Was wir von Zombies und Superhelden lernen können

Ein schummriger Kellergang, unheimliche Katakomben, flackerndes Licht, plötzlich … ein Zombie. Mit gruseliger Fratze springt er ins Bild, kämpft und schlägt, gibt dabei grässliche Laute von sich. Was sich anhört wie ein Ausschnitt aus der TV-Serie „The Walking Dead" und dem gleichnamigen Videospiel, ist Teil eines Lehrkonzepts an der Spoho, das Spielen und Lernen kombinieren möchte und sich der Gamifizierung von Lernumgebungen bedient.

Kinder lernen spielerisch, und wer Spaß am Lernen hat, der lernt besser. Diese Erkenntnis ist nicht wirklich neu. Auch an Universitäten geht es primär darum, sich Wissen anzueignen. Wie lernen wir besonders effektiv? Was motiviert uns zum Lernen? Und wie bleiben wir dran, wenn wir vor Herausforderungen gestellt werden? Das sind von jeher klassische Fragen der Vermittlung - auch in der Hochschullehre. Doch was haben Videogarnes und Spiele mit dem Lernen an der Uni, mit der Vorlesung oder dem Seminar zu tun? Hierbei handelt es sich schließlich um ein seriöses Lehr- und Lernsetting, das kompetenzorientierte Lernziele verfolgt. Eine Alternative zum klassischen Lernen könnten gamifizierte Lernumgebungen darstellen. Davon ist Univ.-Prof. Dr. Dr. Swen Körner, Leiter der Abteilung Trainingspädagogik und Martial Research, überzeugt. Beim gamifizierten Lernen werden relevante Lernziele und -inhalte mit spieltypischen Elementen verknüpft. Dies können Aufgaben, Missionen (Quests) und Geschichten sein, die ein Rollenspiel ermöglichen, die zu den Lernvoraussetzungen passen und mit Feedbackmechanismen versehen sind.

„Viele Menschen lieben Geschichten"
Professor Swen Körner ist einer derjenigen, die sich in der Lehre das „Prinzip Spielen" zunutze machen: Motivation ist das A und 0, um effektiv zu lernen, und spielerische Elemente können die Motivation der Teilnehmenden erhöhen. Der Dozent hat gleich mehrere gamifizierte Rahmenkonzepte für seine Lehre entwickelt und damit bereits Lehrpreise in den Kategorien Praxiskurs, Vorlesung und Seminar gewonnen (siehe Info-Kästen). Gamifizierte Anwendungen nutzen das Interesse von Menschen, sich an Spielen zu beteiligen; sie sind mittlerweile in vielen Gesellschaftsbereichen verbreitet, zum Beispiel in der Werbeindustrie zur Kund*innenbindung sowie in Beruf, Ausbildung und Schule. Auch im (digitalen) Sport- und Gesundheitssektor hat Gamifizierung Einzug gehalten, etwa, wenn wir beim Training auf dem Fahrradergometer in virtueller Realität gegeneinander antreten. Die Idee ist simpel: Unsere täglichen Aufgaben erledigen wir lieber, wenn wir Freude daran haben und motiviert sind. ,,Seminare mit motivierten Studierenden, die erfolgreich lernen, entsprechen meiner Vorstellung von gelungener Lehre", sagt Körner und ergänzt: ,,Viele Menschen lieben Geschichten. Und Spiele, egal ob Videospiele, Brett- oder Rollenspiele, sind oft mit einer Geschichte verbunden, wir sprechen dabei von einem Narrativ." Metaanalysen, also Zusammenfassungen von Primär-Untersuchungen, konnten bereits zeigen, dass der Einsatz von Gamifizierung in speziellen Settings, zum Beispiel im Schulunterricht und in der medizinischen Ausbildung, positive Ergebnisse erzielt. Auch bei Studierenden sind positive Effekte nachgewiesen. Gamifizierung kann den Lernprozess unterstützen und zu einer Motivations- und Leistungssteigerung führen (Bai et al., 2020). Aber es gibt auch Kritik daran, Lernen und Spielen auf diese Weise in pädagogischen Kontexten zu verknüpfen, etwa, weil Spiellogik und schulische Logik nicht vereinbar wären oder auch, weil sozialer Druck und negative Gefühle entstehen könnten. Daher betont Swen Körner, dass gamifizierte Lernumgebungen immer nur eine Möglichkeit darstellen, bei der es „auf die pädagogische Kontextualisierung ankommt". Die Frage, ob wir klassisch lehren und lernen oder ob wir gamifizierte Lernumgebungen nutzen, sei keine Entweder-Oder-Entscheidung: ,,Das muss sich nicht ausschließen, sondern beides kann als gleichberechtigte Option existieren."

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Narrative Gamifizierung an der Hochschule
Während in vielen Ländern gamifizierte Lernumgebungen an Universitäten schon präsent sind, sieht das in der Hochschulbildung in Deutschland anders aus. Hier seien, Körners Meinung nach, andere Länder deutlich weiter. Doch schließen sich Lernen und Spaß an deutschen Unis wirklich aus? Sind Vorlesungen, Vorträge und Frontalunterricht - also Lehrformate ohne viel Interaktion - noch zeitgemäß? Um sich hiermit detaillierter zu beschäftigen, hat Körner vor drei Jahren angefangen, den Masterstudiengang „Game-based Media & Education" an der Donau-Universität Krems zu studieren. Kürzlich legte er seine Masterarbeit vor. Der Titel: ,,Narrative Gamifizierung in der sportwissenschaftlichen Hochschullehre. Konzeption - Durchführung - Evaluation". Er erklärt, warum er sich hier einschrieb: ,,Im Zuge der Corona­Pandemie kam es an unserer Universität zu gravierenden Einschränkungen und Herausforderungen in der Lehre. Um diesen mit neuen Ideen, Konzepten und Mitteln zu entsprechen, habe ich berufsbegleitend das Masterstudium aufgenommen. Es war von Anfang an als strukturierter Input für meine unversitäre Lehre gedacht mit dem Ziel, Inhalte des Studiums auf die eigene Lehre anzuwenden und diese weiter zu professionalisieren."

Körner geht in seiner Arbeit davon aus, dass Narrative, also Geschichten, für Menschen, eine zentrale sinnstiftende Rolle haben. Dank einer narrativen Gamifizierung könnten Lerninhalte und -prozesse eine „Sinnaufladung" erfahren, die motivierend wirke und das Lernen unterstütze. Sein Konzept sei weder Allzweckwaffe noch Königsweg, interessiere sich aber für die eigenen Effekte, also ein Lehransatz, der sich selbst erforscht: ,,Die Lehrveranstaltungen besitzen eine Art eingebautes Selbstüberprüfungsgebot. Die Studierenden können über Onlineumfragen direkt rückmelden, welche Lernziele sie subjektiv erreicht haben und was ihnen besonders gut gefallen hat." Damit bringe sich das Konzept konstruktiv und reflexiv in die Diskussion über die Zukunft der Hochschullehre ein. Die Studierenden scheinen das Rahmenkonzept gut zu finden: Alle Lehrveranstaltungen, in denen es zum Einsatz kam, wurden für den Lehrpreis der Sporthochschule vorgeschlagen. Und was hat das Ganze mit dem Zombie vom Anfang zu tun? Die Antwort liefert train2fight the virus ...

Text: Julia Neuburg, Theresa Templin

Lehrangebote

Online Fighting Class: train2fight the virus

Die Idee zur Online Fighting Class entstand während des ersten Corona-Lockdowns, der die Präsenzlehre an der Spoho killte. Die Lösung des Dozenten: train2fight the virus. Studierende der Profilergänzung ,Kampfkunst, Kampfsport, Selbstverteidigung' traten in Teams innerhalb der JusticeLeague gegeneinander an. Woche für Woche stellte der Dozent den Teams per Video Aufgaben zu Fitness, Wachstum, Kämpfen, Solidarität und Wissen. Die Teams kreierten auch eigene Challenges. Am Ende gewann das Team mit den meisten Punkten. Theorieinhalte (Keynotes) und praktische Einheiten (via Webex) ergänzten den Kompetenzgewinn. Der praktische Teil der Modulprüfung war der Kampf gegen den „Endboss". Hierzu erstellte der Dozent ein Kampfvideo vom Endboss. Die Studierenden choreographierten dazu einen Antwortkampf, der zu den im Referenzvideo gezeigten Aktionen und Reaktionen passt, und filmten diesen. Auf dem Weg zum Endboss galt es auch, den Zombie auszuschalten... Körners Bilanz: hoher Aufwand, aber durchweg hohes Engagement der Studierenden und positive Rückmeldungen (1. Platz E-Lehrpreis 2020)

Vorlesung: Agents of BAS2

Verhaltens- und Sozialwissenschaftliche Grundlagen (BAS2) ist eine Pflichtvorlesung im Basisstudium. Prof. Swen Körner unterrichtet hier die Inhalte Pädagogik und Didaktik. Er wollte die traditionelle Konzeption einer Vorlesung aufbrechen und durch ein Interaktions-Design ersetzen. Hier kommt Nachwuchstrainer „Basti" zum Einsatz, der sich damit konfrontiert sieht, dass die Leistungen und die Motivation seiner Athlet*innen sinken. Die Studierenden werden zu den „Agents of BAS2" und sollen dem Coach mit Trainingstipps helfen. Woche für Woche meldet sich Basti mit einem Auftrag aus der Trainingspraxis, den die Agents interaktiv und transmedial (via Sprachnachrichten, Chatbeiträge etc.) auf der Basis der Vorlesungsinhalte lösen müssen. Körners Bilanz: zeitintensive Vorbereitung und Gestaltung; rege Beteiligung im Online- und Präsenzformat; sehr gute Bewertung durch Studierende (1. Platz des Lehrpreises 2022).

Univ.-Prof. Dr. Dr. Swen Körner

Interview

Sie sind ein begeisterter Gamer. Wie oft spielen Sie?
Ich spiele jeden Tag, wenn ich auf dem Ergometer sitze. Mich interessiert, wie diese Spiele funktionieren und wie sie es schaffen, mich zu motivieren. Wie schafft es die Videospielbranche, Spiele zu entwickeln, die so attraktiv für Menschen sind? Diese Fragen interessieren mich vor allem deswegen, weil ich als Wissenschaftler weiß, dass Menschen durch Spielen lernen.

Ist es das, was Sie so in den Bann zieht?
Neben dem Spaß, ja. Tatsächlich betrachte ich Games aus der trainingspädagogischen Perspektive und frage mich, was wir vom Game-Design lernen können. Diese Spiele inszenieren etwas extrem Bedeutungsvolles für die Spielerinnen und Spieler - genau das wünsche ich mir für Seminare und Vorlesungen: die Leute zu engagieren und das Lernen ,on the fly' zu ermöglichen. Das ist ein sehr robustes Lernen, weil man lernt, ohne es zu merken. Besonders in meinem Themengebiet, dem Kämpfen, bietet das Spiel eine gute Möglichkeit, ein ernstes Thema spielerisch zu betrachten.

Diese Kombination aus Kämpfen und Spielen erfüllen häufig Comics mit Superhelden. Was fasziniert Sie so an Batman und Co.?
Comics halten unserer Gesellschaft den Spiegel vor. Sie greifen gesellschaftliche Themen auf eine clevere Art und Weise auf. Bei Asterix und Obelix wird zum Beispiel das Gendern thematisiert. Und bei Batman wird immer wieder herausgestellt, dass er nicht nur Gewalt anwendet, um das Verbrechen zu bekämpfen, sondern sich selbst hinterfragt, ob er damit nicht gerade das Böse miterzeugt. Diese Art von Reflexivität steht unserer Gesellschaft gut zu Gesicht.

Welche Superkraft würden Sie sich aussuchen?
Ich würde gerne schwingen wie Spiderman. Durch die Hochhausschluchten von New York an einem seidenen Faden.

Warum nicht fliegen?
Das wäre mir zu einfach. Für das Schwingen muss ich etwas tun - das richtige Timing für den Absprung finden, aufpassen, dass ich nicht hinfalle ... Ein gewisser Reiz muss da sein, man muss auch scheitern können.

Zur Person

Univ. -Prof Dr. Dr. Swen Körner war jahrelang aktiver Kampfsportler, unter anderem im Vollkontakt in der Taekwondo-Nationalmannschaft. Mittlerweile interessiert er sich besonders für Selbstverteidigung. Seine Faszination für das Kämpfen spiegelt sich auch in seiner Begeisterung für Videospiele und Comicverfilmungen wider. Vor allem von Superhelden ist er ein großer Fan.