Forschungsschwerpunkt "Sport der Medialen Moderne"

Darstellung des Forschungsschwerpunkts

Ausgangspunkt und Ziele

Wir können zeitgenössisch weltweit eine zunehmende Pluralisierung von Lebensstilen beobachten. Dies ist ein, wenn nicht das Charakteristikum der Moderne. Solche Pluralisierung ist einerseits (erst) durch die Moderne ermöglicht und bedingt, andererseits stellt sie die klassische Moderne in Frage, wobei nach wie vor unentschieden ist, ob solch quantitative Zunahme ein Symptom für eine graduelle Steigerung (Radikalisierung der Moderne), für einen qualitativen Bruch in der Moderne (zweite Moderne; reflexive Moderne) oder für einen Bruch mit der Moderne (Post-Moderne) ist.

Der Sport ist von dieser generellen Entwicklung nicht ausgenommen. Er selbst ist massiven Differenzierungsprozessen unterworfen, und er geht verschiedene Verbindungen zu anderen, ehemals tendenziell getrennten Bereichen der Gesellschaft ein, wie etwa Mode, Popkultur, Ernährung, Medien, Gesundheitssystem etc. Zugleich ist er einer der relevanten Bereiche, die jene Differenzierung von Lebensformen vorantreiben. Er ist mithin nicht nur durch die Moderne bedingt, sondern bedingt seinerseits den Entwicklungsmodus der Moderne. Insofern scheint er sich in besonderer Weise als ein Diagnoseinstrumentarium für den Zustand und die Entwicklungstendenzen moderner Gesellschaften zu eignen.

Die als typisch geltenden Merkmale moderner Gesellschaften sind lange herausgestellt:

Differenzierung der Lebensstile, die Entzauberung der Welt, Individualisierung, Säkularisierung. Eine Liste von Modernitätsmerkmalen stiftet jedoch kein so „sicheres Terrain“, wie ein notwendig forschungspragmatischer Umgang damit suggeriert. Eine Liste von Merkmalen setzt nämlich die Antwort auf die Frage nach der Moderne schon voraus, denn jede historische Forschung wird uns lehren, dass die Merkmale als solche auch außerhalb moderner Gesellschaften zu beobachten sind. Insofern sind alle Merkmale Symptome, die in einem logisch eigenständigen Schritt als Symptome der Moderne interpretiert werden. Dieser Interpretationsakt soll im Forschungsschwerpunkt seinerseits beobachtet werden, um ihn intersubjektiv diskutier- und kontrollierbar zu machen. Die wohl am wenigsten befriedigende, wiewohl forschungspragmatisch und alltagsöffentlich durchaus verbreitete Version liegt darin, die Epoche der Moderne an das gefühlt häufige Auftreten jener Merkmale zu binden.

Zum Vorverständnis: Sport der Medialen Moderne

Wenn wir hier von Moderne sprechen, ist die politische Moderne gemeint, d.h. jener epochale Bruch, der sich mit den bürgerlichen Revolutionen, mithin mit den Deklarationen der Menschenrechte vollzogen hat. Der methodologische Vorteil dieses Einsatzpunktes liegt – im Unterschied etwa zu Konzepten der Moderne als „Industriegesellschaft“, als „Mediengesellschaft“ oder als „säkularisierte/entzauberte Gesellschaft“ – darin, dass die bürgerlichen Revolutionen nicht lediglich einen graduellen Übergang, sondern einen deklarierten Bruch markieren. Dies folgt der Einsicht Blumenbergs, dass Anfänge in der Geschichte ernannt werden (müssen).

Im Lichte der politischen Moderne sind moderne Gesellschaften dadurch bestimmt, dass in ihnen alle personalen Verhältnisse auf Indirektheit umgestellt sind. Personen verhalten sich in modernen Gesellschaften nicht mehr direkt, gleichsam von Angesicht zu Angesicht, zueinander, sondern prinzipiell vermittelt im und durch das Medium ihres sich wechselseitigen Anerkennens als Staatsbürger bzw. als Person gleicher Rechte. Die politische Moderne hat, in diesem strikt formalen Sinne, umgestellt vom Recht des Stärkeren auf Rechtsstaatlichkeit. Aufgrund dieser medialen Vermitteltheit aller personalen Verhältnisse sprechen wir auch von der bürgerschaftlichen Moderne. Im Übergang von der klassischen zur postklassischen Moderne wird diese mediale Vermitteltheit reflexiv, d.h. als solche ausdrücklich gemacht. Insofern kann man die postklassische im Unterschied zur klassischen Moderne als mediale Moderne bezeichnen. Auch diese reflexive Stufung lässt sich hinsichtlich des Politischen an einen ernannten Anfang binden, nämlich an Gründung der UNO und die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, durch die – völkerrechtlich verbindlich – die klassische, staatsbürgerschaftliche, wesentlich nationalstaatlich organisierte Moderne zur weltbürgerschaftlichen, wesentlich lokal-global vernetzten Moderne wurde.

Das grundlegende Versprechen der bürgerlichen Gesellschaft liegt darin, dass die soziale Stellung des Einzelnen in der Gesellschaft nicht mehr ständisch organisiert ist, also nicht mehr nach vorgegebenen, durch den Einzelnen nicht gestaltbaren Kennzeichen festgelegt ist; stattdessen solle die eigene Leistung auf der Basis von Chancengleichheit für Gerechtigkeit im Sozialen sorgen. Dieses Versprechen steht dann konsequenterweise in gut funktionierenden modernen Gesellschaften auf dem Dauerprüfstand, und zwar sowohl hinsichtlich der Generalisierbarkeit des Leistungsprinzips als auch hinsichtlich der Realisierung von Chancengleichheit (zuletzt exemplarisch Nussbaum). Vor allem stehen die Einbindung des citoyen in Staat und Zivilgesellschaft sowie die Möglichkeiten der autonomen eigenen Gestaltung der sozialen Stellung auf dem Prüfstand. Demokratische Partizipation, soziale Teilhabe und Mündigkeit sind insofern die selbsterklärten Schlüsseldimensionen der klassischen Moderne. Es wird zu prüfen sein, ob bzw. wie dies auch noch für die Mediale Moderne gilt.

Der Olympische Wettkampfsport war eine, wenn nicht die Bühne, auf der sich moderne Gesellschaften in der klassischen Moderne jenes Grundprinzips und Versprechens vergewisserten. Der Olympische Wettkampfsport inszeniert das Grundanliegen der bürgerlichen Gesellschaft in spielerischer Weise. Der durch Fairness grundgelegte olympische Geist verspricht, dass nicht vor Antritt des Wettkampfs bereits feststeht, wer gewinnt, sondern dass auf der Basis gleicher Startchancen tatsächlich die bessere eigene (Tages-)Leistung über Sieg und Niederlage entscheidet. Der Olympische Sport ist der Prototyp des Sports der klassischen Moderne. So verstandene Fairness stiftet daher einen Maßstab für das Verständnis jener Veränderungen von Sport- und Bewegungskulturen in der Medialen Moderne.

 

Ziele des Forschungsverbunds

Ausgehend von diesem Sachstand ist das zentrale Anliegen des Forschungsschwerpunkts, die sportwissenschaftliche Theoriebildung in den human- resp. sozialwissenschaftlichen Disziplinen der Sportwissenschaft weiterzuentwickeln. Angesichts der noch weitgehend unbegriffenen Veränderungsprozesse gilt es, ein gesellschaftstheoretisches Reflexionswissen und gegenstandsspezifische theoretische und methodologische Instrumentarien für die Generierung, Zusammenführung und, vor allem, Interpretation empirischen sportwissenschaftlichen Wissens bereit zu stellen.

Fraglich ist zwar partiell immer noch, welche Veränderungsprozesse sich aktuell in den Sport- und Bewegungskulturen moderner Gesellschaften vollziehen; aber primär ungeklärt ist, wie sich empirische Befunde gesellschaftsdiagnostisch interpretieren lassen – also ob und wie sie zusammen ein Bild und nicht nur eine Loseblattsammlung des Sports moderner Gesellschaften liefern und überhaupt liefern können. Der Forschungsschwerpunkt wird also drei Anliegen miteinander verzahnen, nämlich:

  • die Entwicklung von gesellschaftstheoretischem Reflexionswissen,
  • die Entwicklung von gesellschaftstheoretisch eingebetteter gegenstandsspezifischer Theorie und Methodologie
  • die Irritation und Weiterentwicklung der Theoriebildung durch Bewährung in empirischer Detailforschung.

Gemeinsame Forschungsidee und verbindende Fragestellungen

Die grundlegende Forschungsidee des Projektvorhabens besteht in der Unterscheidung von Gesellschaftstheorie und einzelnen Sozialwissenschaften (etwa Kommunikations-, Politikwissenschaft, Pädagogik, Soziologie).

Dadurch kann zum einen die gesellschaftstheoretische Abhängigkeit sozialwissenschaftlicher Erkenntnisse erforscht werden (etwa Lindemann oder Fischer). Zum Beispiel ist der sozialwissenschaftliche Begriff des sozialen Akteurs durch ein gesellschaftstheoretisches Verständnis von Personalität grundgelegt. Ein Wandel in den gesellschaftstheoretischen Kategorien wird also, selbst bei vermeintlich gleichen sozialwissenschaftlichen Begriffen, unterschiedliche Forschungsergebnisse zur Folge haben; und umgekehrt verlangt ein Vergleich verschiedener sozialwissenschaftlicher Ergebnisse eine minimale gemeinsame kategoriale Basis. In der Durchführung des Forschungsschwerpunktes wird es daher entscheidend sein, verschiedene gesellschaftstheoretische und sozialwissenschaftliche Zugänge miteinander zu konfrontieren (was bei bloßer Addition von Einzelprojekten nicht möglich ist), um die gesellschaftstheoretische Fundierung sportsozialwissenschaftlicher Empirie (exemplarisch) sichtbar werden zu lassen.

Zum anderen ergeben sich aus den vorliegenden unterschiedlichen Gesellschaftstheorien naheliegende Dimensionen, die als typisch für die Moderne und virulent unter den Bedingungen der Globalisierung gelten. Vor allem in diesen Dimensionen müssten sich also jene Veränderungen vollziehen, die einen grundlegenden Wandel im Charakter der Moderne anzeigen oder eben nicht. Ein hypothetisch unterstellter Wandel in den Sport- und Bewegungskulturen der medialen Moderne (im Vergleich zur klassischen) wird daher in solchen Dimensionen zu untersuchen sein. Dabei gehen wir gemeinsam von folgenden Dimensionen aus:

  • die Dimension der Selbstbestimmung der Akteure: Partizipation, demokratische Mitbestimmung, Mündigkeit/Empowerment;
  • die Dimension verschiedener Formen der Institutionalisierung öffentlichen Handelns: exemplarisch Medien, Vereine, Schule;
  • die Dimension der technisch-normativen Gestaltung der kulturellen Natur des Menschen: exemplarisch des Körpers, von ›Leben‹, der Gesundheit, von gender;
  • die Dimension der Selbstinszenierung der Akteure: Ausdruckhaftigkeit allen menschlichen Handelns und Theatralität.

Neben den Veränderungen in diachroner Perspektive soll und muss aber auch der Kategorie Raum Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Bedeutung vor allem nationalstaatlicher Grenzen unterliegt in der Moderne tiefgreifenden Veränderungen. Lange Zeit galten nationalstaatliche Grenzen als konstitutives Moment der Trennung von räumlichen Einheiten, was ersichtlich nicht mehr der Fall ist. Kategorien wie Globalisierung, Entgrenzung oder Transnationalisierung haben Eingang bis in die Alltagssprache gefunden. Mit Blick auf nationen- und grenzüberschreitende technische und wirtschaftliche Entwicklungen, wachsende Migration, erhöhte transnationale Mobilität, verstärkte kulturelle Austauschprozesse, veränderte Kommunikationsformen werden im Folgenden die hier behandelten Themenfelder und Akteure auch komplementär in räumlicher Hinsicht beleuchtet.

Dabei ist es für den Bereich des Sports, gerade auch unter Bedingungen lokal-globaler transkultureller Vernetzungen, in allen vier Dimensionen naheliegend, die Analyse hinsichtlich des Verhältnisses von Individualisierung und Vergemeinschaftung zuzuspitzen. Dies würde zudem die Vergleichbarkeit mit entsprechenden Veränderungen in nicht-sportlichen Feldern der Gesellschaft sichern. Als spezifisch für das Feld des Sports kann die präsentische, nicht repräsentische Weise der Vermitteltheit (Können vs. Wissen-dass) sportlichen Handelns gelten, was ebenfalls eine verbindende Klammer jener vier Dimensionen bildet. Als Kontrastfolie und insofern Maßstab aller Veränderungsanalysen dient, wie oben erläutert, der Olympische Sport.

 

Stand der Forschung

Die Grundannahme, Sport als Diagnoseinstrumentarium für Entwicklungen moderner Gesellschaften anzusehen, ist z.B. im Sonderforschungsbereich Kulturen des Performativen im Teilprojekt Die Aufführung der Gesellschaft in Spielen zugrunde gelegt und genutzt worden (Gebauer et al.). Systematisch und breit genutzt ist dieser Ansatz in der Sportwissenschaft bisher jedoch nicht. Er war und ist aber gut begründeter Kritik ausgesetzt (Gumbrecht) – eine Kritik, gegen die auch Gebauer et al. nicht hinreichend geschützt sind. Hier entscheidet sich letztlich die Relevanz einer Gesellschaftstheorie für die Analyse des Sports.

Die zunehmende Differenzierung von Sport- und Bewegungskulturen wiederholt sich auf der Ebene sportwissenschaftlicher Forschung. Zu konstatieren ist eine durchaus breite empirische Befundlage, die gleichwohl weitgehend unverbunden nebeneinander steht. Es ist ungeklärt, ob bzw. wie diese empirischen Befunde aufeinander beziehbar sind, da sie auf den denkbar unterschiedlichsten theoretischen Paradigmen und methodischen Zugängen basieren. Erst recht ist ungeklärt, ob und wie solche Befunde als symptomatisch für moderne Gesellschaften und deren Veränderungsprozesse gelten können. Nicht zuletzt gibt es kaum Forschungen zu den Veränderungsprozessen des Sports seit und durch 1989. Beachtenswerte und deren Relevanz verdeutlichende erste Versuche dazu finden sich z.B. bei Prohl und Emrich; dort freilich eher auf plakativer denn auf differenzierter und differenzierender gesellschaftstheoretischer Grundlage.

Die Entwicklung von gesellschaftstheoretischem Reflexionswissen muss in und außerhalb der Sportwissenschaft nicht vom Nullpunkt aus neu entwickelt werden (etwa Bette). Die Verortung des Sports in modernen Gesellschaften hat durchaus Tradition. Zu nennen sind hier z.B. die Paradigmen ›Sport in der Industrie-/Leistungsgesellschaft‹ (Krockow, Eichberg), ›Sport als Subsystem‹ (Cachay, Bette), ›Sport des Kapitalismus‹ (Rigauer, Vinnai), ›Sport der aufgeführten Gesellschaft‹ (Gebauer, Alkemeyer), ›Sport der Erlebnisgesellschaft‹ (Allmer & Schulz), ›Risikosport‹ etc. Bisher gibt es jedoch eher Gemeindebildungen und wechselnde theoretische Moden als die reflexiv kontrollierte Möglichkeit, die vermittels verschiedener Modernitäts-Paradigmen gewonnenen Resultate miteinander konfrontieren zu können.

Schon die Arbeit innerhalb des Forschungsschwerpunkts, erst recht sportwissenschaftliche Forschung darüber hinaus, setzt aber genau das voraus. In diesem Sinne gilt es, eine sportwissenschaftlich kompatible Gesellschaftstheorie der Moderne zu entwickeln.

Eine solche Gesellschaftstheorie kann und wird nicht ›noch eine‹ Theorie der Moderne sein, die nun endlich richtig und endgültig kundgibt, was die Moderne denn nun eigentlich und in Wahrheit ist. Zur Differenzierung der Moderne gehört essentiell, dass es auch eine Pluralität gesellschaftstheoretischer Paradigmen ihrer selbst gibt. Es wäre in der Tat anachronistisch, allen sportwissenschaftlich Forschenden eine einzige Theorie der Moderne andienen zu wollen. Was es vielmehr braucht, ist eine Art Mathematik gesellschaftstheoretischer Paradigmen, die eine kategoriale Basisstruktur bereitstellt, so dass die bis dato lediglich nebeneinander bestehenden Paradigmen ineinander übersetzbar werden.

Struktur und Konzeption

 Das Forschungsprogramm besteht aus vier miteinander verzahnten Teilprojekten, deren Ziel es ist, Veränderungsprozesse in den genannten vier Dimensionen der Bewegungs- und Sportkultur in Deutschland seit dem Zweiten Weltkrieg resp. seit der Gründung der UNO in exemplarischer Vertiefung zu untersuchen und auf dieser Folie eine kategoriale Basis für eine Gesellschaftstheorie des Sports der Medialen Moderne zu entwerfen (vgl. Tab. 1).

Das Teilprojekt Gesellschaftstheorie ist zugleich eigenes Teilprojekt und Ort der Koordination aller vier Teilprojekte. Es geht hier vornehmlich um die Ausarbeitung jener kategorialen Basis und um die explizite Reflexion des Verhältnisses von klassischer und medialer Moderne, insbesondere also um die Frage, inwieweit der Olympische Sport noch prototypisch für die Mediale Moderne ist.

Aus der Vielzahl an möglichen Untersuchungsfeldern zur Veränderung der Bewegungs- und Sportkultur, die sich allein im Blick auf unterschiedliche Adressaten (z.B. Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Behinderte, Migrantinnen/Migranten) und Settings (z.B. Schulsport, Vereinssport, Freizeitsport, Leistungssport, Mediensport, Seniorensport, Gesundheitssport) findet, werden im Rahmen dieses Forschungsprogramms drei Felder ausgewählt: Mediensport, Vereinssport und Schulsport. Sie stellen unterschiedliche Formen der institutionellen Verfasstheit dar, die eine jeweils spezifische Ausformung von Veränderungsprozessen der Bewegungs- und Sportkultur sowie von demokratischen Mitwirkungsmöglichkeiten repräsentieren. Der leitende Gesichtspunkt der Auswahl liegt neben der eigenen Kompetenz in der Vermutung, hier hinreichende Kontraste hinsichtlich der Veränderungsgeschwindigkeiten vorzufinden; wir vermuten eher hohe Veränderungsfreudigkeit im Mediensport, eher Veränderungsresistenz im Schulsport und große Diversitäten im Vereinssport.

Die Transformation der gesellschaftlich relevanten Kommunikation hat deutliche Auswirkungen auf die mediale Repräsentation des Sports. So werden die zu beobachtenden Veränderungsprozesse u.a. als „Mediatisierung“ (Dohle & Vowe), „Telegenisierung“ (Schauerte & Schwier), „Theatralisierung“ (Schwier & Schauerte 2009) und „Ökonomisierung“ (Schierl) des Mediensports beschrieben. Diese Konzepte thematisieren zwar die Entwicklungen des Sports in den Medien, beziehen aber den Faktor Zeit nur implizit mit ein. Auch die Anwendung von Dimensionen gesellschaftlicher Wandlungsprozesse in der Moderne wie beispielsweise der Beckschen Individualisierungsthese (Beck) auf den Sport bzw. auf Indikatoren der Individualisierung im Mediensport sucht man bisher vergeblich. Vor diesem Hintergrund ist eine theoretische und empirische Aufarbeitung des Verhältnisses von Medien, Sport und Gesellschaft aus einer konsequenten Längsschnittperspektive erforderlich.

Die Rolle des Vereinssports als institutioneller Rahmen von gesellschaftlichem Wandel ist wissenschaftlich bislang kaum untersucht worden. Über die Praktiken und Mechanismen zivilgesellschaftlichen Engagements und Gemeinwohlorientierung innerhalb von Sportvereinen sowie über die Rolle und Bedeutung von Sportvereinen für den Prozess der Herausbildung der Moderne ist gleichermaßen wenig bekannt. Den Sportvereinen, die im Feld des Breiten- und Freizeitsports angesiedelt sind, wird als Bestandteil der Zivilgesellschaft eine wichtige Rolle im Sinne einer intermediären Organisation der politischen und gesellschaftlichen Praxis zugeschrieben – zum Teil werden ihnen sogar höchst ambitionierte Ziele im Hinblick auf beispielsweise Integrationsaufgaben (Baur & Braun) oder Bürgerkompetenz (Strob; Braun) zugewiesen. Vor dem Hintergrund allgemeiner Veränderungsprozesse im Sportverhalten ist der Wandel von Sportvereinen und vor allem der Wandel der gesellschaftlichen Funktion von Sportvereinen zu untersuchen.

Für den Schulsport ist festzustellen, dass der Sport bei seiner institutionellen Einbettung zahlreichen Auswahl- und Transformationsprozessen unterliegt, die den Schulsport zu einem verschulten, „pädagogisch ausgewählten“ und veränderten Sport werden lassen (Kurz). In diesem Zusammenhang gibt es in der fachpädagogischen Diskussion sehr unterschiedliche Ansichten darüber, wie das Verhältnis zwischen inner- und außerschulischem Sport – z. B. im Sinne einer „Eigenwelt, Doppelwelt, Gegenwelt oder Mitwelt“ (Scherler) – gestaltet, inwieweit und welche Veränderungen der sich ausdifferenzierenden Bewegungs- und Sportkultur in den Schulsport aufgenommen werden sollen.

 

Tab. 1: Inhaltliche Facetten der Teilprojekte

Tab. 1: Inhaltliche Facetten der Teilprojekte

Disziplin

Gegenstand

Erkenntnisinteresse

Federführend

 

Philosophie

Gesellschaftstheorie des Sports der Medialen Moderne

Kategoriale Basis einer Gesellschaftstheorie; Verhältnisbestimmung klassische/‌mediale Moderne; Olympischer Sport als Maß?

Prof. Dr. Volker Schürmann

 

Medien- und Kommunikationswissenschaft

Mediensport der Medialen Moderne

Analytisch-konzeptionelle Durchdringung des Wechselspiels zwischen sozialem Wandel, Medienentwicklung und Ausdifferenzierung des Sportsystems

Medialisierung des Sports

Veränderung der Sportberichterstattung

Dr. Manfred Bruns
Dr. Holger Ihle / Dr. Jörg-Uwe Nieland

 

 

Politikwissenschaft

Vereinssport der Medialen Moderne

Partizipation, Vereinssport, Gemeinschaft, soziale und politische Integration im Wandel

Prof. Dr. Jürgen Mittag

 

 

Pädagogik

Schulsport der Medialen Moderne

Veränderungen und Modernisierungsprozesse im Schulsport; programmatische und akteursspezifische Analysen

Prof. Dr. Günter Stibbe