Unser Blut im Fokus

Ein einziger Mikroliter (0,001 Milliliter) Blut enthält ungefähr fünf Millionen rote Blutkörperchen. Bei einem Blutvolumen von um die fünfeinhalb Liter kommen im menschlichen Organismus einige Erythrozyten zusammen; und diese vielen Blutzellen werden auch gebraucht. Denn die roten Blutkörperchen bringen Sauerstoff von der Lunge in das Gewebe, zum Beispiel in die Organe oder die Muskulatur. Ist ihre Funktion gestört, sinkt die Sauerstoffsättigung und die Betroffenen sind weniger leistungsfähig. Ein extremer Sauerstoffmangel ist lebensbedrohlich.

Als Folgeerscheinung einer Infektion mit SARS-CoV-2 (dem „Coronavirus“) machten zu Beginn der Pandemie Zufallsbefunde zur Sauerstoffsättigung Schlagzeilen. Bei Routine-Checks von Taucher*innen nach überstandener Corona-Infektion stellten österreichische Ärzte besorgniserregend niedrige Sättigungswerte fest. Univ.-Prof. Wilhelm Bloch, Leiter des Instituts für Kreislaufforschung und Sportmedizin der Sporthochschule, beschäftigt sich seither damit, mögliche Ursachen des Sauerstoffmangels auf ultrastruktureller Ebene zu finden – also in den feinsten Strukturen des menschlichen Gewebes. Das ist sein Spezialgebiet. Mit Hilfe eines hochauflösenden und extrem vergrößernden Transmissionselektronenmikroskops konnte er unter anderem auffällige Verformungen an den roten Blutkörperchen darstellen. Weil veränderte Erythrozyten möglicherweise schlechter Sauerstoff transportieren, könnten die Verformungen Grund dafür sein, dass Menschen auch lange nach überstandener Infektion nicht voll leistungsfähig sind. „Wahrscheinlich ist die Verankerung der Zellmembran defekt. In Folge haftet die Zellmembran nicht mehr richtig am Zytoskelett und bildet Ausziehungen“, erklärt Bloch. Eine vergleichbare Veränderung hatte er nie zuvor in seinen mikroskopischen Aufnahmen gesehen.

Diese beiden mikroskopischen Aufnahmen zeigen 3.000-fach vergrößerte menschliche Erythrozyten. Auf Abbildung A sind die Blutzellen in ihrer physiologischen Form zu sehen, also so, wie sie auch bei einem gesunden Menschen aussehen. Abbildung B zeigt die roten Blutkörperchen einer Frau Anfang 20 mehr als drei Monate nach ihrer Infektion mit SARS-CoV-2. Die Erythrozyten sind nicht mehr rund, sondern kantig deformiert. Besonders markant sind die „Ausziehungen“, wie Univ.-Prof. Wilhelm Bloch sie nennt.

ERLÄUTERUNG
Wie kommen die Veränderungen an den Erythrozyten zu Stande? Das Spike-Protein des Virus dockt an die Blutkörperchen an (2) und zerstört das Zytoskelett (4). Zurück bleiben stark verformte Zellfortsätze (6), die „Ausziehungen“.

DANKE
Anncharlott Berglar absolvierte nach ihrem PhD in der Malariaforschung (Institut Pasteur de Paris) zusätzlich einen Master in wissenschaftlicher Illustration (ZHdK Zürich) und arbeitet seitdem freiberuflich in diesem Feld. Ihr Ziel ist es, die Wissenschaft sowohl durch ansprechende und verständliche Abbildungen zu unterstützen als auch mit Hilfe der kreativen Design Thinking Methode neue Ideen und Lösungsansätze für Forschungsfragen anzuregen.
Zur Bebilderung der Erythrozytenveränderung durch das Coronavirus hat Anncharlott Berglar mit Univ.-Prof. Wilhelm Bloch zusammengearbeitet und der ZeitLupe ihre Illustrationen zur Verfügung gestellt.

 

Text: Marilena Werth
Illustrationen: Anncharlott Berglar