Unabhängige Ansprechstelle Safe Sport eröffnet

v.l.: Angela Marquardt (Betroffenenrat UBSKM/ Gründungsmitglied Safe Sport e.V.), Bundesinnenministerin Nancy Faeser, Berliner Innensenatorin Iris Spranger, Prof.'in Dr. Ilse Hartmann-Tews (Vorstandsmitglied Safe Sport e.V.). Foto: Sera Kurc

Seit fast 10 Jahren forscht die Deutsche Sporthochschule Köln zum Thema Gewalt im Sport, insbesondere zur sexualisierten Gewalt im organisierten Sport. Die  Studie »Safe Sport« zeigt, dass 85 Prozent der Kaderathlet*innen im Spitzensport Gewalterfahrungen im Sport erfahren haben – sei es psychische, körperliche oder sexualisierte Gewalt. In der aktuellen Studie »SicherImSport« wurden Vereinsmitglieder befragt, 70 Prozent der Befragten berichten von erfahrener interpersonaler Gewalt im Sport. „Unsere Forschungsergebnisse haben den organisierten Sport darin bestärkt, seine schon vorhandenen Schutzmaßnahmen für Kinder- und Jugendliche auszubauen und sich noch stärker für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einzusetzen", sagte Univ.-Prof.'in Dr. Ilse Hartmann-Tews gestern in Berlin. Dort hatten Bundesinnenministerin und Sportministerin Nancy Faeser und Berlins Innensenatorin und Sportsenatorin Iris Spranger die unabhängige Ansprechstelle Safe Sport für Betroffene sexualisierter, psychischer und physischer Gewalt im Sport eröffnet.

Das Beratungsangebot von Safe Sport richtet sich an Kinder, Jugendliche und Erwachsene, die aktuell von sexualisierter, psychischer oder physischer Gewalt im organisierten Sport betroffen sind oder dies früher waren. Betroffene erhalten psychosoziale Unterstützung in Form einer unentgeltlichen Erstberatung oder akuter Krisenintervention. Außerdem besteht die Möglichkeit einer rechtlichen Beratung. Bei Bedarf können sich Angehörige, Partnerinnen und Partner von Betroffenen sowie Zeuginnen und Zeugen ebenfalls an das Team der Ansprechstelle wenden. Auf Wunsch kann die Beratung anonym erfolgen. Die Beratung ist telefonisch unter der Hotline +49 800 11 222 00, online über eine datensichere Plattform unter www.ansprechstelle-safe-sport.de oder vor Ort in der Ansprechstelle Safe Sport, Petersburger Str. 94, 10247 Berlin möglich.

„Unsere Forschungsergebnisse zeigen, dass viele der von Übergriffigkeit und Gewalt Betroffenen ihre Erfahrungen nicht kommunizieren – aus ganz unterschiedlichen gut nachvollziehbaren Gründen. Und wenn sie Vorfälle von Übergriffigkeit offenlegen und Unterstützung suchen, stoßen sie im Umfeld des Vereins oft auf taube Ohren und haben vielfach erlebt, dass die berichteten Vorfälle unter den Tisch gekehrt wurden", so Hartmann-Tews, die bis Juli letzten Jahres das Institut für Soziologie und Genderforschung an der Deutschen Sporthochschule Köln leitete, welches mit dem Projekt »Safe Sport« erstmals Zahlen zur sexualisierten Gewalt im deutschen Spitzensport lieferte. Als Vorstandsmitglied des Trägervereins von Safe Sport sprach die Sportsoziologin gestern bei der Eröffnung der Ansprechstelle Safe Sport in Berlin. In ihrem Grußwort sagte sie auch: „Ganz offensichtlich verhindern die sozialen Strukturen im Sport, die missbräuchliche Ausübung von Macht im Sport angemessen wahrzunehmen, angemessen zu bewerten und als Organisation bei Übergriffigkeiten aktiv zu werden, um Betroffene bei der Offenlegung von Fällen zu unterstützen. Vor diesem Hintergrund bin ich dankbar, dass unsere Forschung Resonanz im politischen Raum gefunden hat, und wir nun heute auf der Basis der Initiative des Bundes und der Unterstützung aller Bundesländer die Unabhängige Anlaufsprechstelle Safe Sport eröffnen."

Getragen wird die Ansprechstelle durch den Verein Safe Sport e.V., der am Rande der 46. Sportministerkonferenz am 3. November 2022 gegründet wurde. Gründungsmitglieder des Trägervereins sind neben dem Bund, die 16 Länder, Athleten Deutschland e.V., eine Vertreterin aus dem Betroffenenrat bei der Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs sowie ein Vertreter aus der Wissenschaft.

Die unabhängige Ansprechstelle bildet den ersten Baustein eines geplanten »Zentrums für Safe Sport«, das als Vorhaben im Koalitionsvertrag verankert ist. Das Zentrum soll perspektivisch noch weitere Aufgaben im Bereich der Intervention, Prävention und Aufarbeitungvon Fällen sexualisierter und interpersonaler Gewalt im Sport übernehmen.

Hartmann-Tews: „Die Eröffnung der unabhängigen Ansprechstelle Safe Sport ist nun wirklich ein Meilenstein - nicht nur für die Umsetzung von wissenschaftlichen Erkenntnissen in politisches Handeln, sondern auch ein Meilenstein auf dem Weg zur Gründung eines Zentrums Safe Sport."