sensoren messen die Forscher*innen die Muskelaktivität während des Versuchs bei verschiedenen Bewegungsaufgaben (Gehen, Hüpfen, Laufen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und Sprünge bei unterschiedlichen Schwerkraftniveaus) und erstellen mit reflektierenden Markern eine 3D-Bewegungsanalyse der Proband*innen. Zusätzlich wird am Wadenmuskel (medialer Gastrocnemius) die Länge der Muskelfaserbündel und der Sehne mit einer Ultraschallsonde bestimmt, die für die Messung in einer speziellen Form positioniert und mit elastischen Bandagen fixiert wird.

Dieser Versuchsaufbau ermöglicht es den Wissenschaftler*innen, Daten zu sammeln, die Aufschluss darüber geben, ob sich Sprünge auch für das Training von Astronaut*innen auf der Internationalen Raumstation (ISS) eignen könnten, um den Abbau von Muskeln und Knochen zu mildern oder zu verhindern. „Die Erkenntnisse aus unserem Projekt sollen helfen, das Verletzungsrisiko bei nicht fahrzeuggebundenen Aktivitäten auf der Mond- und Marsoberfläche besser einzuschätzen und Konzepte zur Reduzierung des Verletzungsrisikos zu entwickeln. Darüber hinaus werden die Ergebnisse dazu beitragen, Fitnessstandards der Besatzung unter Berücksichtigung reduzierter körperlicher Fähigkeiten zu definieren, um die Gesundheit und Leistungsfähigkeit der Besatzung sowie den Erfolg einer Mission sicherzustellen“, erklärt Prof.‘in Kirsten Albracht. Die Untersuchungen sind aber nicht nur wertvoll für Aufenthalte im All, sondern können auch dazu beitragen, das Gleichgewichtstraining für Menschen auf der Erde zu verbessern, so Albracht weiter: „Körpergewichtsunterstütztes und robotisch assistiertes Gangtraining werden zunehmend in der Rehabilitation von Patienten mit neuro-motorischen Beeinträchtigungen eingesetzt. Daher wird ein besseres Verständnis der physiologischen Anpassung der Belastung und der Bewegungskontrolle an die Schwerkraft auch bei der Entwicklung effektiver Rehabilitationsanwendungen helfen.“

Die Leitung des Projekts liegt bei dem Europäischen Astronautenzentrum (EAC) der Europäischen Weltraumorganisation in Köln. Neben Prof.‘in Kirsten Albracht und Dr. Björn Braunstein sind an dem Projekt auch Wissenschaftler*innen des EAC, der University of Bath (Großbritannien) und der Universität Mailand (Italien) sowie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (Köln) beteiligt.

Weiter Informationen zum projekt und Bilder finden Sie auf der Website der ESA. Zum Studienprotokoll geht es hier.